Das Bild zeigt Metas Headset Quest 3 mit zwei Controllern.
Wenn man den Metaverse-Flop ausblendet, ist Metas Quest 3 ein vielversprechendes Headset für Virtual und Mixed Reality.
AP/Godofredo A. Vásquez

Wären Sie an Trauergestalten in trostloser Umgebung interessiert, um sich selbst und Ihr Leben in einer virtuellen Welt abzubilden? Natürlich nicht, wie auch ich es nicht bin. Kein Wunder also, dass es ein echter Flop war, was Facebook-Mutter Meta bislang als sogenanntes Metaverse vorgestellt hat. Die vorgeschlagenen Anwendungen für Arbeit und Freizeit ergeben in der realen Welt ohne Virtual Reality (VR) oder Mixed Reality (MR) deutlich mehr Sinn – wozu in eine alternative Realität flüchten, wenn die tatsächliche meist die bessere Option bleibt? Die Vision von Mark Zuckerberg, nach der er sogar seinen Konzern umbenannt hat, bietet jedoch einen entscheidenden Vorteil.

Denn die Irrwege, die zum heutigen Metaverse geführt haben, haben auch die Hardware-Entwicklung beschleunigt und in den letzten Jahren zu signifikanten Veränderungen bei VR und MR geführt. Inzwischen stärken Unternehmen wie Meta, Sony, Valve und neuerdings auch Apple eine Branche, die früher von wenigen technischen Exoten geprägt war und über die Klientel begeisterter Early Adopter nicht hinauskam. Mit der Markteinführung der 550 Euro teuren Meta Quest 3 am kommenden Dienstag versucht das Unternehmen nun die Schlagzahl gegenüber der immer stärker werdenden Konkurrenz zu erhöhen.

Zwar hat Meta in den letzten Jahren mehrere solcher Headsets geliefert, aber nur eines – die Quest-Serie, insbesondere die Quest 2 – kann als eindeutiger Erfolg bezeichnet werden. Während der Pandemie schien es ein naheliegendes Rezept zu sein, sich zumindest kurzfristig in eine alternative Realität zu flüchten. Sieht man einmal von der Schwierigkeit ab, dass die eigentliche Vision von Meta in ihrer derzeitigen Umsetzung zum Scheitern verurteilt ist, wird deutlich, warum das Konzept der Quest 2 dennoch überzeugen konnte.

Die Hardware ist für ein vielseitig einsetzbares VR-Headset vergleichsweise günstig, einfach einzurichten und vor allem intuitiv zu bedienen. Zudem erwies sich das System als flexibel und leistungsfähig genug, um nicht nur als Standalone genutzt zu werden. Auch als kabelloser VR-Begleiter für einen Gaming-PC machte die Hardware von Meta eine gute Figur. Nicht umsonst ist die Quest 2 mit einem Anteil von mehr als 40 Prozent das meistgenutzte VR-Headset für die populäre Spieleplattform Steam.

Einfache Rechnung

Mein Exemplar der Meta Quest 2 inklusive Zubehör habe ich übrigens bereits verkauft. Das Ziel dahinter war von Anfang an klar: Mit dem Verkaufserlös und einem Aufpreis von 250 Euro löse ich quasi das Ticket für die nächste Generation. Nicht billig, aber ein fairer Deal, wie ich finde, wenn man den Mehrwert betrachtet. Denn der ist nach der offiziellen Präsentation auf der Meta Connect überraschend hoch.

Dazu zählt zunächst die deutlich kompaktere Bauweise, die auf die sogenannten Pancake-Linsen zurückzuführen ist. Auch sonst dürfte Meta bei der Entwicklung technologisch einiges in die Waagschale geworfen haben: Nach den vorliegenden Daten übertrifft die Quest 3 sogar das bisherige Topmodell, die Quest Pro, in vielen Punkten. Dank eines leistungsstärkeren Chips, eines 120-Hz-Modus und einer höheren Auflösung verspricht die Quest 3 eine deutlich bessere Bildqualität, als es bisher mit Quest-Headsets möglich war.

Vor allem aber soll die Quest 3 die Fähigkeit, die Umgebung des Nutzers zu erkennen, massiv verbessern und damit Mixed Reality überhaupt erst sinnvoll ermöglichen. Nach wie vor soll es möglich sein, durch Doppeltippen auf das Headset zwischen Virtual Reality und der Einbeziehung des unmittelbaren Umfelds zu wechseln. Der bereits bekannte Passthrough-Modus, also das Betrachten der Umgebung mit aufgesetzter Brille, verfügt bei der Quest 3 über eine Tiefenerkennung, ist deutlich hochauflösender als beim Vorgänger und vor allem nicht mehr schwarz-weiß, sondern komplett in Farbe.

Großes Angebot

Nicht zuletzt legt Meta großen Wert auf inhaltliche Flexibilität: Die Quest 3 kann eigenständig genutzt werden und ist abwärtskompatibel zu allen Inhalten ihrer Vorgänger. Wahlweise kabellos oder mit Kabel kann das Headset auch als Wiedergabegerät für Gaming-PCs genutzt werden, zum Beispiel für die komplette VR-Bibliothek von Steam. Neu ist ab Ende des Jahres auch die native Unterstützung des Xbox Game Pass Ultimate über Microsofts Cloud-Gaming-Dienst.

