Kleine Wandergruppe im Hochgebirge, Nationalpark Hohe Tauern
Im Sommer packt so manche die Wanderlust – auch weil in luftigen Höhen die Temperaturen erträglicher sind. Die richtige Planung sorgt dafür, dass es beim Wandern keine bösen Überraschungen gibt.
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"Wenn man auf dem Gipfel steht, den Blick rundum schweifen lässt, und dann sieht man nur Berge, einen nach dem anderen, wie ein steinernes Meer, das sich vor einem erstreckt, dieses Gefühl ist einfach unbeschreiblich! Dafür plage ich mich gern hinauf", erzählt Maria Lackner. Für die 37-Jährige gehören ein paar Bergtouren im Sommer einfach dazu. Entspannte, mit nur ein paar Hundert Höhenmetern, aber auch solche, die sie nahe an die 3.000er-Grenze bringen.

Bei solchen herausfordernden Touren lotet die gebürtige Oberösterreicherin auch ihre eigenen Grenzen aus – und es kommt vor, dass sie diese auch einmal überschreitet. Wie zum Beispiel im vergangenen Sommer: "Wir sind zu dritt auf den Hochstadel gegangen, das ist der erste Berg der Lienzer Dolomiten genau auf der Grenze zwischen Kärnten und Osttirol. Wir haben uns vorbereitet, haben auf der Bergfex-Seite nachgeschaut, Bekannte gefragt und uns auf eine schöne, durchaus fordernde Tour eingestellt." Mit der Erwartung einer mittelschweren Wanderung – wie im Netz angegeben – marschierten die drei los, mit Aufstieg über die Südwand. Irgendwann ging es in den Fels, auch ein paar Metallseile zum besseren Halt gab es. So weit, so normal. Doch die Felsenkletterei wurde immer heftiger: "Wir sind schon eine halbe Stunde durch den blanken Fels gegangen, wer die Dolomiten kennt, weiß, dass die eher schroff sind", berichtet Lackner. "Man hat immer nur den Weg für die nächsten paar Schritte gesehen, und es war einfach nicht absehbar, wie lange das noch so weitergeht. Irgendwann habe ich, schon etwas an meiner persönlichen Grenze, einen ausgiebigen Blick rundum geworfen und auch den Abhang neben mir begutachtet. Da bin ich dann doch ziemlich nervös geworden."

Zum Glück für Lackner waren ihre Begleiter wesentlich bergerfahrener als sie. Die halfen ihr, nicht in Panik zu verfallen. Den Kopf zur Felswand drehen, gut festhalten und ein paarmal tief durchatmen – das sorgte dafür, dass sie ruhig blieb und weitergehen konnte. Mit der Belohnung, 15 Minuten später auf dem Gipfel zu stehen und einen traumhaften Rundumblick zu haben bis zum Großglockner. "Ich hab auf dem Gipfel noch zehn Minuten gebraucht, bis ich mich wieder völlig beruhigt hatte. Aber das Gefühl danach und das Wissen, was ich alles schaffen kann, waren einfach großartig. Diese Erfahrung kann mir niemand mehr nehmen."

Richtig planen

Die drei haben an sich alles richtig gemacht – und trotzdem zeigt das Beispiel sehr gut, wie schnell man in den Bergen in eine Situation kommen kann, die einen herausfordert. Oder eben überfordert. Und genau hier setzt der Österreichische Alpenverein an. Denn immer noch sterben viel zu viele Menschen am Berg, betont Michael Larcher, Leiter der Abteilung Bergsport im Österreichischen Alpenverein. "Es gibt in Österreich eine Art gesellschaftliches Verständnis für Unfälle und sogar Todesfälle am Berg, das ist tief eingewachsen in der alpinen Tradition. Aber dagegen muss man antreten, ein gutes Risikobewusstsein vermitteln, Bergkompetenz und das eigene Einschätzungsvermögen stärken."

Die größten Gefahren sind dabei, dass man die eigenen Fähigkeiten überschätzt oder über die Herausforderungen der geplanten Tour nicht ausreichend informiert ist. Besonders im Hochgebirge ist das relevant, wo man neben Situationen wie der eingangs beschriebenen auch von Wetterumschwüngen und Altschneefeldern überrascht werden kann. Eine gründliche Planung und die richtige Ausrüstung können dann im Notfall sogar Leben retten. Deshalb hat der Österreichische Alpenverein die Kampagne "Sicher Bergwandern" ins Leben gerufen.

Fitnesscheck

Die Planung einer Tour beginnt bereits bei der realistischen Einschätzung des eigenen Fitnesslevels. Wie schnell kommt man außer Atem? Wie weit kann man marschieren, bis man eine Pause braucht oder erschöpft ist? Diese Kriterien sollte man beachten, damit die Gesundheit langfristig nicht leidet. "Bergwandern hat viele positive Auswirkungen auf die Gesundheit. Aber man sollte dafür fit und vor allem gesund sein", betont Larcher. Vor allem Männern über 40 haben ein erhöhtes Risiko eines Herz-Kreislauf-Versagens, Vorerkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems steigern das Risiko noch einmal beträchtlich.

