Die Schulferien sind vorbei, die Menschen in Österreich wieder im Alltag angelangt, die Erinnerungen an den Sommerurlaub am Strand werden nur noch durch ein paar Schnappschüsse und Clips am Leben gehalten, die auf dem Smartphone ein Schattendasein fristen und irgendwann gänzlich in Vergessenheit geraten. Schade eigentlich. Dabei ist es gar nicht mal so schwierig, die einzelnen Videoaufnahmen mit ein paar Handgriffen zu einem kompletten Urlaubsvideo zusammenzufassen, das man auch gerne der Verwandtschaft zeigt und auch Jahre später noch ansieht, um sich an den Sommer 2023 zu erinnern. DER STANDARD erklärt, welche Programme man dafür verwenden kann, wie die Grundlagen funktionieren und was man tun sollte, damit das Publikum nicht gelangweilt wird. So sollen komplette Neulinge, aber auch Menschen mit ersten Erfahrungen im Videoschnitt etwas lernen können.

Die Wahl des Schnittprogramms

Die erste Frage, die man sich für ein Projekt dieser Wahl stellen muss: Welches Programm ist das richtige, um Urlaubsvideos zu schneiden? Hier sind Apple-Fans klar im Vorteil, haben sie mit iMovie doch bereits kostenlosen Zugriff auf ein passables Schnittprogramm, das zumindest für die Ansprüche von Laien bestens geeignet ist. Für Menschen mit anderen Betriebssystemen ist Davinci Resolve eine Alternative, die gratis ist und in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat, wiewohl die Bedienung dieser Freeware ein wenig Eingewöhnung erfordert.

Wer hingegen Geld auf den Tisch legen möchte, der kann sich auch an den Platzhirsch wenden: Adobe. Dieser hat in seinen Abodienst Creative Cloud erstens das professionelle Schnittprogramm Premiere Pro als auch das auf schnelle Projekte ausgerichtete, mit mobilen Geräten kompatible Rush integriert. Wer wiederum keine monatlichen Abogebühren zahlen möchte, der kann auch Premiere Elements als Alternative erwägen: Adobes Schnittprogramm für Laien muss nur einmal bezahlt werden, funktioniert ähnlich wie die Profisoftware und lässt eigentlich keine Wünsche offen, wenn man einfach nur ein Urlaubsvideo schneiden will. Und für das Apple-Universum gibt es schließlich noch Final Cut Pro: Ähnlich wie Premiere Pro eine Schnittsoftware für den Profibereich, die allerdings einmalig 349,99 Euro kostet. Sowohl für Premiere Pro als auch für die Adobe-Produkte gibt es kostenlose Probezeiträume.

Screenshot Adobe Premiere Pro
Ein Screenshot von Adobe Premiere Pro: links die Dateien, in der Mitte der Player, rechts die optionalen Farbeinstellungen und unten die Timeline mit Video- und Audiospuren.
Adobe

Vom Grundkonzept ist die Bedienung bei allen genannten Programmen ähnlich, Kernelement sind drei Fenster. In einem Fenster sind die einzelnen Dateien angesammelt, die zuvor in das Projekt importiert wurden. Das zweite Fenster ist ein Player, mit dem die Videos abgespielt werden. Und das dritte ist jenes, in dem die eigentliche Arbeit stattfindet: eine horizontale Timeline, auf der die einzelnen Clips angeordnet und beigeschnitten werden, um so ein schlüssiges Gesamtwerk zu ergeben. Der obere Teil der Timeline zeigt dabei meist die Video-, die untere Hälfte die Audioinhalte.

Grundlagen des Videoschnitts

Womit wir auch schon mitten in den Grundlagen des Videoschnitts sind. So ist es eben üblich, die Clips auf die Timeline zu ziehen und im ersten Rohschnitt so anzuordnen, wie es inhaltlich Sinn macht: In der ersten Einstellung wird man etwa die Familie bei der Abreise zeigen, oder aber man startet mit einer lustigen Situation und geht dann in einen Timelapse von einer Autofahrt über, der später mit Musik unterlegt wird.

Die Clips per se können vorne und hinten beigeschnitten werden, damit es nur die besten Momente in das finale Video schaffen. Oder es wird die Kopplung zwischen Audio- und Videospur aufgehoben, um den Ton durch Musik zu ersetzen. Legt man Spuren übereinander, so ist für die Zuschauer in den meisten Fällen nur die oberste Spur sichtbar: So kann man etwa einen Gegenschnitt machen, also zum Beispiel bei einem längeren Gespräch zwischendurch eine Totalaufnahme der Landschaft zeigen. Alternativ dazu ist es möglich, Clips nebeneinander abzuspielen, also etwa den Blick aus einem Zugfenster gleichzeitig mit den Reisenden zu zeigen, die sich im Speisewaggon unterhalten. Und die Geschwindigkeit der Clips kann freilich durch Rechtsklick auf selbige geändert werden, um etwa eine Autofahrt in Zeitraffer oder einen Sprung in den Pool in Zeitlupe darzustellen.

Was tun mit den Drohnenvideos und Füllmaterial?

Die Möglichkeiten sind also vielfältig, und oft hilft es, sich zwecks Inspiration an bekannten Vorbildern aus Film und Fernsehen zu orientieren: Während des Hypes um die Netflixserie "Dark" habe ich zum Beispiel Kamerafahrten über mitteleuropäische Wälder in ein Urlaubsvideo eingebaut und mit verstörender, atonaler Musik unterlegt. Das hat nicht jedem gefallen, aber die Fans fanden es witzig. Auffällig ist aber in jedem Fall, wenn man sich die Werke der Profis ansieht, dass diese meist schnelle Schnitte machen, bei denen jede Einstellung nur wenige Sekunden dauert.

