So groß ist der Unterschied zwischen dem Möchtegern-Volkskanzler und der Möchtegern-Regierung gar nicht, wenn es gilt, gegen Vorschläge aus der Europäischen Union und gegen Erkenntnisse der Wissenschaft in einem Reflex aufzuschreien, den man sich lange antrainiert hat, in der Hoffnung, den "normalen Hausverstand" für die nächste Wahl günstig zu stimmen. Mit der gefährlichen Drohung, bis zum bitteren Ende durchhalten zu wollen, hätte sich die letzte türkis-grüne Regierung damit vor dem Nationalrat in einen vorletzten Sommer des allgemeinen Missvergnügens verabschiedet. Ein Missvergnügen, das die Partner, kaum noch verborgen, seit längerem auch aneinander demonstrieren. Die innerkoalitionäre Opposition funktioniert in einigen Bereichen besser als die Produktion von Gesetzen zum allgemeinen Wohl, dringlich eingemahnte Maßnahmen werden immer wieder aufgeschoben. Und der parlamentarische Kehraus war ein Spiegel dieser Zustände.

Nationalrat
Kehraus vor der großen Sommerpause: ein Blick in den Plenarsaal des Parlaments.
Imago/Sepa.Media

Schlecht regieren kommt ja oft vor. Aber darf man darüber hinaus die Öffentlichkeit auch noch zum Narren zu halten? Dass bei der Informationsfreiheit im Bereich der Verwaltung nichts weitergeht, entspricht der Tradition. Dann ein Mediengesetz vorzulegen, das mit dem Tod einer Zeitung endet, Journalistenausbildung ins Kanzleramt transferiert und kein ökonomisches Problem löst, also die Informationsfreiheit im weitesten Sinne eher untergräbt als fördert – wir sind halt in Österreich. Aber dass die Medienministerin sich damit auf einen Auftrag des Verfassungsgerichtshofs ausredet und die grüne Klubobfrau, ein extraterrestrisches Wesen, von einem "guten Tag für den Journalismus" spricht, grenzt ans Außerirdische.

Fast möchte man dem völkischen Kandidaten, der sich im Nazijargon zum Volkskanzler hochdienen will, eine kleine Chance einräumen, wenn er verspricht, dieses Gesetz nach seiner so gut wie fixen Machtergreifung abzuschaffen. Lehrte nur nicht die Erfahrung, dass bei solchen Führern Information im Entwurmen besteht.

Öffentlicher Konsultationsprozess

Die Wissenschaft macht Fortschritte, die Methoden einer zunächst als problematisch empfundenen Gentechnik werden ständig verbessert. Einer österreichischen Regierung ist das fürs Erste einmal ein Dorn im Auge. Gleich drei Minister laufen zusammen, um zu geloben, sie würden sich in Brüssel "mit aller Kraft" dafür einsetzen, dass nichts passiert. Es ist nur schade, dass ihre Kräfte im eigenen Land gar so wenig bewirken und ihre eigene Ratlosigkeit der Wissenschaft als Vorbild von Verantwortung angedient werden soll. Eine intellektuelle Festungsmentalität, die nicht nur in freiheitlichen Gehirnen wabert. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse sind zunächst einmal verdächtig wie Asylwerber, und wenn man sich mit ihrer Abwehr beim Publikum beliebt machen kann, wird diese Chance schamlos genutzt.

Wie lange ist die Umweltministerin den Nationalen Energie - und Klimaplan zur Erreichung der Klimaziele schuldig? Jetzt will sie einen öffentlichen Konsultationsprozess ausrufen. Alle seien eingeladen, Ideen einzubringen, die sie selber offenbar nicht hat. Dieses Versagen führt sie nun als Beweis dafür an, "dass wir in den vergangenen dreieinhalb Jahren durchaus etwas weitergebracht haben". Hilflosigkeit, in zuckersüße Unverschämtheit getunkt. (Günter Traxler, 6.7.2023)