Auktionshäuser und Sammler lecken sich schon die Lippen, die Uhren-Bubble ist aus dem Häuschen. Denn einer der wohl legendärsten Zeitmesser der Welt ist aufgetaucht – eine Jahrzehnte als verschollen gegolten habende goldene Patek Philippe Referenz 2499. Aber nicht das Edelmetall, aus dem sie gefertigt wurde, das uhrmacherische Know-how, das in ihr steckt, oder der klingende Name des Herstellers sind es, die für Aufsehen sorgen, sondern ihr früherer prominenter Besitzer und dessen tragisches Schicksal: John Lennon.

John Lennon auf einer Pressekonferenz im Jahr 1968. Die Uhr des 1980 ermordeten Stars hält die Uhrenwelt in Atem.
John Lennon auf einer Pressekonferenz im Jahr 1968. Die Uhr des 1980 ermordeten Stars hält die Uhrenwelt in Atem.
AP

Die "Lennon 2499", darüber sind sich Expertinnen und Experten einig, ist Millionen wert. Sollte sie jemals ihren Weg in ein Auktionshaus finden, fantasieren einige, könnte sie locker zehn Millionen US-Dollar erlösen. Wenn nicht sogar mehr. Alles scheint möglich, seit 2017 eine Rolex Daytona, die einst dem Schauspieler Paul Newman gehörte, einem bis heute anonymen Sammler den Rekordpreis von 17 Millionen Dollar wert war. Kurz: Die Lennon-Uhr gilt als heiliger Gral, was auch mit ihrer spannenden, geheimnisumwobenen Geschichte zu tun hat, deren vorerst letztes Kapitel nun vor einem Genfer Gericht geschrieben wurde. Die vor kurzem an die Öffentlichkeit gelangten Gerichtsunterlagen bringen Licht in die spannende Geschichte des Zeitmessers. Eine Story, die sich wie ein Krimi liest.

Aber der Reihe nach.

Der Ex-Beatle lebte 1980 gemeinsam mit seiner Frau Yoko Ono in New York. Zu seinem 40. Geburtstag bekommt er von ihr ein besonderes Geschenk. Eben jene goldene Patek Philippe Referenz 2499, eingekauft bei Tiffany & Co. in New York. Für Enthusiasten gilt die Uhr als die ultimative Patek. Von der 2499, einem Modell mit ewigem Kalender und Chronografen, hat die Genfer Uhrenmanufaktur nur 349 Exemplare hergestellt. 35 Jahre wurde sie produziert. "Sie ist kompliziert, selten und sammelwürdig, aber auch wunderschön gestaltet mit modernen Proportionen im Vergleich zu ihren kleineren Vorgängern", schreibt Anthony Traina in einem Beitrag der einflussreichen US-amerikanischen Uhren-Website Hodinkee.

Privatchauffeur als Dieb

Zwei Monate später wurde John Lennon vor dem weltberühmten Dakota-Building in New York, in dem er eine Wohnung hatte, ermordet und endgültig zur Legende. Lennons persönlicher Besitz wurde katalogisiert, bevor er an seine Witwe überging, darunter auch die Lennon 2499.

2006 wurde Koral Karsan, Onos ehemaliger Privatchauffeur, verhaftet. Er hatte versucht, Yoko Ono um zwei Millionen Dollar zu erpressen, indem er drohte, peinliche Tonbänder und Fotos zu veröffentlichen, die er heimlich aufgenommen hatte, und sogar drohte, Ono und ihren Sohn zu töten. Karsan behauptete auch, er habe eine sexuelle Beziehung zu Ono gehabt. Er bekannte sich schließlich schuldig und wurde sofort in sein Heimatland Türkei abgeschoben.

Eine Patek Philippe 2499, mit
Eine Patek Philippe 2499, mit dem Schriftzug "Tiffany & Co" auf dem Zifferblatt, wurde 2020 von Sotheby's für 818.600 Dollar versteigert.
Screenshot: Sothebys

Mittlerweile scheint kaum ein Zweifel daran zu bestehen, dass Karsan sich auch zahlreiche Gegenstände aus dem Besitz Lennons angeeignet hatte. So fand man in der Konkursmasse eines 2017 pleitegegangenen Berliner Auktionshauses, Auctionata, zahlreiche persönliche Gegenstände des Stars, darunter Brillen und Tagebücher. Nach Angaben des Auktionshauses hatte ein Mann, der von der deutschen Polizei als Erhan G. identifiziert wurde, diese Gegenstände an Auctionata verkauft und sie von Karsan erworben.

Dunkle Kanäle

Die "Lennon 2499" befand sich zwar offenbar auch im Besitz von Erhan G., wurde aber nicht gefunden. Was mit ihr geschehen war, darüber geben die erwähnten Gerichtsunterlagen Aufschluss. Demnach übergab Karsan den Zeitmesser bereits 2010 an Erhan G. nebst weiteren Gegenständen, die er gestohlen hatte. Erhan G. wiederum wandte sich 2013 an Auctionata und schloss schließlich einen Vertrag mit Auctionata ab, um die Uhr zu verkaufen.

In einem separaten Schreiben wies er aber darauf hin, dass er nicht garantieren könne, dass er der rechtmäßige Besitzer der Uhr sei, auch nicht, dass Ono keinen Anspruch auf die "Lennon 2499" erheben würde. Kurz darauf stimmte Auctionata in einer im Jänner 2014 unterzeichneten Vereinbarung zu, die Uhr privat an einen italienischen Sammler, der jetzt in Hongkong lebt, für 670.000 Dollar zu verkaufen, anstatt sie öffentlich zu versteigern. In der Branche habe der Sammler einen zweifelhaften Ruf, wie Hodinkee festhält. Angeblich saß er damals auch in einem Beratergremium von Auctionata und nutzte diesen Zugang vielleicht zu seinem persönlichen Vorteil.

