Noch drei Stopps entfernt sei der Kurier, teilte mir das Livetracking mit, als ich Anfang August eine Lieferung erwartete. Das Zustellfahrzeug befand sich laut der Karte nur wenige Straßen entfernt. Das passte gut in die Prognose, denn es war kurz vor Mittag, und die prognostizierte Lieferzeit war mit "zwischen 10 und 12 Uhr" angegeben. Als es eine Stunde später immer noch nicht an meiner Tür geklingelt hatte, sah ich wieder nach. Nun musste der Kurier bis zu meiner Zustellung noch fünf andere Halte abwickeln, aber zumindest wurde er nun in der Parallelstraße auf der anderen Seite des Häuserblocks verortet.

Weitere 30 Minuten später waren aus den fünf nunmehr "einige" Stopps geworden, und das Lieferfahrzeug kurvte irgendwo im Nachbarbezirk herum. Die Verwirrung setzte sich sich fort, ehe gegen 17 Uhr – stolze fünf Stunden später als vorhergesagt – das Paket schließlich eintrudelte.

Es ist nicht die erste Erfahrung dieser Art mit einem Logistikdienst. Und ein Blick auf Reddit und soziale Netzwerke legt nahe, dass ich damit längst nicht allein bin. Während der Ablauf des Trackings bis zum regionalen Servicecenter – Pakete laufen über die Versandzentren des Logistikers, wo sie bei Ankunft und Abfahrt gescannt werden – einfach erklärbar ist, sind die Nachverfolgung und die scheinbar sinnlosen Fahrtwege während der Auslieferung für mich ein Mysterium.

Was das Livetracking von Zustellungen anzeigt, ergibt für Empfänger nicht immer sofort Sinn.
Ralph Peters via www.imago-image

Bei DHL Express, jenem Dienst, der die Zustellung im August verantwortet hatte, erklärte man sich bereit, die Abläufe zu erklären. Rede und Antwort stand dem STANDARD dazu Andrea Plöchl-Krejci. Sie ist seit über 20 Jahren beim Konzern und arbeitet für DHL Express Austria als Head of Ground Operations.

Fahrer passen Route an

Den grundlegenden Ablauf erklärt sie so: In der Früh kommen Sendungen per Flugzeug in Schwechat und per Lkw direkt im Depot an. Wien wird hier über den Hub im niederösterreichischen Guntramsdorf versorgt. Dort erfolgt die Sortierung und die Aufteilung an die Kuriere.

Diese erhalten einen von einer Software generierten Routenvorschlag. Den Vorschlag können sie selbst basierend auf ihrer Erfahrung und gegebenen Notwendigkeiten anpassen. Sie arbeiten als Experten für das von ihnen abgedeckte Areal. Manche seien schon seit 20 Jahren in ihrem zugeteilten Rayon unterwegs, so Plöchl-Krejci. Sobald der Fahrtweg steht, wird auch die erwartete Zustellzeit für jede Lieferung berechnet.

Basierend auf der Route laden sie dann die Pakete strategisch in ihr Fahrzeug ein, um an den Zielorten schnell entladen zu können. Ein- bis zweimal pro Jahr werden Routen und Zustellungen analysiert und gegebenenfalls die Liefergebiete der einzelnen Kuriere angepasst. Diese orientieren sich ausschließlich an logistischen Gegebenheiten, nicht aber an Bezirks- oder Gemeindegrenzen.

Viele Variablen

Sobald die Fahrerin oder der Fahrer dann ab 8 Uhr unterwegs sind, wird es allerdings komplizierter. Denn es kann zu Verzögerungen kommen, die für das System nicht vorhersehbar sind. Das betrifft etwa Verkehrsunfälle mit entsprechenden Staus und Umleitungen, neue Baustellen oder Einsätze von Rettungskräften, Feuerwehr und Polizei, die sich auf den Verkehr auswirken können. Eine dynamische Anpassung der vorausgesagten Lieferzeit beherrscht die Software – zumindest aktuell – nicht.

Aufnahme aus dem DHL Servicecenter in Linz-Hörsching. Pakete fahren auf Förderbändern, im Hintergrund sind durch ein Fenster gelbe Lieferfahrzeuge zu sehen.
Aufnahme aus dem DHL-Servicecenter in Linz-Hörsching.
DHL/Christian Lendl

Diese Verzögerungen gehen insbesondere zulasten von Empfängern von Paketen, deren Absender eine "Ganztageslieferung" gebucht haben. Diese sieht prinzipiell eine Zustellung bis Tagesende vor. Dem gegenüber stehen teurere Zustellungen mit garantierter Lieferung bis zu einer gewissen Uhrzeit, welche die Fahrer dann priorisieren und ihren Fahrplan entsprechend adaptieren müssen. Hier, so die DHL-Logistikerin, habe man eine hohe Pünktlichkeit vorzuweisen. Das Geschäft des Unternehmens spielt sich vorwiegend im B2B-Bereich ab, Lieferungen an Privatkunden werden vergleichsweise selten abgewickelt.

Hinzu kommt, dass die Kuriere nicht nur ausliefern, sondern auch Abholungen vornehmen. Hier gibt es Dienstleistungen mit einem sehr kurzfristigen Zeitfenster, die der Prognose für eine Ganztageszustellung ebenfalls einen Strich durch die Rechnung machen können.

KI soll Verbesserungen bringen

Die Kombination aus ungeplanten Verzögerungen, der Priorisierung von Fixzeit-Lieferungen sowie "spontanen" Abholaufträgen erklärt schließlich auch, warum es fallweise zu starken Abweichungen von der vorausgesagten Lieferzeit und für den Empfänger scheinbar wirren Fahrtrouten kommen kann.

Der Prozess werde aber laufend verbessert, erklärt Plöchl-Krejci. Als nächste große Neuerung möchte man die Software für die Routenerstellung an ein mit Maschinenlernen gestütztes System anbinden. Die KI soll Routen und Zustellungen auswerten und dabei auch die Vorlieben der einzelnen Kuriere lernen. Damit sollen die Planung künftig effizienter und Voraussagen genauer werden. Ganz vermeiden lassen werden sich Zustellungsverzögerungen freilich auch damit nicht. (gpi, 17.9.2023)