Jane Birkin, hier bei den Filmfestspielen von Cannes 2021, ist im Alter von 76 Jahren gestorben.
Jane Birkin, hier bei den Filmfestspielen von Cannes 2021, ist im Alter von 76 Jahren gestorben.
REUTERS/JOHANNA GERON

Als der österreichische Regisseur Herbert Vesely Anfang der 1980er-Jahre nach einer Schauspielerin suchte, die ein typisches Schiele-Mädchen verkörpern sollte, da traf er eine interessante Wahl: In dem Film Egon Schiele – Exzesse spielte die Wahlfranzösin Jane Birkin die Wally, also die vielleicht wichtigste Gefährtin des Malers, die 1917 im Alter von nur 23 Jahren starb. Vesely konnte damit und einem insgesamt sehr originell besetzten Film einen echten Coup landen, denn Jane Birkin war eine sehr spannende Entsprechung zu dem Frauenbild, mit dem Schiele bis heute assoziiert wird: zerbrechliche, oft minderjährige oder minderjährig wirkende Mädchen, die unter dem begehrlichen Blick beinahe zu zerbrechen scheinen.

Je t'aime ...

Ein Lolita-Image hatte Birkin allerdings nicht nur mit ihrer Erscheinung, sondern vor allem mit ihrer Stimme erworben: Mit ihrem damaligen Mann Serge Gainsbourg spielte sie 1967 Je t’aime ... moi non plus ein, eine Liebeserklärung und deren gleichzeitiges Dementi, im Flüsterton und mit anzüglichem Stöhnen zur Procol-Harum-Orgel. In mehreren Ländern wurde es wegen vermeintlicher Verstöße gegen die guten Sitten boykottiert und nicht im Radio gespielt. Es gibt auch eine Version mit Brigitte Bardot, die sich aber bis 1986 gegen eine Veröffentlichung verwahrte.

Serge Gainsbourg ft. Jane Birkin - Je t'aime...Moi non plus (Official Audio)
Serge Gainsbourg

Birkin legte 1971 noch nach, als sie bei Gainsbourgs Konzeptalbum Histoire de Melodie Nelson der Titelfigur ihre Stimme verlieh, einem fünfzehnjährigen Mädchen in einer Beziehung zu einem deutlich älteren Mann (Gainsbourg war damals jedenfalls schon über 40). Die Übermacht von Birkins Anmutung als Sexsymbol brachte anlässlich von Egon Schiele – Exzesse nicht zuletzt eine Schlagzeile der "Arbeiter-Zeitung" zum Ausdruck: "Jane Birkin stöhnt in Altlengbach aus Eifersucht".

Schauspielerin in London und Paris

Das war aber nur eine Facette eines reichen Künstlerinnenlebens. Denn neben der Musik brachte es die 1946 in London geborene Jane Mallory Birkin auch auf eine bemerkenswerte Filmografie, nachdem Michelangelo Antonioni sie als eines von zwei namenlosen Fotomodellen/Groupies (the Blonde) in Blow Up (1966) besetzt hatte. Debütiert hatte sie schon davor in Richard Lesters Der gewisse Kniff (1965), in dem auch Jacqueline Bisset und Charlotte Rampling zum ersten Mal auftauchten. 1969 war sie neben Romy Schneider in Der Swimmingpool zu sehen, und im selben Jahr traf sie bei dem eher dekorativen Liebesfilm Slogan auf Serge Gainsbourg.

Die Beziehung zu dem legendären Musiker beschäftigte in diesen Jahren die Boulevardmedien ausführlich. 1971 wurde ihre Tochter Charlotte Gainsbourg geboren, die inzwischen selbst eine große Schauspielerin ist.

Jane Birkin mit Serge Gainsbourg 1974 bei den Filmfestspielen in Cannes.
Jane Birkin mit Serge Gainsbourg 1974 bei den Filmfestspielen in Cannes.
AP/Jean Jacques Levy

Stargast auf der Viennale

Bis zur Trennung von Serge Gainsbourg gehörte Jane Birkin vor allem dem kommerziellen Kino, sie spielte neben Pierre Richard oder Jean-Paul Belmondo. 1984 wechselte sie mit Die Piratin deutlich die Register. Unter der Regie von Jacques Doillon, der ihr neuer Lebenspartner war, spielte sie eine Frau in einem emotional intensiven Beziehungsdreieck, mit Maruschka Detmers in der Rolle einer Geliebten, und ihrem Bruder Andrew Birkin im männlichen Part.

In diese Zeit fällt auch ihre enge Freundschaft zu Agnès Varda, die sich in dem Porträtfilm Jane B. by Agnès V. manifestierte. In Österreich wurde ihr Filmschaffen insofern gewürdigt, als sie zweimal, 2005 und 2009, als Stargast bei der Viennale eingeladen war.

Jane Birkin in den 1980er-Jahren
Jane Birkin in den 1980er-Jahren
APA/AFP/MYCHELE DANIAU

Es folgten Auftritte bei Jean-Luc Godard (Schütze deine Rechte) und Jacques Rivette (Die schöne Querulantin). Mit der Veröffentlichung ihrer intimen Journale (zuletzt 2019 Post-scriptum über die Jahre seit 1982) gab sie auch Einblick in eine Emanzipationsgeschichte, die sich nicht zuletzt wieder in ihrer musikalischen Karriere äußerte. Sie arbeitete mit Bryan Ferry oder Manu Chao, und blieb dabei ­– auch mit einer Coverversion von Kate Bushs Mother Stands for Comfort – immer unverwechselbar.

Birkin Bag

1982 widmete ihr das Modelabel Hermès eine eigene Tasche, den Birkin Bag, dem sie 2015 allerdings aus Tierschutzgründen ihren Namen entzog. Über "ihr" Jahrzehnt, die 70er Jahre, sagte sie später einmal: "es war eine Zeit der großen Unschuld". 2021 erlitt Jane Birkin einen Schlaganfall, erholte sich aber Berichten zufolge gut. Am Sonntag wurde sie tot in ihrem Haus in Paris aufgefunden. Jane Birkin wurde 76 Jahre alt. (Bert Rebhandl, 16.7.2023)