Selenskyj
Warb in Granada um Unterstützung für sein Land: der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.
AP/Volodymyr Zelenskyy

Im spanischen Granada gab es am Donnerstag wieder viel Raum für Solidaritätsbekundungen Richtung Kiew. Wie immer, wenn die Staats- und Regierungsspitzen Europas zusammenkommen, stand der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ganz oben auf der formellen Agenda – und auf der informellen sowieso. Auch deshalb, weil Präsident Wolodymyr Selenskyj persönlich anwesend war und einmal mehr um Unterstützung für sein Land warb.

Der Tonfall bei solchen Treffen ist aber stets ein anderer. Aktuell, bei jenem der Europäischen Politischen Gemeinschaft, klang er eher beschwörend als überzeugt. Zum einen lag das am erweiterten Kreis der Anwesenden. Nicht nur die EU-27 waren in Granada vertreten, sondern auch 20 andere europäische Staaten. Wirklich unisono wird auch auf EU-Gipfeln nicht kommuniziert, aber das Konzert in Granada war doch noch um einiges vielstimmiger.

Spannung lag aber vor allem deshalb in der Luft, weil es für Kiew schlechte Nachrichten aus den USA gibt. Dass deren militärisch-finanzielle Unterstützung für die Ukraine bald versiegen könnte, ist nicht einfach nur ein Kollateralschaden des schwelenden Budgetstreits zwischen Demokraten und Republikanern, der den US-Haushalt insgesamt blockieren könnte. Vielmehr stand das Thema Ukraine schon am Anfang des Konflikts, zumal die Trump-Fans unter den oppositionellen Republikanern die Hilfe für Kiew überhaupt beenden wollen.

Dass dieser Kreis von Radikalen in weiterer Folge sogar den eigenen Parteikollegen Kevin McCarthy als Chef des Repräsentantenhauses aus dem Amt jagen konnte und damit einen weitgehenden Stillstand des Kongresses provozierte, ist auch für die Ukraine eine Hiobsbotschaft.

Neue Spielregeln

Es ist, als hätten sich die USA noch nicht an ihre eigenen neuen Spielregeln gewöhnt. Oder zumindest daran, dass die alten nicht mehr gelten. Bis in die 1980er-Jahre schienen in Washington die Karten recht klar verteilt zu sein: Die rechten Republikaner, das waren damals die "Falken". Also die, die im Kalten Krieg eine härtere Gangart gegenüber der Sowjetunion und dem sogenannten Ostblock einlegten.

Nach der Wende in Mittel- und Osteuropa 1989 und dem anschließenden Ende der Sowjetunion war es dieselbe Strömung, die einen Keil ins vereinte Europa treiben wollte. Nicht umsonst schwärmte der frühere US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld von "New Europe", also den osteuropäischen neuen Nato-Staaten, während er über das westliche "Old Europe" verächtlich die Nase rümpfte.

Spätestens mit der Präsidentschaft von Donald Trump hielt in Washington dann der Isolationismus Einzug. Der 2020 abgewählte Präsident, der Diplomatie verachtet und sowohl im Business als auch in der internationalen Politik nur das Recht des Stärkeren kennt, wirft immer noch einen Schatten auf sein Land. Solange seine Getreuen dafür sorgen, dass das so bleibt, werden die USA auch unter dem Demokraten Joe Biden weitertorkeln. Und Kreml-Chef Wladimir Putin wird es recht sein. (Gerald Schubert, 5.10.2023)