Apropos Spiele-Abo. In heutigen Zeiten überrascht es wenig, dass Meta selbst auch ein Abo für Quest-Geräte anbietet, das auf der Website zwei "handverlesene Titel" pro Monat verspricht. Unter der Bezeichnung "Meta Quest+" gibt es zwei Abo-Optionen für Besitzer einer Quest 2, Quest Pro und Quest 3.

Das Jahresabo kostet 70 Euro und bedeutet, dass man die Spiele für weniger als sechs Euro pro Monat erhält. Dafür sind die insgesamt 24 Titel gewissermaßen auch die sprichwörtliche Katze im Sack, die man kauft. Meta gibt die verfügbaren Titel – ähnlich wie Sony beim Playstation-Abo – erst kurzfristig im Voraus bekannt. Bei monatlicher Abrechnung erhöht sich der Preis auf neun Euro pro Monat. Das hat den Vorteil, dass man das Abo kurzfristig aussetzen kann, wenn einem die Spiele mal nicht gefallen. Allerdings haben Spieler auch nur mit gültigem Abo Zugriff auf das bisherige Angebot von "Meta Quest+", das sie genutzt haben.

Erste Highlights

Ich persönlich freue mich besonders auf "Asgard’s Wrath 2", das Mitte Dezember erscheinen wird. Das Action-Rollenspiel verspricht das bisher ambitionierteste Erlebnis der Quest-Serie von Meta zu werden und will sich mit den besten Genrevertretern auf Konsolen und PC messen. Während der Vorgänger noch in einer Welt der nordischen Mythologie angesiedelt war, wechselt das Setting nun ins alte Ägypten.

Asgard’s Wrath 2 - Official Overview Trailer
IGN

In der Fortsetzung können die Spielerinnen und Spieler Tiere zu Verbündeten im Kampf und beim Lösen von Rätseln machen und sie erstmals auch als Reittiere einsetzen, um weitläufige Landschaften zu durchqueren. Netter Bonus: Wer bis Mitte Januar 2024 eine Quest 3 kauft, erhält das Spiel im Wert von 60 Euro kostenlos zur Hardware dazu.

LEGO™ Bricktales | Announce Teaser Trailer
Meta Quest

Als langjähriger Sammler von und Bastler mit Legosteinen bin ich auch gespannt, wie die Mixed-Reality-Version von "Lego Bricktales" umgesetzt wurde. Das Spiel an sich ist nicht neu, bietet aber über das Headset ein völlig neues Erlebnis: Auf einer beliebig flachen Oberfläche in den eigenen vier Wänden gilt es, mit Legosteinen in der Umgebung zu interagieren und Rätsel zu lösen. Los gehen soll es in diesem Fall schon ab Anfang Dezember.

Blick auf die Konkurrenz

Alles in allem schnürt Meta ein Paket, das die Konkurrenz derzeit ziemlich alt aussehen lässt. Sonys PSVR 2 habe ich mir kurz von einem Kollegen ausgeliehen, konnte damit aber nicht viel anfangen. Das liegt vor allem an der Kabelgebundenheit, mit der ich mich stark eingeschränkt fühle. Aber auch daran, dass das Angebot an Inhalten auf das Ökosystem von Sony reduziert und damit sehr überschaubar ist. Bei der Pico 4 wäre ich fast schwach geworden, aber auch wenn das Headset etwas weniger kostet, hat es technisch gegenüber der Quest 3 das Nachsehen: Der Chip ist schwächer, die Tiefenerkennung fehlt, und der Wi-Fi-Standard kann nicht mit dem der Konkurrenz von Meta mithalten.

Und nur am Rande erwähnt, weil es eigentlich in einen anderen Anwendungsbereich fällt: Auch Apple Vision Pro kommt für mich definitiv nicht infrage. Apples MR-Headset ist für die versprochene Leistung einfach unverschämt teuer. Für mehr als 3.500 Euro kaufe ich mir sicher kein Experiment, von dem Gerüchten zufolge noch nicht einmal die Entwicklerinnen und Entwickler selbst überzeugt sind – und das mich noch schneller in die Ökosystem-Falle lockt als Sonys PSVR 2.

Ein Ticket für mehr Abwechlsung

Am Ende des Tages geht es mir jedenfalls nicht darum, in einem virtuellen Büro zu sitzen oder in einer imaginären Lounge zu chillen. In der Form, wie sich das Meta derzeit vorstellt, ist die Vision schlicht und einfach grober Unfug, das braucht kein Mensch. Mir geht es um eine flexible und kabellose Hardware, die eigenständig, aber auch in Kombination mit einem PC genutzt werden kann und das Spektrum unterschiedlicher Spielerlebnisse rund um VR und AR erweitert. Metas Quest 3 scheint dafür ideal geeignet, ohne mein Budget zu sprengen.

Kurzum: Ich habe die Meta Quest 3 bereits vorbestellt. Nicht weil ich davon träume, der nächste große digitale Immobilienmakler im Metaverse zu werden. Mir reicht es, zum Vergnügen mal kurz in digitale Spielwelten einzutauchen, die auf herkömmlichen Bildschirmen nicht realisierbar sind. Und mich darüber zu freuen, dass deren Erscheinungsbild merklich aufgehübscht wird, um mich leichter vergessen zu lassen, dass ich eigentlich "nur" zu Hause bin. Für alles andere ist die Realität immer noch ganz klar zu bevorzugen. (Benjamin Brandtner, 8.10.2023)