Bekannten Games-Marken einen Reboot zu spendieren ist eine heikle Sache. Schließlich hängt am Namen viel dran, nicht zuletzt die spielerischen Stärken und viele nostalgische Erinnerungen. Mit "Jagged Alliance" verhält es sich nicht anders. Das Söldner-Strategiespiel mit Echtzeitmanagement, Rundenkämpfen und Rollenspielelementen begeisterte zuletzt 1999 mit Teil zwei. Nun soll "Jagged Alliance 3" (PC, Windows) die Legende wieder aufleben lassen.

Es ist nicht so, als wären in den vergangenen 24 Jahren keine weiteren Games unter der "Jagged Alliance"-Flagge entwickelt worden. Doch das einst vielversprechend aussehende "Jagged Alliance 3D" wurde nie fertig, "Hired Guns: The Jagged Edge", das ursprünglich Teil drei hätte werden sollen, heimste nur durchwachsenes Feedback ein. Ein weiterer Versuch, "Jagged Alliance: Back in Action", erwies sich als teils verschlimmbessertes Remake. Und über weitere Releases wie das 2013 per Kickstarter finanzierte "Jagged Alliance: Flashback" wird an dieser Stelle der verdiente Mantel des Schweigens gehüllt.

2015 landeten die Rechte an der Marke jedenfalls bei Nordic Games und gingen damit später in den Bestand von THQ Nordic über. Dort hat man Haemimont Games mit dem Reboot beauftragt. Eine nachvollziehbare Wahl, denn die bulgarische Spieleschmiede produziert seit dem Jahr 2000 hauptsächlich Strategiespiele. Aber auch die besten Voraussetzungen garantieren nicht, dass das Comeback glückt. Zeit für einen Test.

Jagged Alliance 3 | Release Trailer
Join us today and free Grand Chien from its oppressors. Jagged Alliance 3 is OUT NOW on PC! Seize control of the liberation campaign, meticulously craft your strategic approach, recruit your beloved mercenaries, and guide them through thrilling tactical turn-
THQ Nordic

Ein Land im Chaos

"Jagged Alliance 3" führt den Spieler in den fiktiven afrikanischen Küstenstaat Grand Chien. Der ist vor kurzem ins Chaos gestürzt, weil eine paramilitärische Gruppierung, die sich selbst "The Legion" nennt, den Präsidenten entführt hat. Dessen Tochter ist auf die vorgelagerte Insel Ernie geflohen, wo auch die Chefin des im Land tätigen Industriekonzerns Adonis Corporation residiert. Mit ihrer Unterstützung soll ihr Vater gerettet und die Aufständischen zurückgeschlagen werden.

Hier tritt nun der Spieler auf den Plan, der dieses Vorhaben mithilfe von Söldnern in die Tat umsetzen soll. Das Kapital ist allerdings begrenzt. Um die Operation fortzuführen und auszuweiten, braucht es lokale Unterstützung sowie Kontrolle über die Diamantminen, die zuvor unter der Kontrolle von Adonis standen, nun aber der Legion als Einnahmequelle dienen.

Also wendet sich der Spieler an die Association of International Mercenaries (A.I.M.), die auch schon in den alten "Jagged Alliance"-Teilen als Söldneragentur fungierte. Aus deren Auswahl, die aus Businessneulingen bis hin zu absoluten Routiniers reicht, stellt man sich eine Truppe zusammen, wobei jede Kämpferin und jeder Kämpfer einen eigenen Vertrag erhält, dessen Dauer in Tagen festgelegt ist.

Auch die Kosten variieren. Und manche stellen Sonderbedingungen, wollen etwa nur mit erfahrenen Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeiten oder mit bestimmten Leuten gar nicht in einem Team sein. Dass man einander kennt, ist nicht überraschend, denn es befinden sich insgesamt nur 40 Einträge im "Katalog" von A.I.M.

