Retromuseum Wien
Markus Krainer hat sich mit dem Museum einen Lebenstraum erfüllt.
STANDARD, aam

Ganze 25 Jahre lang stand neben dem Haus des Meeres ein kleines Kabäuschen mit der bedrohlichen Aufschrift "Foltermuseum". Wenn man heute die engen Stufen in die Tiefe steigt, ist von eisernen Jungfrauen und vergleichbaren Instrumenten nichts mehr übrig. Die Wände sind weiß statt schwarz gestrichen, überall blinken bunte Lichter.

Im Juni 2023 hat sich der 36-jährige Kärntner Markus Krainer seinen Lebenstraum erfüllt und ein Museum für Videospiele erschaffen – mitten in Wien. Teure Sammlerstücke finden sich hinter Vitrinen, und so manche Spielstation lädt zum Ausprobieren. Vor allem für all jene, die mit Super Nintendo und Amiga 500 aufgewachsen sind, ein Wohlfühlort.

Bewegte Geschichte

Den Vorbesitzer der 600 Quadratmeter großen Fläche kennt Krainer gut. An einem gemeinsamen Abend kommen die beiden ins Reden. Eine Großsanierung sei nötig für das Foltermuseum, aber ob sich das wirklich noch einmal lohne? Krainer erzählt, er habe da "ein paar Ideen". Eine davon geistere schon lange in seinem Kopf herum: ein Videospielmuseum, wie es sie in Europa mittlerweile in vielen Großstädten gibt.

Das "Kind der 1990er-Jahre", wie er sich im STANDARD-Gespräch selbst bezeichnet, ist schon damals nicht neu im Unternehmertum. Der gelernte Tischler macht später die Meisterprüfung in der Hotellerie und versucht sich danach an einem eigenen Lokal. 2018 investiert er in einen anderen Traum. Er will einen eigenen Club eröffnen. Sein Gespartes und ein Kredit wandern in die fast dreijährige Renovierung der ehemaligen Eventlocation, zudem wird seine Frau zu diesem Zeitpunkt zum ersten Mal schwanger. Im Februar 2020 eröffnet Krainer den Club, den der Kärntner als "größten Fehler seines Lebens" bezeichnet. Einen Monat später muss er wegen einer Pandemie zusperren.

Diese Zeit ist geprägt von "Perspektivlosigkeit". Mithilfe von staatlichen Förderungen richtet sich Krainer wieder auf, auch wenn er den Club aufgrund der unsicheren Lage nicht weiterführen möchte. Er ist auf der Suche nach der nächsten Idee, und passend dazu findet 2021 das oben erwähnte Gespräch rund um das altehrwürdige Foltermuseum statt.

Krainer stellt einen Businessplan zusammen, beginnt mit dem Umbau und überlegt, wie er die zur Verfügung stehende Fläche unter der Erde am besten nutzen kann. Der leidenschaftliche Sammler hat bereits einen Grundstock an Konsolen und Videospielen. "Im Wohnzimmer hat es ausgesehen wie eine riesige Sammlung, aber auf 600 Quadratmeter verteilt war es viel zu wenig."

Retrospielmuseum Wien
Pong darf natürlich in der Sammlung nicht fehlen.
STANDARD, aam
Retrospielmuseum Wien
Von außen sieht das Museum nach wenig aus. Die 600 Quadratmeter große Ausstellungsfläche ist unter der Erde angesiedelt.
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Aus der Vergangenheit

Der Unternehmer beginnt im Internet nach leistbaren Schätzen zu suchen. Ein Mac 128K, ein originalverpackter Virtual Boy, von denen es nur noch wenige gibt. Das teuerste Stück wird der Power Glove von Nintendo, ebenfalls inklusive Verpackung. 1989 veröffentlichte der japanische Unterhaltungskonzern diesen Handschuh, mit dem man simple VR-Games spielen konnte. Aufgrund des kommerziellen Misserfolgs wurde der Handschuh allerdings nicht oft produziert.

Das Museum füllt sich langsam, auch wenn wegen weniger Einrichtungsgegenstände viel Platz für Ausstellungsstücke bleibt. "Ich wollte ja kleine Wohn- und Kinderzimmer bauen, die der jeweiligen Zeit nachempfunden sind", erklärt Krainer seine ursprüngliche Idee der Gestaltung. Das sei aber aufgrund von Brandschutzvorgaben nicht möglich, gibt er zähneknirschend zu. Dennoch kann sich das Museum jetzt schon sehen lassen. Ein kleiner Pac-Man-Automat kann zum Spielen genutzt werden, Erklärungen an den Wänden erzählen mehr über die Hintergründe der jeweiligen Sammlerstücke, und eine zusätzliche VR-Ecke ist gerade im Aufbau. "Wir sind noch nicht fertig", gibt Krainer zu. Der Bogen in die Gegenwart soll mit Virtual-Reality-Headsets geschlossen werden, die man künftig ebenfalls ausprobieren kann.

Während des ganzen Gesprächs leuchten die Augen des Unternehmers, der zugibt, dieses Museum nicht eröffnet zu haben, um reich zu werden. Es sei ihm ein Anliegen – auch weil er selbst mit Videospielen aufgewachsen sei und diese Liebe nie abgelegt habe. Der mittelmäßige Schüler hatte für eine gute Note ein Nintendo Entertainment System (NES) bekommen. Danach strengte er sich auch in der Schule mehr an, um elterliche Finanzspritzen für neue Spiele zu bekommen. Auf dem Schulhof habe man über Pokémon gesprochen, und als Erwachsener nutzte er virtuelle Welten gern zum Rückzug aus dem stressigen Alltag.

Retrospielmuseum Wien
Ein Pac-Man-Automat begrüßt Besucherinnen gleich zu Beginn.
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Retrospielmuseum Wien
Die ausgestellten Spiele sind natürlich in Originalverpackung und unversehrt. Ein teurer Spaß in der Anschaffung.
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In die Zukunft

Mit dem Start ist Krainer zufrieden. Das Publikum sei bunt gemischt. Natürlich würden viele vorbeikommen, die sich gern an diese Zeit zurückerinnern wollen, aber erste Kooperationen mit Schulen und anderen Museen würden auch junge Menschen in die alten Folterräume bringen. Das sei auch gut für die Gen Z, schließlich sei die Zeit aktuell ohnehin stressig genug. Da wäre der Start von "Colin McRae Rally auf der Playstation 2" ein guter Zeitpunkt, Entschleunigung zu lernen. Neben Entschleunigung gibt es im Sommer obendrauf Abkühlung. Im Kellergewölbe hat es auch im Sommer maximal 16 Grad. (Alexander Amon, 18.7.2023)