Es war wohl einer der Tiefpunkte in der Geschichte der TV-Duelle österreichischer Politiker, als Sebastian Kurz und Hans-Christian Strache im Wahlkampf 2017 darüber diskutierten, wer die richtige Handynummer des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán habe. Einige Tage vor dem Platzen der "Ibiza-Bombe" war Strache als Staatsgast Orbáns in Budapest herzlichst empfangen worden. Dieser proklamierte damals, die österreichische türkis-blaue Regierung sei "die Zukunft des Westens". Nach dem Besuch des FPÖ-Chefs Herbert Kickl in Budapest, der ihn als Beispiel für Österreich als "Festung" lobt, drückte Orbán wieder Hoffnung hinsichtlich der Entwicklung in Österreich aus.

Symbolträchtiges Händeschütteln: Sebastian Kurz und Viktor Orbán, vergangene Woche in Budapest.
EPA/VIVIEN CHER BENKO/HUNGARIAN PM'S PRESS OFFICE

Orbán hat in keinem EU-Mitgliedsstaat so viele befreundete Spitzenpolitiker wie in Österreich. Dass er Wolfgang Schüssel während der EU-Kampagne gegen die schwarz-blaue Regierung im Jahr 2000 als ungarischer Ministerpräsident zu einem offiziellen Besuch eingeladen hatte, bildete die Grundlage für eine Männerfreundschaft, die alle scharfen Resolutionen des EU-Parlaments, die Urteile der europäischen Gerichtshöfe und die Mahnungen der EU-Kommissionen gegen das Orbán-Regime überlebt hat. Schüssel hatte sowohl als Mitglied des dreiköpfigen EU-Weisenrats 2020 als auch in allen mir bekannten Interviews die Politik der Orbán-Regierung stets verteidigt.

Sein Nachfolger als ÖVP-Obmann und Bundeskanzler, Sebastian Kurz, blieb dieser Tradition treu und trat in deutschen TV-Diskussionen als geschickter Orbán-Verteidiger und Kritiker der Flüchtlingspolitik Angela Merkels auf. Auch zur Zeit schwerer Konflikte Ungarns mit der EVP-Mehrheit und mit der Kommission plädierte Kurz für Verständnis für Ungarn. Er ging Bergsteigen mit dem Orbán-Verbündeten, dem rechts-populistischen (inzwischen abgelösten) slowenischen Regierungschef Janez Janša und nahm in Belgrad, knapp vor seinem Rücktritt, von dem autoritären serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić eine hohe Auszeichnung entgegen.

Dass Kurz inzwischen angeklagt wurde und im Oktober vor Gericht gestellt wird, stört weder ihn, noch Orbán bei der demonstrativen Pflege ihrer Freundschaft. Kurz trat vor einigen Tagen in Esztergom bei einer Veranstaltung mit großem Medienecho zu einem politischen Interview der mit 1,5 bis zwei Milliarden Euro ausgestatteten Fidesz-Stiftung und Kaderschmiede MCC auf und er fand vorige Woche Zeit, als Zuschauer bei der Athletik-Weltmeisterschaft in Budapest Freund Orbán zu einem Plausch zu treffen und vor einer österreichischen und ungarischen Fahne symbolträchtig einander die Hände zu schütteln.

ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer, der als einziger EU-Regierungschef mit seinem sinnlosen Moskau-Besuch kurz nach dem Überfall auf die Ukraine dem Ansehen unseres Landes einen bis heute spürbaren Schlag versetzt hat (siehe Economist, 3. Juli 2023, NZZ, 23. August 2023, Financial Times, 26. August 2023), baut bereits emsig an einem Dreieckbündnis mit Orbán und Vučić, unbeschadet der Freilassung von 1500 Schleppern in Ungarn.

Viktor Orbán – bekanntlich Wladimir Putins engster Vertrauensmann im Westen – kann also mit seinen österreichischen Freunden wahrlich zufrieden sein. (Paul Lendvai, 29.8.2023)