Ausgerechnet das Video der FPÖ-Jugend, wegen dem die Staatsanwaltschaft wegen NS-Wiederbetätigung ermittelt, hat den "Hitlerbalkon" wieder in den Fokus einer öffentlichen Debatte gerückt. Unter dem Altan muss man durch, wenn man das Haus der Geschichte am Heldenplatz besucht. Seit Hitler anlässlich des Einmarsches der Wehrmacht in Österreich im März 1938 von dort zu den Massen sprach, zählt er zu den historisch verseuchten Orten Österreichs.
Seit 1945 ist das Betreten verboten, nach Hitler hielt nur der Holocaustüberlebende und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel auf dem "Balkon" eine Rede. Im Haus der Geschichte kann man seit einiger Zeit darüber abstimmen, ob der Altan geöffnet werden soll. Bisher überwiegt dazu ein Ja. Viel spricht dafür, den Ort nach 85 Jahren für Ewiggestrige zu entzaubern. Wer ihn als Nazi-Kultstätte missbrauchen will, kann das ohnehin auch am Boden. Auch ohne sich ein Museumsticket zu kaufen und auf den Altan zu steigen.
Dämonisierung beenden
Für alle anderen kann man auch die Dämonisierung des Gebäudes, das vor und nach Hitler auch eine Geschichte hatte, beenden. Welch wunderbare antifaschistische Kunstinstallationen könnte man etwa gerade hier weit sichtbar wirken lassen? Auch ohne Museumsticket.
Aus Angst vor Neonazis sollte man nicht öffentliche Räume verschließen. "Der Balkon ist nichts. Er ist ein Symbol, mehr nicht", sagte Elie Wiesel schon 1992. "Die Läuterung, die Veränderung kann nicht vom Balkon kommen. Sie muss von unten kommen." (Colette M. Schmidt, 9.9.2023)