Grüne kritisieren Bedingungen bei Irak-Abschiebungen
Anfang September traf Außenminister Alexander Schallenberg seinen irakischen Amtskollegen Fuad Hussein in Bagdad.
BMEIA/ Michael Gruber

Wien – Vom Flughafen Wien-Schwechat soll, wie der STANDARD bereits berichtete, am Dienstag in den frühen Morgenstunden eine Maschine mit dem Ziel Bagdad abgehoben sein, um Menschen in den Irak abzuschieben. Das Innenministerium wollte dies gegenüber der APA vorerst nicht bestätigen, die grünen Abgeordneten Georg Bürstmayr und Ewa Ernst-Dziedzic kritisieren die "zweifelhaften Umstände" der Charterabschiebung. Ein Rückführabkommen mit Bagdad gebe es nicht, betonte Ernst-Dziedzic.

"Alle Rückführabkommen gehen über meinen Tisch – wir kennen den Text dieser Vereinbarung nicht, geschweige denn, dass wir das freigegeben hätten", sagte die grüne Menschenrechtssprecherin Ewa Ernst-Dziedzic gegenüber der APA. Bei der Abmachung, auf die sich laut Ernst-Dziedzic Innenminister Gerhard Karner und Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) berufen, handle es sich lediglich um eine "Absichtserklärung". "So etwas erfolgt oft mündlich, zwischen wem und wann diese getroffen wurde, erschließt sich uns aber nicht", sagte die grüne Abgeordnete.

Denn Rückführabkommen werden an sich mit dem Koalitionspartner koordiniert. Jene Vereinbarung mit Bagdad sei aber weder auf dem Schreibtisch der zuständigen grünen Abgeordneten noch im Ministerrat gelandet. "Wir haben im Regierungsprogramm Rückführabkommen festgehalten, das heißt, wir Grüne verwehren uns nicht grundsätzlich dagegen. Aber wir schauen uns ganz genau an, was diese beinhalten", betonte Ernst-Dziedzic. "Man sollte das aber auch präzise kommunizieren, eine Absichtserklärung die irgendwer irgendwo gemacht hat, ist kein Rückführabkommen, auf das man sich jetzt berufen kann."

Kein Kommentar aus dem Innenministerium

Innenminister Karner wollte das bei einer Pressekonferenz nicht kommentieren. Er werde zu einzelnen Abschiebungen keine Aussagen treffen, betonte er, fügte aber hinzu, dass eine "konsequente Rückführungs- und Abschiebungspolitik" zu einer glaubwürdigen Asylpolitik gehöre. Rückführungen und Außerlandesbringungen gebe es in allen Ländern, "wo dies auch international möglich ist". "Es gibt in den Irak immer wieder aus vielen Ländern Europas auch derartige Rückführungen und Abschiebungen", meinte er auf die Nachfrage, ob das beim Irak der Fall sei.

Das Innenministerium hatte bereits zuvor argumentiert, dass Rückführungen im Vorfeld weder bestätigt noch dementiert würden, da dies jegliche Planungen für die zwangsweise Außerlandesbringung von Personen unmöglich mache. Abgeschoben würden nur Personen, deren Asylverfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen wurde. Priorität sei aber die "freiwillige Ausreise", die vom BMI unterstützt wird. "Erst wenn der Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen wird und keine eigenständige Ausreise erfolgt, wird vom BFA in letzter Konsequenz eine zwangsweise Rückführung in die Wege geleitet", hieß es.

Abschiebebescheide teilweise mehrere Jahre alt

Mehrere irakische Staatsbürger seien in den vergangenen Tagen in Schubhaft genommen worden und sollen am Dienstag abgeschoben werden, schrieb Bürstmayr am Sonntag auf X, vormals Twitter. Die entsprechenden Abschiebungsbescheide seien zum Teil schon Monate und Jahre alt, weswegen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eigentlich prüfen müsse, ob sich seit der Entscheidung nichts Wesentliches geändert habe. "In der Vergangenheit war das BFA dabei gelinde gesagt eher oberflächlich", kritisierte Bürstmayr.

Außerdem hätten Angehörige und Freunde der Schubhäftlinge diese am Wochenende – trotz ausgewiesener Besuchszeiten – wegen "Personalmangels" nicht besuchen dürfen. "Menschen nach jahrelangem Aufenthalt in Österreich den Abschied von Angehörigen und Freund:innen zu verunmöglichen – das ist eines Rechtsstaats unwürdig", kritisierte der grüne Abgeordnete. Dazu sowie zur Frage, "ob der 'Entfall' von Besuchsmöglichkeiten in Polizei-Anhalte-Zentren (PAZ, Anm. d. Red.) womöglich kein Einzelfall ist", bereite man eine parlamentarische Anfrage vor.

Ernst-Dziedzic postete in der Nacht auf Dienstag ein Video vom Flughafen Wien-Schwechat auf X, vormals Twitter, und kritisiert die Undurchsichtigkeit der Abschiebungen: "Ich möchte nur einmal festhalten, dass es nicht einmal mir als Abgeordnete möglich ist, (...) an die Informationen zu kommen, die ich bräuchte." So sei unter jenen, die abgeschoben werden sollen, etwa auch eine kranke Frau, deren Mann einen positiven Bescheid auf Familienzusammenführung habe, die selbst jedoch weder Papiere noch Familie im Irak habe.

Österreichische Botschaft in Bagdad wiedereröffnet

Erst vor wenigen Wochen wurde in Bagdad die österreichische Botschaft wiedereröffnet. Damit kündigte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) ein "neues Kapitel in den Beziehungen" mit dem Irak an. Bisher waren Rückführungen schwierig, da der Irak darauf drängt, dass EU-Staaten selbst Anreize für eine freiwillige Rückkehr irakischer Staatsbürger setzen. "Als die Botschaft eröffnet wurde, habe ich mich gefreut über die Zusammenarbeit, aber dass unsere erste Handlung eine Charterabschiebung ist, halte ich für sehr fragwürdig, weil Kooperation beruht auf Vertrauen", sagte Ernst-Dziedzic.

Die für Dienstag geplante Abschiebung sei aber nicht die erste im aktuellen Jahr. Im April seien ein 28-jähriger und ein 30-jähriger Mann in Linienmaschinen nach Bagdad gebracht worden. Sie seien vorbestraft gewesen. Im Unterschied dazu soll es sich bei den nun von der Abschiebung betroffenen um unbescholtene Menschen handeln.

In der Nacht auf Dienstag kam es zudem zu einer spontanen Demonstration am Wiener Flughafen, berichtete die Tageszeitung "Heute". Mehrere Hundert Menschen protestierten gegen eine "Abschiebewelle in den Irak". Die Demo hatte "keine Auswirkungen auf den Flugbetrieb", hieß es vom Flughafen. (APA, 3.10.2023)