Sebastian Borger aus London

Köig Charles III. erhält das Elizabeth-Schwert von Katharine Grainger.
REUTERS/Andrew Milligan

Zehn Monate nach dem Tod seiner Mutter, zwei Monate nach der Krönung in Westminster Abbey hat Charles III. diese Woche noch einmal ausdrücklich seine Rolle als König von Schottland gefeiert. Bei einem Festgottesdienst in der Edinburgher St.-Giles-Kathedrale gelobte der 74-jährige Monarch am Mittwoch erneut verfassungskonforme Amtsausübung. Tausende begeisterte Monarchisten säumten die feierliche Prozession, es kam aber auch zu Protestkundgebungen.

Die Kronen Englands und Schottlands sind seit 1603 in Personalunion vereint, 1707 stimmten beide Parlamente der Vereinigung zu Großbritannien zu. Eifersüchtig wachen die Schotten seither über die damals ausgehandelten Garantien ihrer kulturellen Autonomie, zumal im Zeitalter immer stärker werdender Unabhängigkeitsbestrebungen.

Der Tod von Elizabeth II. auf ihrer Sommerresidenz Schloss Balmoral hatte der Königsfamilie die Gelegenheit gegeben, die schottische Komponente der britischen Monarchie zu betonen. Historisch einmalig war dabei die Prozession des Sarges durch die Royal Mile in der Hauptstadt Edinburgh. Damals folgten alle vier Kinder den sterblichen Überresten der 96-Jährigen zu einem Gedenkgottesdienst in der St.-Giles-Kathedrale, wo die Bürger und Bürgerinnen anschließend Gelegenheit hatten, sich persönlich von ihrer toten Königin zu verabschieden.

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Die Royals kamen im Auto an

Diesmal schritten unter klingendem Spiel, flankiert von Soldaten und Polizisten, Schottlands Höchstrichter, die Vertreter politischer Parteien, die Vertreter historischer Zunfthäuser, von Kerzenmachern über Böttcher und Bäcker bis hin zu Goldschmieden, die Royal Mile hinauf. Tierärzte, Gehörlose, Dudelsackbläser, Schulkinder und Pfadfinder, Tierschützer und Kriegsveteranen – im prächtigen Sonnenschein führten Schotten aller Herkunfts- und Altersgruppen ihre Festtagsgewänder spazieren. Hingegen steuerten der König und seine Gattin Camilla sowie das Thronfolgerpaar William und Kate den Festgottesdienst in der Kathedrale im Auto an.

In Edinburgh war am Tag der Krönung ordentlich was los. Entlang der Royal Mile gab es eine lange Prozession.
Reuters/Chris Jackson

Wie bei royalen Festgottesdiensten in jüngerer Zeit üblich geworden, trug auch diesmal ein Regierungsvertreter die Lesung aus dem Alten Testament vor. Beim Londoner Krönungsspektakel war dies der konservative Premierminister Rishi Sunak, ein Hindu, gewesen. Diesmal trat im feinen Schottenrock der Ministerpräsident Humza Yousaf, Chef der schottischen Nationalpartei SNP, ans Rednerpult.

König als "Absurdität"

Der 38-Jährige Einwanderersohn ist nicht nur bekennender Muslim, sondern auch Republikaner. Ohnehin befinden sich Umfragen zufolge unter den Befürwortern der Unabhängigkeit Schottlands – ihrerseits eine Minderheit – jene in der Mehrheit, welche die in London beheimatete Monarchie ablehnen. Um aber die Unionisten nicht zu verprellen, setzt die SNP einstweilen auf die Weiterführung der königlichen Schirmherrschaft für den Fall, dass das ersehnte Ziel erreicht wird. Während Yousaf am Mittwoch alle konstitutionellen Äußerungen unterließ, trat außerhalb der Kirche klar zutage, dass die Treue zur Monarchie keineswegs alle Schotten vereint. So spricht die durch zwei Abgeordnete im Unterhaus vertretene Alba Party von einem königlichen Staatsoberhaupt als "Absurdität".

Auch Monarchiegegner waren in Edinburgh dabei.
Reuters/Mike Boyd

Auch die der schottischen Regionalregierung angehörenden Grünen blieben den offiziellen Feiern fern. Ihr Co-Vorsitzender Patrick Harvie kritisierte auf einer Kundgebung der Antimonarchisten das Königshaus als eine Art von "Game of Thrones". "Unverdienten Reichtum von einer Generation an die nächste weiterzureichen steht in grundlegendem Gegensatz zur demokratischen Gesellschaft, an der wir bauen", begründete Harvie seine Haltung. Hunderte Demonstranten machten sich am Rand der Prozession und vor der Kathedrale mit "Not my King"-Sprechchören bemerkbar.

Atheisten mit in der Kirche

Anders als bei der Krönung, wo die anglikanische Staatskirche von England den Ritus bestimmt hatte, durften sich diesmal die Vertreter anderer Religionen am Altar versammeln, anstatt demütig am Kirchenausgang zu warten: Ein Muslim, ein Hindu, ein orthodoxer Jude sowie eine Buddhistin gaben dem König im Namen ihrer jeweiligen Gottheiten gute Wünsche mit auf den Weg, ehe ein Vertreter der Atheistengemeinschaft etwas freudlos die "Gleichheit aller Menschen" beschwor.

Scheinbar mühelos präsentierte die frühere Goldmedaillen-Ruderin Katherine Grainger dem König das eigens neu angefertigte Staatsschwert, nach der verstorbenen Monarchin Elizabeth benannt. Die schottische Krone blieb in der Obhut von Alexander Douglas-Hamilton, der als 16. Herzog von Hamilton dem hierarchisch höchstrangigen Adelsgeschlecht Schottlands vorsteht.

Der König durfte die Kleinodien nur jeweils kurz angreifen und dabei seine Absicht treuer Regentschaft "für Gerechtigkeit und Frieden" geloben. Nach dem Gottesdienst verschwanden die Insignien königlicher Herrschaft wieder auf der Edinburgher Burg, wo Touristen sie für teures Eintrittsgeld beschauen dürfen. Die Londoner Monarchiehistorikerin Anna Whitelock sprach etwas abschätzig von einer "Zeremonie der armen Leute, einer nachgeahmten Krönung". (Sebastian Borger aus London, 6.7.2023)