Wichtig ist außerdem, dass man Touren nicht am eigenen Leistungslimit plant: "Planen Sie immer so, dass Sie am Ende noch Kraftreserven haben. Die können im Extremfall der ausschlaggebende Faktor sein für ein sicheres Bergerlebnis." Larcher betont außerdem die Bereitschaft, im Notfall eine Tour auch abzubrechen oder einen Plan B zu haben: "Vor allem Männer neigen dazu, einen einmal gefassten Plan zu Ende bringen. Frauen sind deutlich besser und ehrlicher beim Einschätzen der eigenen Kräfte und Risikobereitschaft und lenken im Ernstfall auch auf ein Ausweichziel um. Sieht man sich die Unfallstatistiken an, wird sofort klar, dass am Berg deutlich mehr Männer sterben. Da können wir von den Frauen einiges lernen."

Die beste Fitness und das größte Risikobewusstsein nutzen aber nichts, wenn die Ausrüstung nicht passt – darüber macht man sich gern bei ausländischen Touristen lustig, aber so manche sollten sich auch selbst an der Nase nehmen. "Das Wichtigste ist passendes Schuhwerk mit rutschfester Sohle", betont Larcher. Ausreichend Proviant und Flüssigkeit sind nötig, Sonnenschutz und vor allem Regenschutz – auch wenn es wirklich gar nicht nach schlechtem Wetter aussieht. Wer einmal erlebt hat, wie schnell im Gebirge das Wetter umschlagen kann, wird nie wieder ohne Regenschutz ausrücken. Weiters gehören in den Rucksack – vor allem wenn es in höhere Gefilde geht – Mobiltelefon, Erste-Hilfe-Set inklusive Alu-Rettungsdecke und Spikes, eine Art "Schneeketten" für Bergschuhe.

Keine Tipps aus Social Media

Auch Wanderkarten und GPS-Systeme sollten nicht fehlen – und die aktive Auseinandersetzung mit der geplanten Strecke: "Verlassen Sie sich nicht auf Tourenempfehlungen in sozialen Medien, das ist naiv und keine ernsthafte Risikobewertung", betont Larcher. Denn: "Was für die eine ein abendlicher Spaziergang ist, kann für den anderen eine Ganztagestour sein." Der Experte warnt auch, dass Open-Data-Kartenmaterial oder Google Maps für eine sorgfältige Tourenplanung nicht ausreichen. Er empfiehlt hochwertige Karten, etwa jene des Alpenvereins, die es analog oder auch digital über die App alpenvereinaktiv.com gibt. Auch gut recherchierte Wanderführer oder Tourenportale mit detaillierter und überprüfter Tourenbeschreibung von verifizierten Autoren sind zuverlässige Quellen für gute Tourenbeschreibungen.

Und eines sollte man noch im Kopf behalten, vor allem im Hochgebirge: Auch wenn der Schnee in den Tälern bereits geschmolzen ist, in den Bergen darf man die Schneelage nicht unterschätzen. Selbst nach einem schneearmen Winter können Altschneefelder in hohen Lagen bis in den Sommer hinein bestehen bleiben. Überquert man so ein Altschneefeld, ist besondere Vorsicht angesagt, ein Sturz kann schwerwiegende Folgen haben. Denn man rutscht auf den Hängen oft mit hoher Geschwindigkeit ab, ein eigenständiges Bremsen wird dadurch schwierig bis unmöglich. Larcher erklärt: "Umgehen Sie steile, harte Schneefelder nach Möglichkeit oder betreten Sie sie nur mit Spikes und wenn die Oberfläche des Schneefeldes mindestens zehn Zentimeter aufgeweicht ist." Kommt es trotzdem zum Sturz, gilt es so schnell wie möglich in die Bauchlage zu wechseln. Dann kann man versuchen, in der Liegestützposition mit Armen und Beinen zu bremsen. Wie das genau geht, zeigt dieses Video aus der Alpenvereinsserie "Sicher Bergwandern".

Mehr rote Blutkörperchen

Hat man all das im Kopf, kann man sich entspannt in hohe Lagen begeben – und hat dadurch auch noch einen gesundheitlichen Vorteil. Die Berge haben einen unleugbar entspannenden Effekt auf die Psyche, man kann sich Herausforderungen stellen und die eigene Komfortzone verschieben. Aber es gibt auch einen messbaren medizinischen Effekt: Denn in luftigeren Höhen sinkt die Sauerstoffkonzentration, das macht sich bereits ab etwa 1.500 Höhenmetern bemerkbar. "Das ist ein Reiz für den Körper, mehr rote Blutkörperchen zu produzieren", weiß die Internistin und Kardiologin Elisabeth Sattler. "Dadurch kann im Blut mehr Sauerstoff transportiert werden." Dieser Effekt wurde etwa in dieser Studie nachgewiesen.

Durch die bessere Sauerstoffversorgung kann sich der Körper rascher regenerieren, man sagt längeren Aufenthalten in luftiger Höhe sogar einen verjüngenden Effekt nach, da die höhere Zahl an roten Blutkörperchen einige Wochen bestehen bleibt, sie haben eine Lebensdauer von bis zu 120 Tagen. Wie groß der gesundheitliche Effekt ist, ist noch nicht ganz klar, doch man weiß: Man muss sich dafür mehrere Tage in den Bergen aufhalten. "Bis sich die Erythrozythen gebildet haben, vergehen einige Tage. Entsprechende Trainingscamps dauern deshalb eine Woche oder noch länger." Eine Woche Urlaub auf der Alm kann deshalb schon einen Unterschied machen – wenn man sich dabei bewegt. Sattler betont: "Die positive Wirkung verstärkt sich durch Training. Sitzt man eine Woche lang vor der Hütte in der Sonne, ist das sicher erholsam, aber dieser gesundheitliche Effekt ist eher überschaubar." (Pia Kruckenhauser, 12.7.2023)