Screenshot aus Jagged Alliance 3
Jagged Alliance 3

Knackige Kämpfe

Hat man sich einmal aus Fachkräften für Scharfschießen, schwere Waffen, Sprengstoff, Medizin und Allroundtalenten eine erste, eher günstige Truppe zusammengestellt, geht es los. Zur Einführung trifft man nach der Landung auf Ernie auch gleich auf die ersten Widersacher, was das Game dafür nutzt, die Basics des Kampfes zu erklären. Vor Konfrontationen bewegt man die Söldner in Echtzeit über die Karte des jeweiligen Sektors. Entdeckt man Feinde, bevor man selbst ausgespäht wird, kann man das nutzen, um sich in eine günstige Position zu begeben. Fliegt man auf oder gibt den ersten Schuss ab, wechselt das Game in den Rundenmodus.

Und der verlangt dem Spieler einiges ab. Gespielt wurde im Test vorwiegend im mittleren und empfohlenen der drei Schwierigkeitsgrade, doch selbst der niedrigste dürfte für Genreunerfahrene eine gute Herausforderung sein. Die Standard-Option erinnert, soweit sich das nach so langer Zeit noch einschätzen lässt, stark an die Knackigkeit von "Jagged Alliance 2". Hier ist es auch noch möglich, Teammitglieder, die alle Lebenspunkte verloren haben, wiederzubeleben, sofern sie nicht weiter angegriffen werden. In der schwierigsten Variante, "Permadeath", geht auch das nicht mehr.

Das anfängliche Scharmützel ist noch leicht zu bewältigen, doch selbst die Befreiung des recht kleinen Eilands Ernie von der Legion entpuppt sich als mehrstündige Herausforderung, die gut geplantes Vorgehen verlangt. Im Kampf selbst ist gute Positionierung das A und O. Deckungen und Anhöhen müssen geschickt genutzt werden, um sich einen größtmöglichen Vorteil zu verschaffen. Treffer können Verletzungen verursachen, die nicht nur die maximalen Lebenspunkte bis zu ihrem Abheilen senken, sondern sich auch auf andere Aspekte auswirken können. Die unterschiedlichen Sektoren bieten Abwechslung und reichen von dichtem Dschungel über Häuser bis hin zu recht offenen Savannenflächen.

Screenshot aus Jagged Alliance 3
Jagged Alliance 3

Konkurrenzfähige KI

Die Zeitwährung in den Rundenkämpfen sind Aktionspunkte, die man bei Bewegungen, Schüssen und anderen Tätigkeiten verbraucht. Verletzte Söldner haben nicht nur weniger davon zur Verfügung, sondern können auch Defizite bei der Schussgenauigkeit und anderen Attributen erleiden.

Um mit möglichst geringen Verlusten aus dem Kampfgeschehen hervorzugehen, gibt es eine Reihe taktischer Optionen, die teilweise von der Klasse und den individuellen Fähigkeiten der Kämpfer abhängen. Der eine stellt etwa automatisch regelmäßig in bestimmten Abständen Richtgranaten her, die andere verursacht besonders hohen Schaden auf kürzlich angeschossene Widersacher, ein Dritter ist auf besonders leisen Sohlen unterwegs und kann Gegner effizient mit dem Messer meucheln.

Die computergesteuerten Feinde machen es einem aber nicht leicht. Zwar gibt es immer wieder einmal Züge, die ihnen nicht zum Vorteil gereichen, im Großen und Ganzen aber schlagen sie sich formidabel. Sie versuchen, die Spielertruppe einzukreisen oder einzelne Mitglieder schnell auszuschalten. Selbst einzelne Gegner können durch clevere Ausnutzung des Terrains noch einigen Schaden anrichten. Nicht unterschätzen sollte man auch die Fauna von Grand Chien, die es manchmal auch auf die eigenen Kämpfer abgesehen hat. Verläuft ein Kampf schlecht, sinkt die Moral. Und manche der Söldner können mit diesem Druck nicht umgehen und laufen dann temporär Amok oder fliehen panisch.

