Jarosław Kaczyński
Seine Partei Recht und Gerechtigkeit wird wohl nicht mehr regieren: Parteichef Jarosław Kaczyński.
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Nahezu für jede Partei in Europa wäre es ein triumphales Ergebnis: Laut Prognosen darf die nationalkonservative polnische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nach der Parlamentswahl vom Sonntag mit etwa 37 Prozent der Stimmen rechnen. Als klaren Regierungsauftrag sieht das aber nicht einmal die PiS selbst. Sogar ihr Chef Jarosław Kaczyński, der als verbissener und zäher Machtpolitiker bekannt ist, erklärte noch am Wahlabend, die Partei wolle ihren bisherigen Weg zwar fortsetzen – aber wenn nötig eben auch in der Opposition.

An sich selbst gescheitert

Selbst wenn am Montag noch kein Endergebnis vorlag, ja selbst wenn eine Übernahme der Regierungsgeschäfte durch die liberale Bürgerkoalition (KO) von Ex-Premier Donald Tusk noch viele Wochen auf sich warten lassen könnte: Eine Partei wie die PiS, die nach zwei Legislaturperioden an der Macht immer noch mit einem Ergebnis weit über 30 Prozent auf Platz eins liegt und trotzdem einbekennen muss, dass sie wohl keine Regierungsmehrheit zustande bringt, ist letztlich an sich selbst gescheitert.

Erfolgreiche Politik setzt in Demokratien doch ein Mindestmaß an Kommunikation mit Andersdenkenden voraus. Genau dazu aber war die PiS in den vergangenen Jahren immer weniger fähig. Vor allem durch den Umbau der Justiz und die Umfunktionierung der öffentlich-rechtlichen Medien zu Propagandasprachrohren der Regierung beschnitt sie wichtige Korrektive, die letztlich auch für die Stabilität des Staatsganzen sorgen. Damit kann man nicht nur Wählerinnen und Wähler vergraulen, sondern – sollte es mit der absoluten Mehrheit mal nicht klappen – auch potenzielle Regierungspartner.

Allzu oft hat die PiS gezeigt, was sie von einem vernünftigen politischen Diskurs hält: nicht viel bis gar nichts. Parteichef Kaczyński, in der Regierung nur Vizepremier, aber der mächtige Mann hinter den Kulissen, hat den liberalen Tusk sogar als "Personifizierung des Bösen" bezeichnet. Der ehemalige EU-Ratspräsident wurde dabei abwechselnd als willfähriger Handlanger Brüssels, Berlins oder sogar Moskaus dargestellt.

Dass vor allem Letzteres im Verbund mit den ersten beiden Vorwürfen nur mit sehr abstrakt blühender Fantasie vorstellbar wäre, kümmert die PiS nicht. Ihr geht es vor allem darum, sich als Retterin der polnischen Souveränität zu präsentieren. Wer dabei nicht genau in ihrer Spur läuft, ist eben ein "Verräter".

Internationaler Isolationismus

Hier spiegelt sich der internationale Isolationismus in jenem, durch den sich die PiS auch in Polen selbst eingeigelt hat. Dass etwa das Verfassungsgericht nach dem Umbau durch die PiS erklärte, über der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu stehen, war letztlich Ausdruck der mangelnden Bereitschaft, Meinungsverschiedenheiten innerhalb der gemeinsamen Strukturen der EU auszutragen. Genauso, wie die PiS so manche Institution so weit verbog, dass diese auch im Land selbst möglichst nur den eigenen Interessen diente statt den gemeinsamen.

All das ist keine gute Referenz, wenn man sich in der Politik nach Partnern umsieht. Tusk, einst Chef der Europäischen Volkspartei, dürfte keine Probleme haben, mit seiner KO eine liberale Koalition zu schmieden – auch mit Linken. Die tiefen und breiten Gräben rund um die PiS aber, die haben Kaczyński und seine Leute ganz alleine gegraben. (Gerald Schubert, 16.10.2023)