"Wir sind dem Gericht dankbar, dass es zu unseren Gunsten entschieden hat." Xbox-Chef Phil Spencer zeigte sich kurz nach dem Urteil in einer ersten Stellungnahme sichtlich erleichtert. Rund anderthalb Jahre musste der US-Konzern zittern, ob die angekündigte Akquisition des Games-Giganten Activision Blizzard um knapp 70 Milliarden Dollar wirklich stattfinden wird. Die US-Behörde Federal Trade Commission (FTC) und Mitbewerber wie Sony hatten Vorbehalte geäußert, Microsoft könnte mit diesem Deal eine Monopolstellung in der Branche erlangen, speziell was die künftige Relevanz von Cloud-Gaming betrifft.

Das Gericht sah das nach einer ausführlich angesetzten Anhörung, bei der ranghohe Microsoft-Manager aussagen mussten, anders und entschied für die Zusammenführung der zwei Branchenriesen. Eine Entscheidung, die die größte Entertainment-Branche der Welt nachhaltig verändern könnte.

Nicht neu im Business

Microsoft ist seit über 20 Jahren in der Games-Branche äußerst aktiv. 2002 startete man mit einer eigenen Konsole namens Xbox in das von Nintendo und Sony dominierte Geschäftsfeld, das seit dieser Zeit ständig am Wachsen ist und jährlich Verkaufsrekorde bricht. Der US-Konzern musste viel Lehrgeld in diesen Jahren zahlen. Zunächst war man als Microsoft-Konsole verschrien, weil die Xbox-Brand noch nicht für sich stand. Schwierig in einem Markt, der vor allem von Jugendlichen bestimmt wird.

Mit der zweiten Konsole, genannt Xbox 360, schuf man ab 2005 starke Brands, die eine Fanbase aufbauen konnten. "Halo", "Gears of War" oder die Rennspielsimulation "Forza" wurden Millionenseller, der gleichzeitig aufgebaute Onlineservice, der später um das erfolgreiche Abo-Modell Gamepass erweitert wurde, überflügelte die Konkurrenz sogar. Zu selbstsicher ging man 2013 in die dritte Konsolengeneration, redete von Live-Übertragungen von Sport-Events, einer Always-on-Pflicht – und verlor auf dem Weg zahlreiche Studios und Marken.

Die vielen Jahre Aufbauarbeit zerschellten an einer falschen Entscheidung. Der Grundsatz "Software sells hardware" wurde unterschätzt. Obwohl Microsoft vor allem sein Abo verkaufen will, das eine Spielebibliothek dank Streaming fast unabhängig von der Plattform anbietet, bleibt die Xbox ein Symbol, ohne dessen Erfolg aktuell kein Blumentopf zu gewinnen ist. So wurde in den letzten Jahren am Markt eingekauft. Starke Marken, starke Entwicklerstudios. Der größte Deal war Zenimax mit der Spieleschmiede Bethesda um knapp sieben Milliarden Dollar. Es folgten zahlreiche weitere Studios, und es hätten laut Aufdeckungen während der aktuellen Anhörung noch viel mehr werden sollen. Sega, From Software ("Dark Souls"), CD Projekt Red ("Witcher") oder Bungie ("Destiny") – fast alle namhaften Größen der Branche standen offenbar auf der Einkaufsliste des US-Konzerns.

Aus all diesen Deals wurde allerdings nichts, und so kündigte Microsoft im Jänner 2022 offiziell an, einen der relevantesten Spiele-Publisher der Welt kaufen zu wollen: Activision Blizzard. Die Akquisition wäre mit einem Kaufwert von knapp 70 Milliarden Dollar die größte der Welt. Der ohnehin immer weniger heterogene Markt würde einmal mehr einen wichtigen Player verlieren, der aktuell mit seinen erfolgreichen Spielen viele Plattformen bedient.

Microsoft, Phil Spencer
Xbox-Chef Phil Spencer zeigte sich schon vor der Anhörung gut gelaunt. Der Optimismus war offenbar berechtigt.
AP/Noah Berger

Anderthalb Jahre Bangen

Mehrere Behörden, darunter die eingangs erwähnte FTC, äußerten Bedenken, was diese Zusammenführung für die ganze Branche bedeuten würde. Viele der erfolgreichsten Marken würden einem Plattformhersteller in die Hände fallen, der schon in den vergangenen Jahren bewiesen hat, dass man eingekaufte Studios gerne an Xbox-exklusiven Titeln arbeiten lässt. Es geht um Marktmacht und den Verkauf von Spieleabos. Mit dem vor vielen Jahren eingeführten Gamepass etablierte man das "Netflix für Games". Für zwölf Euro erhalten Abonnenten eine riesige Spielebibliothek, die laufend mit kleinen und großen Titeln befüllt wird.

