Es ist ein Skandal, der bis heute Wirkung zeitigt: Die großflächigen Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes haben die österreichische Sicherheitsarchitektur gehörig durcheinandergewirbelt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) existiert nicht mehr, seine Nachfolgerin, die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), muss bis heute um die Wiederherstellung von Vertrauen und Reputation kämpfen. Herbert Kickl (FPÖ), der Mann, der all das politisch mitzuverantworten hat, steht hingegen auf dem Sprung ins Kanzleramt. 

"Überraschungsangriff"

In all das platzt im Herbst ein Buch, das für einigen Wirbel sorgen könnte: die Erinnerungen von BVT-Direktor Peter Gridling. Dessen Ankündigungstext verspricht jedenfalls spannende Lektüre. Von "politischem Missbrauch von Strafverfahren in einem Rechtsstaat" will der frühere Spitzenpolizist ebenso schreiben wie von "unreflektierter Vollziehung in einer unabhängigen Justiz". Damit gemeint sind wohl FPÖ-Chef Herbert Kickl sowie die WKStA, die in den BVT-Ermittlungen viel Kritik einstecken musste. 

Peter Gridling
Peter Gridling im Jahr 2018 im BMI in Wien
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Sie intensivierte in enger Kooperation mit dem Umfeld Kickls, der damals frisch als Innenminister angelobt worden war, Ermittlungen gegen einige BVT-Beamte. Basis dafür war zunächst ein anonym verfasstes Konvolut mit Vorwürfen; danach übermittelte das blaue Innenministerium Belastungszeugen an die Staatsanwaltschaft. Das alles mündete am 28. Februar 2018 in einer skandalösen Razzia im Verfassungsschutz, die von einem blauen Lokalpolitiker geleitet wurde. Polizisten einer Antidrogeneinheit durchwühlten geheime Dokumente und stellten auch das Büro der Extremismus-Referat-Leiterin Sibylle G. auf den Kopf, obwohl diese nur Zeugin war. 

Blauer Umbau

Es folgte die Suspendierung von Gridling durch Kickl, und der Chef der Abteilung Nachrichtendienst, die sich auch mit blauen Verbindungen nach Russland befasst hatte, wurde Ziel der Ermittlungen. Bis heute gab es nur Einstellungen und Freisprüche – zuletzt diesen Montag in der Causa rund um eine Kooperation mit dem israelischen Mossad. Auch die Chefin des Extremismus-Referats sollte kaltgestellt werden, ihr wurde eine frühere Pensionierung nahegelegt. Der Bericht des U-Ausschusses zur Causa hält fest, dass die Ermittlungen wohl einem Umbau des BVT im Sinne Kickls dienen sollten. 

Mittlerweile ist bekannt, dass im Hintergrund auch frühere BVT-Beamte sowie der nun flüchtige Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek mitmischten. Über einen Mittelsmann soll Marsalek Informationen aus dem BVT an den damaligen FPÖ-Politiker Johann Gudenus geliefert haben. Ein einstiger Abteilungsleiter im BVT arbeitete damals schon für Marsalek. Viele Fragen sind allerdings noch offen – einige davon will Gridling mit seinem Buch beantworten. (fsc, 11.7.2023)