Frau schwimmt unter Wasser in einem Hallenbad.
Schwimmtraining kann anfangs frustrierend sein. Man kommt leicht außer Atem und hat das Gefühl, man braucht ewig für jede Bahn. Doch es lohnt sich dranzubleiben.
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"Wenn ich ins Wasser springe und schwimme, wird mein Kopf nach ein paar Minuten völlig leer. In den ersten Minuten drehen sich meine Gedanken noch um alltägliche Dinge oder was mich gerade beschäftigt. Doch danach sind sie alle verschwunden. Ich denke an nichts mehr, und das ist so befreiend", erzählt Hannah Malits, Schwimmtrainerin und ehemalige Leistungsschwimmerin aus Wien.

An nichts denken und von nichts abgelenkt zu werden, das ist für sie das Besondere am Schwimmen. Denn im Wasser kann man nicht Podcast oder Musik hören, keine Whatsapp-Nachricht lesen oder die Landschaft beobachten. Beim Schwimmen gibt es nur den eigenen Körper und das Wasser. In der Fachsprache wird dieser Zustand des An-nichts-Denkens auch Flow genannt – und diesen Zustand finden viele Menschen sehr entspannend.

"Flow entsteht, wenn wir uns in eine Aktivität so vertiefen, dass wir die Zeit vergessen und jegliche ablenkende Gedanken ausblenden", erklärt Laura Stoiber, Klinische Psychologin aus Wien. "Das bringt im Normalfall positive Emotionen wie Zufriedenheit, Glück und das Gefühl von mehr Wohlbefinden."

Im Sommer fällt der Sprung ins kühle Nass dabei leicht, man ist ohnehin auf der Suche nach Abkühlung. In dieser Zeit beginnen die meisten mit einem professionellen Schwimmtraining, erzählt Malits: "Im Frühling und Sommer melden sich besonders viele Schwimmwillige bei mir. Im Herbst ist die Schwimmfreude viel weniger stark ausgeprägt." Was auch durchaus nachvollziehbar ist. Nass ist es dann ja draußen ohnehin, und auch die Schwimmbäder sind nicht gerade dafür bekannt, dass es dort wahnsinnig gemütlich ist. Wer sich jedoch überwindet und das ganze Jahr über krault, tut seinem Körper und der Psyche viel Gutes.

Negative Gedanken wegschwimmen

Denn der Flow-Zustand ist eine echte Wohltat für unsere Psyche. Gerade jetzt, wenn viele negative Nachrichten über den Krieg in Israel, die Inflation oder auch die Klimakrise über uns hereinbrechen, kann etwas Stille im Kopf guttun. Natürlich gelingt es auch bei anderen Sportarten oder monotonen Tätigkeiten, seine Gedanken völlig auszuschalten. Doch wenn dann das Handy klingelt, die Push-Nachricht reinkommt oder auch die Kinder zu streiten beginnen, ist man sehr schnell wieder im Hier und Jetzt. Beim Schwimmen ist das anders. "Wir sind im Alltag von so vielen Eindrücken und Einflüssen umgeben. Im Wasser haben wir die Chance, alle äußeren Eindrücke abzuschalten und uns bewusst auf uns zu fokussieren", sagt Kathrin Seufert, Sportpsychologin aus Bremen.

Und wer den Flow beim Schwimmen erreicht, profitiert auch von den gesundheitlichen Vorteilen, die Bewegung im Allgemeinen mit sich bringt. Stoiber weiß: "Besonders Ausdauersport setzt Endorphine und Serotonin frei, die wirken stressabbauend. Regelmäßiges Training fördert also ein glücklicheres und ausgeglicheneres Gefühl, und das wirkt sich wieder positiv auf Beruf und Alltag aus." Zusätzlich werden das Herz-Kreislauf-System und die Muskeln gestärkt sowie Stoffwechsel und Fettverbrennung angeregt.

Fast wie Meditation

Trotzdem können nicht alle sofort ins Wasser springen, etliche Bahnen schwimmen und den Flow-Zustand erreichen. Denn Fakt ist: Es gibt sehr viele Erwachsene, die gar nicht schwimmen können. Laut dem Kuratorium für Verkehrssicherheit sind das in Österreich rund 452.000 Erwachsene – also etwa jeder beziehungsweise jede Zwanzigste. Das muss aber nicht so bleiben, denn Schwimmen kann man in jedem Alter erlernen. Schwimmtrainerin Malits erzählt: "Bei meinen Schwimmkursen kommen etwa 80 Prozent der Anmeldungen von Erwachsenen, die nicht schwimmen können." Es kostet dabei einige Überwindung, sich zu einem Kurs anzumelden. "Wer es nie gelernt hat, hat meistens auch große Angst davor", weiß die Schwimmerin. Es geht also nicht gleich um das Bahnenziehen, zuerst einmal muss man die Angst vor dem Wasser verlieren.

Aber auch Erwachsene, die mit dem nassen Element umgehen können, wollen immer öfter mehr lernen. Denn wer im Volksschulalter den Freischwimmer gemacht hat, hat nicht automatisch auch den besten Schwimmstil. Um den zu verbessern oder gleich eine ganz neue Technik wie etwa Kraulen zu erlernen, braucht man viel Zeit und Übung. Sportpsychologin Seufert weiß: "Gerade zu Beginn kann Schwimmen sehr frustrierend sein. Es geht einem schnell die Puste aus, und von dem versprochenen Flow-Zustand fehlt auch jede Spur."

Auch das ist ein Grund, warum viele spätestens im Herbst wieder auf andere Sportarten ausweichen. Aber gerade dann heißt es dranbleiben. Das kann leichter gelingen, wenn man etwa ein Schwimmtagebuch führt, sagt Seifert: "Wir neigen häufig dazu, eigene Erfolge nicht wahrzunehmen." Wer jedoch genau aufschreibt, wie viel man beim Training geschafft hat, kann sich diese Erfolge nach ein paar Wochen in Erinnerung rufen. Auch Wochenziele könnte man aufschreiben und kontrollieren. "Wer immer wieder innehält und zurückblickt, kann seine Erfolge viel besser wahrnehmen und sich darüber freuen."

Wie lange es dauert, bis man die Schwimmtechnik, egal ob Kraulen, Brust- oder Rückenschwimmen, richtig gut beherrscht, ist ganz individuell. Schwimmprofi Hannah Malits erzählt: "Viele meiner Schwimmschülerinnen und Schwimmschüler fragen mich, wie sie bemerken, dass sie es richtig machen. Ich antworte darauf immer, dass der Zeitpunkt dann gekommen ist, wenn sie an nichts mehr denken müssen. Dann sind sie genau an dem Punkt, an dem Schwimmen auch den meisten Spaß macht. Es wird dann zu etwas Meditativem, das man nicht mehr missen möchte." (Jasmin Altrock, 16.10.2023)