Unterstützer der Putschisten bei einer Demonstration am Freitag.
Unterstützer der Putschisten bei einer Demonstration am Freitag.
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Abuja/Niamey/Berlin – In der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas laufen die Vorbereitungen zur Zusammenstellung von Streitkräften für eine mögliche Militär-Intervention im Niger an. Am Samstag kommen die Armeechefs der Ecowas-Staaten zu Beratungen in Ghanas Hauptstadt Accra zusammen. Am Donnerstag hatte die Ecowas die Aktivierung einer sogenannten Bereitschaftstruppe angeordnet, aber betont, dass friedliche Mittel Vorrang hätten.

Der nigrische Präsident Mohamed Bazoum war Ende Juli von Militärs gestürzt worden, die daraufhin die Macht übernahmen. Die Ecowas hatte die nigrische Armee aufgefordert, den Präsidenten bis vergangenen Sonntagabend wieder einzusetzen und ein militärisches Eingreifen als "letzte Option" in Aussicht gestellt. Die Frist verstrich, ohne dass es zunächst zu einem Militäreinsatz kam.

US-Berichten zufolge drohten die Putschisten, Bazoum im Falle eines Militärschlags zu töten. Einer US-Diplomatin soll die Junta gedroht haben, Bazoum im Falle einer Militärintervention umzubringen, wie die "New York Times" am Freitag auf Grundlage eines Berichts der US-Nachrichtenagentur Associated Press berichtete. Die Drohung rief weltweit Empörung sowie weitere Aufrufe zu Bazoums Freilassung hervor.

Elfenbeinküste und Senegal sichern Truppen zu

Der Präsident der Elfenbeinküste (Cote d'Ivoire), Alassane Ouattara, hatte bereits am Donnerstag angekündigt, ein Bataillon – etwa 850 Soldaten – zur Ecowas-Bereitschaftstruppe abzukommandieren. Auch der Senegal will sich an der Truppe beteiligen, allerdings lehnte ein Sprecher der senegalesischen Armee am Freitag die Nennung von Truppenstärke und Ausrüstung ab. Gambias Verteidigungsminister Sering Modou Njie und Liberias Informationsminister Ledgerhood Rennie sagten am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters, ihre Regierungen hätten noch keine Entscheidung über die Entsendung von Truppen getroffen. Andere Ecowas-Staaten reagierten zunächst nicht auf Anfragen.

Afrikanische Staaten stellen Einheit zum Eingreifen im Niger auf
Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas macht offenbar Ernst mit ihrer Drohung, militärisch im Niger einzugreifen, falls sich die dortigen Militärmachthaber nicht freiwillig zurückziehen.
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Die Afrikanische Union unterstützt die von der Ecowas ins Auge gefassten Maßnahmen zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung im Niger. Das teilte der AU-Vorsitzende, Moussa Faki Mahamat, am Freitag mit. Faki forderte zudem erneut die sofortige Freilassung des gestürzten nigrischen Präsidenten Bazoum und aller Mitglieder seiner Familie sowie seiner Regierung. "Eine solche Behandlung eines demokratisch gewählten Präsidenten ist nicht hinnehmbar", hieß es in der Mitteilung. Zudem gebe es übereinstimmende Hinweise darauf, dass sich die Haftbedingungen des Präsidenten deutlich verschlechtert hätten.

"Nachdem ihm mehrere Tage lang Strom und Telefon vorenthalten wurden, entziehen ihm die Putschisten nun unter anderem seinen Hausarzt. Selbst der Zugang zu Lebensmitteln wird ihm verwehrt", sagte Bazoums stellvertretender Kabinettschef Moussa Oumarou am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Auch seine Ehefrau und sein Sohn werden weiter festgehalten.

"Unmenschliche" Haftbedingungen für Ex-Präsidenten

Der Uno-Menschenrechtskommissar Volker Türk zeigte sich besorgt. "Glaubwürdige Berichte, die mir vorliegen, deuten darauf hin, dass die Bedingungen der Festsetzung einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung gleichkommen könnten, was einen Verstoß gegen internationale Menschenrechtsnormen darstellt", teilte der Österreicher am Freitag mit. Die Verantwortlichen müssten die Einhaltung und den Schutz der Menschenrechte des Präsidenten und aller Personen, die mit ihm festgehalten werden, sicherstellen.

Aus Sicht militärischer Experten kann die Aufstellung der Ecowas-Bereitschaftstruppe Wochen in Anspruch nehmen. Diese Zeit könnte für Verhandlungen für eine friedliche Lösung des Konflikts genutzt werden. Die Ecowas hat in den vergangenen Jahrzehnten bereits mehrfach in Mitgliedsstaaten militärisch eingegriffen. Es ist aber das erste Mal, dass die Ecowas eine multinationale Bereitschaftstruppe vorbereitet. Die Staatengruppe will schon seit Jahren eine gemeinsame Streitmacht zusammenstellen. Dies scheiterte bisher an Finanzierungsfragen und der Bereitschaft, eigene Soldaten der internationalen Truppe zu überlassen, sagte Ikemesit Effiong vom nigerianischen Forschungsinstitut SBM Intelligence.

Am 26. Juli hatte die Präsidialgarde des Niger unter General Abdourahamane Tiani den demokratisch gewählten Präsidenten Bazoum in seiner Residenz festgesetzt, weil dieser Beobachtern zufolge Tiani an der Spitze der Eliteeinheit auswechseln wollte. Nach ersten Spekulationen über einen internen Machtkampf schlossen sich auch die anderen Zweige der Streitkräfte dem Putsch an, verkündeten "das Ende des Regimes" und lösten alle verfassungsmäßigen Institutionen auf. Tiani übernahm die Macht.

Zuletzt hatten die Militärregierungen in Mali und Burkina Faso der Junta im Niger bei einem möglichen Angriff der Ecowas Unterstützung signalisiert. Die Ecowas-Mitgliedschaft dieser drei Länder sowie Guineas war nach Militärputschen suspendiert worden. (APA, 11.8.2023)