Grundstückskäufe und Umwidmungen bringen die Wiener SPÖ weiter in die Bredouille. Ungemütlich wurde es am Montag für sie nicht nur wegen einer Sondersitzung des Gemeinderats zu umstrittenen Kleingartenkäufen durch einen roten Bezirkschef und drei Parteikolleginnen. Sondern auch, weil ein neues Geschäft bekannt wurde, das Fragen aufwirft.

Frage: Worum geht es im neuen Fall?

Antwort: Die Stadt Wien verkaufte im Jahr 2011 ein 1500 Quadratmeter großes Grundstück am Flötzersteig 225 in Penzing zum Schnäppchenpreis von 370.000 Euro an einen Mann mit guten Kontakten zur Wiener SPÖ. Dieser veräußerte es sechs Jahre später mit der Aussicht auf Umwidmung und 290.000 Euro Gewinn an ein Immobilienunternehmen. Das berichteten Ö1 und Wiener Zeitung. Der Mann ist Thomas Weninger, lange hoher Beamter im Wiener Rathaus und seit 2006 Generalsekretär des Städtebunds, als dessen Präsident Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) fungiert. Weninger soll laut Kaufvertrag von 2017 bereits eine Umwidmung der Parzelle angestoßen haben, die diese für Bauträger erst interessant und den Verkauf lukrativer machte. Die Umwidmung, die die bebaubare Fläche verdoppelt habe, sei 2019 vom Gemeinderat beschlossen worden, der Verkauf 2011 zusätzlich einstimmig vom Stadtsenat.

Frage: Was sagen Ludwig und Weninger zu der Causa?

Antwort: Bürgermeister Michael Ludwig wollte sich auf STANDARD-Anfrage nicht zur Causa äußern. Die Magistratsabteilung 69 (MA 69 – Immobilienmanagement) rechtfertigte den Verkauf an Weninger vor Ö1 und Wiener Zeitung damit, dass kein anderer Interessent gefunden werden konnte. 2008 sei die Liegenschaft in einem Bieterverfahren der Öffentlichkeit angeboten worden, für mindestens 490.000 Euro – ohne Erfolg. Deshalb habe man direkt an Weninger verkauft.

Michael Ludwig und Thomas Weninger bei einem Medientermin im Wiener Rathaus, wo sich ihre jeweiligen Büros befinden.
IMAGO/SEPA.Media

Der erklärte, er habe dort ein Einfamilienhaus zur eigenen Nutzung bauen wollen und in Zusammenhang mit dem Grundstück "zu keiner Zeit mit Politikern gesprochen". Die Parzelle habe er noch mit alter Widmung verkauft, eine Änderung nie angestrebt. Und: Der Rechnungshof habe bei einer Prüfung der Grundstücksverkäufe keinen Anlass für Kritik gesehen.

Frage: SPÖ-Chef Andreas Babler erklärte bereits rund um die Causa Kleingärten, er dulde es nicht, wenn der Eindruck entstehe, dass es sich gewisse Personen durch politische Kontakte richten könnten. Wie sieht er den Fall Weninger?

Antwort: Seitens der Bundespartei heißt es zum STANDARD, dass man keinen Kommentar dazu abgebe. Nachsatz: "Dass der Fall lückenlos aufgeklärt werden muss, steht außer Frage." Die Wiener Landesparteisekretärin Barbara Novak will sich ebenso wenig äußern.

Frage: Worum geht es noch mal in der Causa Kleingärten?

Antwort: Ins Rollen kam die Sache mit Ernst Nevrivy, roter Bezirksvorsteher in der Donaustadt. Er kaufte 2020 eine Parzelle in einer Kleingartensiedlung im 22. Bezirk an einem schönen See. Damals war dort nur eine Hütte erlaubt. Laut Kaufvertrag zahlte Nevrivy 161.700 Euro – 420 Euro pro Quadratmeter. Etwa ein Jahr später beschloss der Gemeinderat eine Umwidmung zum Baugrund, die Parzelle ist heute mindestens das Doppelte wert.

Aber Nevrivy ist nicht alleine: Mariahilfs Vize-Bezirksvorsteherin Julia Lessacher, Gemeinderätin Astrid Rompolt und Nationalratsabgeordnete Petra Bayr kauften schon lange vor ihm Kleingärten zum günstigen Quadratmeterpreis von 380 Euro.

Frage: Wie reagiert die Opposition?

Antwort: In der Sondersitzung des Gemeinderats prangerte Grünen-Klubchef David Ellensohn an, dass die Stadt "allen und nicht nur dem SPÖ-Freundeskreis" gehöre. Man habe verschiedene interne Prüfungen beauftragt. Auch die interne Revision sei eingeschaltet worden. Für ÖVP-Chef Karl Mahrer geht es um den Verdacht der Begünstigung in eigener Sache: Es gehöre in der SPÖ offenbar dazu, dass man sich gegenseitig einen Gefallen tue. FPÖ-Obmann Dominik Nepp zeigte sich erstaunt, dass viele nun überrascht seien. In Wien sei es gang und gäbe, dass man mit den richtigen Kontakten zur SPÖ vieles bekomme. Deutlich wurde auch Ludwigs kleiner Koalitionspartner, die Neos: "Ich sehe, dass in diesem Umfeld einiges stinkt", sagte der pinke Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr am Montag vor Journalisten.

Frage: Hat die Causa Kleingärten auch ein rechtliches Nachspiel?

Antwort: Bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ist bereits im September eine Anzeige gegen eine Person eingegangen – ein Name wurde nicht genannt. Die betreffende Anzeige wurde zuständigkeitshalber an die Staatsanwaltschaft Wien abgetreten, heißt es nun auf Nachfrage. In Wien wird nun geprüft, ob die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnimmt. (Oona Kroisleitner, Stefanie Rachbauer, 16.10.2023)