Screenshot aus Jagged Alliance 3
Jagged Alliance 3

Ressourcenmanagement

Zu Beginn zieht man vor allem mit Pistolen in den Kampf. Für bessere Ausrüstung ist man eine ganze Weile darauf angewiesen, Waffen von getöteten Widersachern zu erbeuten oder an verschiedenen Orten zu finden. Die Option, Munition direkt zu kaufen, ergibt sich zwar später auch, ist aber auf einzelne Orte und überschaubare Mengen beschränkt.

Und sie müssen auch intakt gehalten werden. Waffen nutzen sich mit der Zeit ab und werden unzuverlässig, wenn man sie nicht repariert. Und nur weniges ist in "Jagged Alliance 3" ärgerlicher als ein blockiertes Gewehr, wenn man gerade einen rettenden Schuss abgeben wollte. Denn die Waffe wieder kampfbereit zu bekommen, verbraucht Aktionspunkte und beschädigt sie noch stärker. Wenig überraschend leidet außerdem auch die Schutzkleidung durch Treffer.

Hier kommen die sogenannten Parts ins Spiel. Sie werden gebraucht, um Dinge instand zu setzen oder Munition und Sprengmittel herzustellen. Mit zusätzlichen Komponenten ist auch die Modifikation von Waffen und Schutzkleidung möglich. Sie lassen sich auch verkaufen, was aber nur in akuter Geldnot eine gute Wahl ist. Als weitere Ressource gibt es "Meds", deren Bestand sich aus gefundenen Medikamenten oder auf den Karten wachsenden Heilkräutern speist. Mit ihnen werden Erste-Hilfe-Kästen für die Notversorgung auf dem Feld aufgefüllt und auch die Wundversorgung nach dem Kampf durchgeführt.

Solcherlei Aktionen werden über die Satellitenansicht gemanagt, in der man außerdem seine Söldnertruppen über die Karte schickt und Milizen ausbildet, die befreite Städte und Diamantminen beschützen. Denn die Legion schläft nicht und schickt immer wieder einmal Trupps aus, um verlorene Städte oder Minen zurückzuerobern.

Screenshot aus Jagged Alliance 3
Jagged Alliance 3

Fanservice

Und so entspinnt sich die Befreiung von Grand Chien in eine Mission, die immer wieder einmal auf des Messers Schneide steht. Geld und Munition sind immer wieder knappes Gut. Pausen und stationäre Aktivitäten für die Söldner wollen gut geplant sein, und natürlich sollte man dabei auch immer ein Auge auf die Verträge haben. Die eigenen Kämpfer gewinnen im Laufe der Zeit an Erfahrung dazu, wodurch sich Attribute verbessern und sich auch zusätzliche passive Eigenschaften (Perks) freischalten lassen. Geduld und kluge Schlachtführung zahlt sich aus, denn so erspart man sich die Anstellung von Söldnern mit besserer Erfahrung und höheren Gehaltsforderungen.

Abseits des Kämpfens und Managens versucht das Spiel auch, eine Geschichte zu erzählen, die teilweise auch in Nebenquests ergänzt wird. Diese bringen Erfahrung, Ressourcen und können auch den Angriff auf bestimmte Sektoren vorbereitend erleichtern. Die Story ist nicht an allen Stellen überzeugend, die Vertonung hingegen schon. Was die Söldner betrifft, spielt "Jagged Alliance 3" sehr offensiv mit Klischees, wobei zum Spielstart ein Hinweis eingeblendet wird, dass man sich ans Original aus den 90ern gehalten hat und das Dargebotene mit Augenzwinkern betrachtet werden sollte.

Dazu passen auch die teilweise Splattermovie-mäßigen Todesanimationen in Kämpfen und allerlei Sprüche der Söldner. "Jagged Alliance 3" nimmt sich häufig selbst nicht ganz ernst. Fans der alten Teile dürften sich hier schnell zu Hause fühlen.

Screenshot aus Jagged Alliance 3
Jagged Alliance 3

Schwächen

Ganz ohne Schwächen kommt das Game allerdings nicht aus. Die Musikuntermalung ist zwar zum Genre passend, insgesamt aber etwas uninspiriert. Sounds wie Waffen, Einschläge und dergleichen sitzen aber. Auf den Karten ist es selbst mit Kameradrehung teilweise schwer einzuschätzen, von wo man an welcher Position getroffen werden kann. An einigen wenigen Stellen kann es vorkommen, dass ein Söldner zumindest gemäß Spieldarstellung aus einer Deckung auf einen Gegner schießen können sollte, der Schuss bei der Ausführung dann aber in die Wand oder den Stein versenkt wird, hinter dem er steht.

