Zwei Holzarbeiter vor dem rauchenden Regenwald.
Große Teile des brasilianischen Regenwalds mussten in den vergangenen Jahren für Agrarprodukte Platz machen.
EPA/Raphael Alves

In ihrem Gastbeitrag erklären Armin Schwabl und Katharina Gradischnig, wie die Einfuhr von Produkten aus fragwürdiger Herkunft zukünftig geahndet werden soll.

Kleidung aus menschenunwürdigen Fabriken in Bangladesch oder Kakao von entwaldeten Flächen in Südamerika: Sollen für Menschenrechtsverstöße und Umweltsünden nur die Produzenten vor Ort einstehen? Oder auch jene Unternehmen, die die Produkte in der EU verkaufen? Diese sogenannte Lieferkettenproblematik wird seit Jahren angeregt diskutiert. Nach und nach treten nun erste Gesetze in Kraft.

Auf EU-Ebene wird aktuell eine oft als "EU-Lieferkettengesetz" bezeichnete Richtlinie verhandelt. In Deutschland ist bereits Anfang 2023 das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Kraft getreten. Bisher weniger beachtet wurde die Entwaldungsverordnung der EU ("Deforestation Regulation"), die dieses Jahr im Amtsblatt der EU kundgemacht wurde und (großteils) ab 30. 12. 2024 anwendbar sein wird.

Die Entwaldungsverordnung soll dafür sorgen, dass gewisse Rohstoffe – Rinder, Kakao, Kaffee, Ölpalme, Kautschuk, Soja und Holz – sowie gewisse daraus hergestellte Erzeugnisse – wie Rindfleisch, Möbel oder Schokolade – nicht zur Entwaldung und Waldschädigung beitragen. Dementsprechend normiert die Verordnung strenge Pflichten für Unternehmen, die derartige Rohstoffe oder Erzeugnisse in die EU importieren oder hier verkaufen.

Grundstücke lokalisieren

Ab 2025 dürfen die relevanten Produkte nur noch auf den europäischen Markt gelangen, wenn sichergestellt ist, dass sie "entwaldungsfrei" sind, sie also von Flächen stammen, die nicht nach dem Stichtag (31. Dezember 2020) entwaldet wurden. Außerdem sollen die Produkte in der EU nur vertrieben werden, wenn die Gesetze in ihren Herkunftsländern eingehalten wurden – etwa Steuer-, Antikorruptions- und Arbeitnehmerschutzvorschriften.

Die Deforestation Regulation gilt grundsätzlich für alle Unternehmen, die die relevanten Produkte in der EU in Verkehr bringen, sei es als Hersteller, Importeur oder Händler. Verpflichtet sind auch Unternehmen, die Produkte von Europa aus weiterverkaufen.

Konkret wird eine "Sorgfaltspflicht" in Bezug auf jedes relevante Produkt normiert: Unternehmen müssen etwa Informationen über das Herkunftsland und alle Lieferanten der Lieferkette sammeln und sämtliche Grundstücke lokalisieren, auf denen die Rohstoffe erzeugt werden. Auf Basis dieser Informationen sollen die Unternehmen dann eine Risikobewertung durchführen.

Erklärung an EU-Kommission

In Verkehr bringen dürfen die Unternehmen die Produkte in der EU nur dann, wenn kein oder nur ein vernachlässigbares Risiko besteht, dass diese nicht entwaldungsfrei sind oder bei ihrer Erzeugung gegen nationale Vorschriften verstoßen wurde. Das Ergebnis der Risikobewertung mitsamt dem Erzeugerland, den geolokalisierten Erzeugungsgrundstücken und weiteren Angaben müssen die Unternehmen in einer Sorgfaltserklärung dokumentieren und über ein Informationssystem an die EU-Kommission übermitteln.

Einige Erleichterung gibt es für Klein- und Mittelbetriebe (KMUs) und Unternehmen auf nachgelagerten Vertriebsstufen. So dürfen sich KMUs etwa auf die bereits von ihren Zulieferern durchgeführten Prüfungen verlassen und müssen keine eigene Sorgfaltserklärung übermitteln. Auch Unternehmen der nachgelagerten Lieferkette können unter gewissen Voraussetzungen in ihren Sorgfaltserklärungen auf die bereits übermittelten Sorgfaltserklärungen ihrer Zulieferer verweisen; dabei bleiben sie allerdings für die Konformität ihrer Produkte verantwortlich.

Hohe Strafen bei Missachtung

Der hohe Strafrahmen bei Verstößen zeugt von der Bedeutung der Verordnung für die EU. Der Höchstbetrag der Geldstrafen, welche im nationalen Recht festzulegen sind, muss mindestens vier Prozent des jährlichen unionsweiten Umsatzes des Unternehmens betragen. Darüber hinaus sind etwa ein Ausschluss von Vergabeverfahren und ein vorübergehendes Import- bzw. Verkaufsverbot möglich.

Die Umsetzung der Deforestation Regulation wird bei vielen Unternehmen zu Handlungsbedarf führen. Insbesondere wird zu klären sein, ob bzw. mit welchen Produkten ein Unternehmen von den Regelungen betroffen ist, über welche Lieferanten allfällige relevante Produkte bezogen und wo genau (Grundstück) sie hergestellt werden.

Etliche Fragen zur Umsetzung der Sorgfaltspflichten sind derzeit noch nicht klar zu beantworten. Reicht es etwa aus, sich auf die Infos der eigenen Lieferanten zu verlassen, oder müssen Unternehmen Nachweise sammeln? Infrage kommen etwa der Abgleich von Satellitenbildern, steuerbehördliche Bescheinigungen und Audits vor Ort. Im Hinblick auf das Inkrafttreten in 15 Monaten und die potenziell hohen Strafen sollten sich Unternehmen rechtzeitig damit auseinandersetzen. (Armin Schwabl, Katharina Gradischnig, 10.10.2023)