Drohnenpilot mit Drohne
Drohnenbesitzer lieben ihre Spielzeuge – minutenlange, verwackelte Luftaufnahmen sind beim Publikum hingegen weniger beliebt.
ÖAMTC/Postl

Ganz so extrem muss man es natürlich nicht machen. Allerdings sollte sich jeder Hobbyfilmer bewusst sein, dass das Endprodukt schließlich dem Publikum gefallen muss und dass niemand Freude daran hat, sich 15 Minuten lang eine mit wackliger Handkamera aufgenommene Bauchtanzperformance aus dem All-inclusive-Club in Antalya anzusehen. "Weniger ist mehr", lautet hier die Devise: Besser ist es, Clips radikal zu kürzen oder eben wie oben erwähnt zusätzlich gefilmtes Material für Gegenschnitte zu verwenden.

Diese Regel gilt übrigens auch für Drohnenvideos, die auch 2023 noch immer beliebt sind – wenn auch nicht zwingend beim Publikum. So ist es auch hier nicht ratsam, die Verwandtschaft mit minutenlangen, wackligen Flugaufnahmen zu quälen. Schöner kommt es, wenn etwa Luftaufnahmen einer Wandergruppe in den Bergen abwechselnd mit Nahaufnahmen der einzelnen Wanderer oder Details vom Wegesrand kombiniert werden.

Hintergrundmusik: KI, übernehmen Sie!

Eine andere goldene Regel des Videoschnitts lautet: Ist der Ton schlecht, dann ist alles schlecht. Und auch wenn moderne Schnittprogramme bereits über recht brauchbare Tools zur Bearbeitung von Ton verfügen, so sind auch diese machtlos, wenn die mitgereiste Tante Traude die gesamte Tonspur der malerischen Landschaftsaufnahme mit Monologen über ihr eigenes Seelenleben besudelt hat. Hier hilft nur: den Ton radikal entfernen und durch Musik ersetzen.

Doch woher nehmen, wenn nicht stehlen? Eine Möglichkeit ist, Musikstücke legal auf entsprechenden Plattformen zu erwerben und für das private Urlaubsvideo zu nutzen. Ein anderer Weg ist freilich, sich via KI individuell Musik für die eigenen Ansprüche komponieren zu lassen. Diverse Anleitungen dazu hat DER STANDARD im Frühjahr 2023 publiziert, eine Zusammenfassung findet sich unter diesem Link.

Das einfachste und zugleich für diese Zwecke praktischste Tool dieser Art ist aber Chirp von Suno, für das man sich unter diesem Link anmelden kann. Anschließend findet man sich in einem Discord-Chat, in dem man per Textbefehl einen eigenen Song erstellen lassen kann, inklusive des gewünschten Musikgenres und individuellen Texts. Man will also einen Speed-Metal-Song, in dem der eigene Mallorca-Urlaub besungen wird? Kein Problem. Das nachfolgende Video zeigt einen Track, der mit Chirp erstellt wurde. Erstmals erwähnt haben wir das Tool übrigens in unserem KI-Newsletter, für den man sich unter diesem Link anmelden kann.

Von A nach B: Wege in Videos darstellen

Es liegt in der Natur von Urlaubsvideos, dass diese oft an unterschiedlichen Orten gedreht werden. Und wer den Wechsel von einem Ort zum anderen in seinem Werk zeigen möchte, der hat verschiedene Möglichkeiten. Eine wäre etwa, den neuen Ortsnamen über einen Text im Video anzukündigen, hierfür bieten die Schnittprogramme entsprechende Vorlagen. Alternativ dazu könnte der Ortswechsel durch eine kurze Anmoderation von den Protagonisten erklärt oder von einem Moderator als Stimme aus dem Off eingesprochen werden.

Eine andere Möglichkeit ist, den Ortswechsel auf virtuellen Karten darzustellen. Wer genug Zeit mitbringt, der kann etwa den Screenshot von einer Landkarte in das Programm einfügen und als zweite Videospur einen Punkt (oder das Bild eines Flugzeugs oder Autos) vor transparentem Hintergrund darüber legen, dessen Position sich Frame für Frame verändert. Oder aber man verwendet Apps wie Relive, um GPS-Dateien zu visualisieren. Bedingung dafür ist freilich, dass diese zuvor mit einer Fitness-App oder einer Sportuhr aufgezeichnet wurden.

Screenshot von Relive
Ein Beispiel für die Visualisierung einer Wegstrecke mit der App Relive.
Der Standard/Stefan Mey

Mehr Aufwand – für Erinnerungen, die bleiben

Und somit wäre unser Mini-Tutorial auch schon wieder abgeschlossen. Und wer gut aufgepasst hat, der hat schon gemerkt: Mindestens einen Abend der eigenen Freizeit muss man für ein solches Video schon investieren und sich außerdem Gedanken über den Aufbau und die einzelnen Elemente des eigenen Werks machen. Belohnt wird man aber dafür mit einer Erinnerung, von der man noch lange zehren kann. Und das ist auch angesichts des nahenden grauen Winters ein gar nicht mal so schlechter Deal. (Stefan Mey, 20.9.2023)