Nachdem die Spieleentwicklung über die Jahre immer komplexer, länger und teurer geworden ist, stockte allerdings trotz zahlreicher Studiokäufe der Nachschub. Neue Entwickler von zugkräftigen Games müssen also her, um diese Lücken zu schließen. Titel wie "Call of Duty" oder "Diablo", die nach dem Kauf durch Microsoft wohl direkt in den Aboservice laufen würden. Wir reden hier von Millionensellern, die viele potenzielle Kunden zu Xbox- oder zumindest Gamepass-Kunden machen würden. Den Gamepass gibt es mittlerweile nämlich auch für den PC und als Cloud-Lösung. Übrig bleiben würden Sony- und Nintendo-Fans.

Und mit genau diesem Vorpreschen in Sachen Cloud-Gaming argumentierte auch die FTC in den letzten anderthalb Jahren ihre Skepsis. Hier zeichnet sich kein namhafter Konkurrent für Microsoft ab, was im Umkehrschluss heißen würde, dass sobald Cloud-Gaming – laut Analysten in etwa fünf bis zehn Jahren – den Mainstream erreicht, Microsoft mit seinem Cloud- und Spieleangebot quasi Monopolist wäre.

Ende mit Schrecken

Während der mehrtägigen Anhörung wunderte sich Richterin Jacqueline Scott Corley mehrmals über die Präsenz einer bestimmten Spielemarke: "Call of Duty". Dieser für Playstation äußerst relevante Millionenseller wurde auch im Statement als einer der ersten Gründe genannt, warum das Gericht für Microsoft entschieden hat.

"Microsoft hat sich schriftlich, öffentlich und vor Gericht verpflichtet, 'Call of Duty' auf Playstation zehn Jahre lang auf Augenhöhe mit der Xbox-Version zu veröffentlichen. Mit Nintendo wurde eine Vereinbarung getroffen, 'Call of Duty' auf die Switch zu bringen. Außerdem wurden mehrere Vereinbarungen getroffen, um die Inhalte von Activision erstmals auf mehrere Cloud-Gaming-Dienste zu übertragen." 

Weiter erklärte die Richterin, dass die FTC ihrer Meinung nach nicht ausreichend darlegen konnte, dass dieser Merger den Wettbewerb "substantiell verringern" würde. Microsoft habe sogar versprochen, das Franchise auf mehr Plattformen zu bringen, als das bisher der Fall war. Dem Wunsch nach einem Stopp der Akquisition würde man deshalb nicht nachgehen.

Die FTC zeigte sich von der Entscheidung "enttäuscht". Man sei weiterhin davon überzeugt, dass dieser Deal vor allem den Wettbewerb im Cloud-Gaming künftig stark beeinflussen wird. 

Die britische Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde (CMA) beschloss im April, den Deal ebenfalls zu blockieren. Nach dem Urteil von Donnerstag einigte man sich allerdings mit Microsoft, den Kampf vor Gericht zu pausieren. Befürchtungen, die ebenfalls in Richtung Cloud-Gaming formuliert wurden, könne man gemeinsam mit Microsoft wohl lösen. Ein überraschender Kurswechsel, der vielleicht auch damit zu tun hat, dass Microsoft kurzzeitig ankündigte, bei Nichteinlenken der CMA Activision-Blizzard-Titel künftig einfach nicht mehr in UK anzubieten.

Diablo 4
Marken wie "Diablo" gibt es aktuell auch für die Playstation. Ob das ewig so bleiben wird, wollte Microsoft noch nicht verraten.
Blizzard

Eine Branche hält den Atem an

Sony äußerte sich noch nicht zum Urteil, aber tatsächlich ist die Entscheidung eine große Niederlage. Bereits der Wegfall von Bethesda – durch den Kauf von Microsoft – machte Sony schwer zu schaffen. Ein Deal mit "Call of Duty" für zehn Jahre mag im Moment ein Trostpflaster sein, aber tatsächlich denkt Microsoft schon viel weiter. Es geht, wie im Prozess mehrfach angesprochen, darum, langfristig die Nummer eins zu werden. 

Natürlich wird man gut verkaufbare Marken wie "Diablo" oder "Call of Duty" möglichst lange auch bei der direkten Konkurrenz veröffentlichen, aber bestimmte Inhalte werden wohl auf der Xbox künftig früher oder exklusiv erscheinen und andere Marken gar nicht mehr auf der Playstation veröffentlicht werden. Was die Tage vor Gericht und die damit verbundenen Veröffentlichungen von internen Mails und Gesprächen zusätzlich gezeigt haben, ist, dass in der Games-Branche mit harten Bandagen gekämpft wird, wenn es um Exklusivdeals und die Akquise von Studios geht. Der wachsende Markt wird immer umkämpfter, auch deshalb, weil es um immer mehr Geld geht. 

Microsoft ist seit 20 Jahren im Games-Business, und die heutige Entscheidung wird die nächsten 20 Jahre prägen. Nintendo, aber in erster Linie Sony werden sich sehr schnell passende Strategien überlegen müssen, um der voranschreitenden Monopolisierung im Markt entgegenzuwirken. Beide haben nicht die finanziellen Ressourcen der US-Konkurrenz. Somit werden die vorhandene Kreativität, die nächsten Investitionen in neue Hardware und eine mögliche Ausrichtung in den Bereich Cloud-Gaming darüber entscheiden, wer am Ende Microsoft noch die Stirn bieten kann. (Alexander Amon, 12.7.2023)