Das neuseeländische Model Georgia Fowler unterwegs im New Yorker Stadtteil SoHo.
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Es begann in der Pandemie. "Ohne ist ja viel bequemer!" Ein Stoßseufzer der Erleichterung ging damals durch die Social-Media-Netzwerke. Was war passiert? Viele Frauen verzichteten im Homeoffice auf den zwickenden und zwackenden BH. Mittlerweile ist die Pandemie kaum mehr Thema, die Sache mit dem Wäschestück hingegen hat sich nicht erledigt. Der BH bleibt immer öfter in der Lade liegen. Oder wird erst gar nicht mehr gekauft.

Die Generation Z, bauchfrei, in gerippten Unterhemden, geschnürten Oberteilen und lockeren Pin-Tops unterwegs, verliert allerdings keine großen Worte darüber. Wurden BHs Ende der Sechzigerjahre noch als Symbol der Unterdrückung verbrannt und vor zehn Jahren unter dem Hashtag #FreeTheNipple die ungleiche Oben-ohne-Politik bei Männern und Frauen verurteilt, ist der Verzicht auf das Wäschestück heute der Bequemlichkeit geschuldet. Und dem veränderten Zeitgeist.

Denn die große Zeit des stolzen Push-ups ist vorbei. Die Jungen ziehen den blickdichten, gepolsterten Cups semitransparente Oberteile vor. Der bloße Oberkörper junger Frauen, Männer wie nichtbinärer Menschen blitzt ziemlich selbstverständlich durch die Oberteile. Diese neue mühelose Sexyness à la Jane Birkin ist den Luxusmodekonzernen natürlich nicht entgangen. Kaum eine Marke mag den "No Bra"-Trend auslassen: ob bei Jacquemus, Fendi oder Ferragamo – Brustblitzer in jeder Show.

Jacquemus
Nicht selten blitzt der Oberkörper durch die Oberteile – so wie in der Frühjahrskollektion 2024 des französischen Labels Jacquemus.
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Zumindest das Verschwinden des aufgepolsterten Push-ups hatte sich schon vor der Pandemie angekündigt. 2018 meldete das Branchenblatt "Textilwirtschaft", dass mehr als zwei Drittel aller Händler eine gesteigerte Nachfrage nach BHs ohne Bügel beobachteten. Im Sommer 2019 beschwor die "New York Times" die Rückkehr des Bralette herauf.

Wenn man sich heute bei jungen Wäscheunternehmen wie dem Wiener Label Soda Lingerie umsieht, hat sich daran wenig geändert. Im Gegenteil, die Grenzen zwischen Body und Wäschestück, zwischen obendrüber und untendrunter, sie verschwimmen.

Zoe Saldaña
Schauspielerin Zoe Saldaña kam zur Vanity-Fair-Oscar-Party in einem Cape-Top von Cartier.
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Was sich auch verändert hat? Der Verzicht auf den BH ist nun immer öfter auf den roten Teppichen zu sehen. Im Frühjahr führte beispielsweise die junge Hollywood-Generation vor, dass der "No Bra"-Trend Oscar-tauglich ist. Die US-Schauspielerin Zoe Saldaña besuchte die Party des Magazins "Vanity Fair" in einem goldenen Cape. Das bestand nicht nur aus 67.000 miteinander verbundenen Kettengliedern und 150 Diamanten (die "Vogue" hatte nachgezählt), sondern reichte der Trägerin auch gerade einmal knapp übers Zwerchfell. Das sei "die edelste Art, den No-Bra-Trend zu tragen", kommentierte das Modemagazin den Auftritt. Dem ist wenig hinzuzufügen. (feld, 7.8.2023)