Dass im Falle einer Kündigung nicht jede Stelle notwendigerweise nachbesetzt wird, ist ein bekanntes Phänomen. Die Gründe dafür können Fachkräftemangel und schwierige Personalsituationen sein. Die anfallende Arbeit wird für gewöhnlich jedoch nicht weniger, wenn jemand fehlt. Die Lösung dafür sehen Arbeitgeberinnern und Arbeitgeber oft darin, die Aufgaben, die vormals eine eigene Arbeitskraft erledigt hat, auf die verbliebenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umzuverteilen. Das Phänomen nennt sich "Quiet Hiring": Man wurde also praktisch stillschweigend für etwas angestellt, das so nicht offiziell abgesprochen war. Das kann Vor- und Nachteile bringen – je nachdem, wie gefordert das Personal, das nun die Mehrarbeit erhält, bis dato war.

Eine Frau sitzt an einem Büroschreibtisch umgeben von stapelweise Ordnern randvoll mit Dokumenten, ein Mann bringt noch mehr davon, sie hat den Kopf in die Hand gestützt und macht ein betroffenes Gesicht
"Echt jetzt, das auch noch?!"
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Wenn man plötzlich mehr Arbeit bekommt

Das unerfreuliche Ergebnis, das Quiet Hiring hervorbringen kann, liegt auf der Hand: mehr Stress durch eine größere Workload, für gewöhnlich bei gleichbleibender Bezahlung. Frust und Überlastungsgefühl können rasch steigen, wenn man zusätzlich zu den vielen eigenen To-dos schlagartig noch mehr zu tun bekommt, das in der gleichen Arbeitszeit erledigt werden muss. Je nach eigenem Standing im Unternehmen kann es empfehlenswert sein, diesen Missstand gegenüber der Führungsebene offen anzusprechen – oder auch eine weniger gute Idee, weil es den eigenen Job gefährden könnte. In letzterem Fall ärgert man sich vielleicht im Stillen und macht aus vollem Kalkül nur noch das Notwendigste, was eine Zeitlang gutgehen kann. Oder man macht zumindest im Kollegium lautstark seinem Ärger darüber Luft, was man denn noch alles leisten soll. Möglicherweise ist die vervielfachte Arbeitslast auch der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt – und man verspürt einen solchen Leidensdruck, dass man auch ohne Aussichten auf einen neuen Job lieber kündigt, als unter diesen Umständen in seinem Job zu bleiben.

In anderen Fällen kann es  nicht nur dem Unternehmen, das Geld und Ressourcen für neue Arbeitskräfte, deren Einschulung und Gehälter spart, sondern auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sogar Vorteile bringen, wenn neue Aufgaben hinzukommen. Möglicherweise litt man vor lauter Unterforderung bereits an Boreout und empfand die eigene Arbeit nur noch als langweilig. Neue spannende Herausforderungen können einem dann wie gerufen kommen und einen aus der Lethargie aufwecken. Vielleicht erhält man dadurch auch Gelegenheit, sich weiterzuentwicklen und sich im Job zu profilieren – und darf letztlich sogar mit einer Beförderung rechnen, weil man sich derartig gut bewährt.

Ihre Erfahrungen, bitte!

Haben auch Sie in Ihrem Berufsleben bereits eine derartige Situation erlebt? Wie haben Sie reagiert, als Ihnen mehr Arbeit aufgebürdet wurde? Haben Sie die Situation vorwiegend negativ empfunden oder hat sich daraus etwas Positives für Sie ergeben? Und was würden Sie Betroffenen raten? Teilen Sie Ihre Tipps mit der STANDARD-Community! (Daniela Herger, 28.6.2023)