Yoko Ono wurde nach einem jahrelangen Rechtsstreit das Eigentumsrecht an die Patek Philippe 2499 zugesprochen. Sie hatte die Uhr John Lennon zu seinem 40. Geburtstag geschenkt.
Yoko Ono wurde nach einem jahrelangen Rechtsstreit das Eigentumsrecht an der Patek Philippe 2499 zugesprochen. Sie hatte die Uhr John Lennon zu seinem 40. Geburtstag geschenkt.
APA/AFP/TIM SLOAN

Einige Monate später brachte der Sammler die Uhr zu Christie's in Genf, um sich nach einem Verkauf zu erkundigen. Nachdem Christie's die Uhr im Juni erhalten hatte, kontaktierte das Auktionshaus im September 2014 Onos Anwalt, um sich nach der Uhr zu erkundigen. Dies hat Yoko Ono offensichtlich überrascht, wie bei Hodinkee zu lesen ist. Sie antwortete, dass die Uhr noch bei ihr zu Hause sein müsse, in einem Schrank mit anderen Gegenständen von Lennon. Immerhin war sie eines der letzten Geschenke, die sie Lennon nur zwei Monate vor seinem Tod gekauft hatte. Doch als Ono ihren Schrank durchsuchte, entdeckte sie zum ersten Mal, dass die Uhr, die sie Lennon Jahrzehnte zuvor gekauft hatte, nicht mehr da war.

Jahrelanger Rechtsstreit

Laut Ono war Karsan eine der wenigen Personen, die Zugang zu dem Raum hatten, in dem sie die Uhr und andere persönliche Gegenstände ihres Ehemannes aufbewahrte. Ono versuchte, in den USA rechtliche Schritte einzuleiten, um die Uhr zurückzubekommen, aber da sie sich nun in Genf befand, reichte sie schließlich im Oktober 2015 eine Vor-Ort-Klage ein, in der sie das Eigentum des italienischen Händlers an der Uhr bestritt und behauptete, sie sei ihr gestohlen worden. All das ist jetzt erst publik geworden.

Kurz darauf ging, wie erwähnt, Auctionata in Konkurs, und die Polizei entdeckte die anderen Gegenstände von Lennon, die Karsan gestohlen hatte. Es folgte ein Strafverfahren gegen Karsan und Erhan G.. In dem Verfahren in Deutschland sagte Ono über das gestohlene Eigentum und die "Lennon 2499" aus. Sie gab an, es sei nie ein Geschenk an Karsan gewesen, wie er einmal behauptet hatte. In ihrem Abschlussbericht befanden die deutschen Ermittler Erhan G. der Hehlerei für schuldig und stellten fest, dass er wusste, dass die Uhr gestohlen sein könnte, und dass er sogar versucht hatte, sie privat zu verkaufen, bevor er sie zu Auctionata brachte. Im August 2017 trug Ono die "Lennon 2499" in das Register für gestohlenes Eigentum ein. Erhan G. wurde schließlich zu einem Jahr Haft verurteilt, während Karsan auf der Flucht war. Die Berliner Staatsanwaltschaft und später Europol erließen einen Haftbefehl gegen ihn.

Ono und der italienische Sammler streiten seit beinahe zehn Jahren darüber, wer der rechtmäßige Besitzer der Uhr ist. Es ging offenbar hin und her. So behauptete der Sammler, dass Karsan die Uhr von Ono geschenkt bekommen habe, was sie dementierte, und dass Ono die Uhr nie als gestohlen gemeldet habe. Ono wies darauf hin, dass sie nicht einmal wusste, dass sie gestohlen worden war, bis Christie's sie 2014 zum ersten Mal kontaktierte, woraufhin sie schnell versuchte, die Uhr zurückzubekommen. Im Jahr 2022 führte das Gericht weitere Anhörungen zu diesem Fall durch.

Der Wert einer Uhr

Im vergangenen Juni schließlich haben die Richter zugunsten von Ono entschieden. Der Einspruch des Sammlers folgte auf den Fuß. Darüber hat kürzlich der Schweizer Rechtsblog Gotham City berichtet. Interessant ist, dass im Gerichtsurteil zwar weder Lennon noch Ono namentlich erwähnt werden, aber biografische Details weisen eindeutig auf sie hin. Die Dokumente erwähnen auch eine Gravur auf der Uhr, die sich auf einen Song bezieht, den das Paar "nach einer Zeit der Trennung gemeinsam komponiert hatte".

Der Wert der Uhr wird von Yoko Onos Anwältin mit 4,5 Millionen Dollar angegeben. Sie ist mit ziemlicher Sicherheit viel mehr wert. Manche Kenner glauben sogar, dass die "Lennon 2499" das Zeug hat, zur teuersten Armbanduhr aller Zeiten zu werden. "Dies ist zweifellos eine der begehrtesten Uhren, auf welche die Uhrenwelt gehofft hat", sagt etwa Marc Montagne, Autor des Buches "Invest in Watches: Die Kunst des Uhrensammelns" gegenüber dem Wirtschaftsmagazin "Fortune". Der Händler Eric Wind geht gar von einem möglichen Erlös von 40 Millionen Dollar aus – vorausgesetzt, man macht beim Marketing alles richtig. Dass Yoko Ono oder Sean Lennon, Onos und Johns gemeinsamer Sohn, überhaupt daran denken, den Zeitmesser auf den Markt zu werfen, darf allerdings bezweifelt werden. (Markus Böhm, 20.9.2023)