Eine Überarbeitung vertragen könnte außerdem das Interface, denn das ist im aktuellen Zustand häufig nicht gut gelöst. Selbst für oft genutzte Befehle muss oft zuerst unten auf das "Command"-Feld am Bildschirmrand gefahren werden, um die möglichen Befehle zu sehen. Das betrifft jedes Kommando abseits von Bewegung von A nach B und einfachen Schüssen. Auch an den Dialog, mit dem man festlegt, auf welchen Körperteil eines Gegners man zielt und wie viele AP man für höhere Treffsicherheit investiert, muss man sich erst gewöhnen.

Ebenfalls keinen Preis für Nutzerfreundlichkeit gewinnt das altbackene Inventar. Dass Gegenstände zwischen nahe beieinander stehenden Kämpfern verschoben werden können, ist zwar nett. Aber die Verwaltung braucht zu viele Schritte. Dass ein Söldner einen freien Inventarslot benötigt, um einen Stapel Munition aufteilen und weitergeben zu können, gehört zu einer Reihe an kleineren Ärgernissen, ebenso wie die teils schlechte Unterscheidbarkeit von Munitionsvarianten. Hier mag man einwerfen, dass es sich immerhin um eine Verbesserung zum Original handelt, aber das wäre nach modernen Standards ein sehr niedrige Minimalanforderung.

Immerhin: Das Game hat Mod-Support. Erste Fanerweiterungen, die unter anderem die Menüs verbessern, befinden sich bereits in Entwicklung.

Screenshot aus Jagged Alliance 3
Jagged Alliance 3

Multiplayer

"Jagged Alliance 3" unterstützt auch Multiplayer, allerdings gibt es hier ausschließlich die Zwei-Spieler-Koop. Die Umsetzung verlangt den Teilnehmern nicht nur auf dem Schlachtfeld gute Kommunikation ab, denn beide "verwalten" das selbe Budget. Wer einen Söldner anheuert, steuert ihn dann auch über die Karten. In Kämpfen wird gleichzeitig gezogen, und in der Satellitenansicht sollte man sich absprechen, weil es hier leicht ist, sich gegenseitig mit der Bedienung in die Quere zu kommen. Technisch lief der Koop-Modus im Test stabil, und es macht Spaß, gemeinsam die Befreiung von Grand Chien anzugehen.

Fazit

"Jagged Alliance 3" hat seine Defizite. Die Musik ist kein Highlight, die Übersicht auf den Karten manchmal schwierig und das Interface mühsam. Dennoch hat das Spiel den Geist seiner fast ein Vierteljahrhundert älteren Vorgänger gut eingefangen und in ein modernes Spielerlebnis verpackt.

Dabei hat man sich auch nicht auf Experimente eingelassen, um das Game auf Biegen und Brechen mit Erleichterungen massentauglicher zu machen. Das Spiel ist spätestens ab dem mittleren der drei Schwierigkeitsgrade knackig. Es fordert den Spieler, wirkt dabei aber nicht unfair. Einfach "nebenbei" durchspielen lässt es sich nicht. Man muss sich schon anstrengen, wird für Geduld und Mühen aber auch belohnt.

Dabei wird dem Spieler viel taktische Freiheit gelassen. Man kann, aber muss nicht mehrere Kämpferklassen kombinieren. Ebenso kann man die Befreiung von Grand Chien auch nur mit einem einzelnen Verbund bestreiten und auf die Gründung weiterer Teams verzichten. Es gibt viele Wege zum Erfolg, was für viel Motivation sorgt. Und das macht das Werk von Haemimont Games in Summe zu einem gelungenen dritten Teil der altehrwürdigen "Jagged Alliance"-Reihe. (gpi, 23.7.2023)