Tanz
Impulstanz mit "Far From Home".
Greenwell

Wien – Die Zwillinge Kristina und Sadé Alleyne sind spektakuläre Tänzerinnen. Deswegen unterrichten sie seit neun Jahren im Workshop-Festival von Impulstanz und haben sich 2019 mit ihrem beeindruckenden Duett A Night’s Game präsentiert. Jetzt gastieren sie mit dem neuen Stück Far From Home im Odeon.

Eine Arbeit, die es in sich hat. Die 1987 in London geborenen Schwestern agieren nicht mehr alleine auf der Bühne, sondern umgeben sich mit vier Company-Mitgliedern und einer Schar von 19 Mitwirkenden aus Wien. Die Musik (Giulia Scrimieri, Giuliano Modarelli) modelliert eine Atmosphäre zwischen Feurigkeit und Melancholie, die Bühnenmalerei, ein großes Triptychon von Emanuele Salamanca, changiert je nach Beleuchtung zwischen Abstraktion und einer Landschaft mit Bäumen.

Getanzt wird eine expressive Mischung aus allem, woraus sich der dynamische Stil der beiden speist: afrikanisch, karibisch und "westlich", ein wenig beeinflusst vom indischen Kathak, denn Kristina und Sadé Alleyne mit ihrem Familienhintergrund aus Barbados haben in einigen Produktionen des Starchoreografen Akram Khan getanzt.

Gemeinschaft und Gefühl

Eine mehrkulturelle Ausdrucksweise also, mit der sich die Thematik der Migration in Far From Home sehr gut so formulieren lässt, dass sie dem politischen Gehalt eine poetische Gültigkeit verleiht. Die Sehnsucht nach Gemeinschaft und dem Gefühl, ein Zuhause zu haben, vor allem aber der Versuch, mit der eigenen Zerrissenheit umzugehen, laden diese Arbeit emotional auf.

Keine der Szenen darin wirkt, als wäre sie auf Effekte ausgerichtet. Eine der berührendsten ist dem Unglück von Bootsflüchtlingen gewidmet, eine andere zeigt einen intensiven gestischen Dialog des Zwillingspaars, das sich seinen internationalen Erfolg mit Talent, Charisma und unglaublicher Energie hart erarbeitet hat.

Gestalt unserer Destruktivität

Ebenfalls noch im Festival zu sehen ist das Solo Blast! ("Verdammt!") von Ruth Childs, für das sich die Nichte von Lucinda Childs in die psychische Gestalt unserer Destruktivität zwängt. Childs (39) ist wie die Alleyne-Schwestern gebürtige Londonerin.

In Blast! zeigt sie jene düstere Hölle, die der "Todestrieb" im menschlichen Körper heiß hält. Meisterhaft agiert die Tänzerin als "Tableau dansant" eines Dorian Gray respektive als weiblicher Mr. Hyde, der sich seines Dr. Jekyll entledigt hat. (Helmut Ploebst, 1.8.2023)