Seitenansicht eines Ameisenlöwen
Seitenansicht eines Ameisenlöwen. Dieses Exemplar war etwa sechs bis sieben Millimeter groß. (Belichtungszeit 1/100 Sek., Blende f11, Lichtempfindlichkeit ISO 1000, Brennweite 60 mm Makro, Crop)
Michael Simoner

Haben Sie schon ein Halloween-Kostüm? Wie wäre es mit einer Verkleidung als Ameisenlöwe oder Ameisenlöwin? Dieses Tier sieht nicht nur aus, als käme es direkt aus der Geisterbahn im Wiener Wurstelprater. Es hat auch eine schaurige Art, Futter aufzutreiben. Aber es gibt auch eine zauberhafte Verwandlung.

Mit dem Schneiderhandwerk kenn ich mich nicht so gut aus, aber Halloweenfans laufen ja als Spinnen, Skelette oder Fledermäuse herum, also sollte auch eine Ameisenlöwenkluft machbar sein. Was wir brauchen, ist eine graubräunliche Hülle. Dazu sechs Beine, immerhin sind wir ein Insekt, genauer einer Larve. Das mittlere Beinpaar sollte viel länger sein als die anderen Haxen. Reichlich Borstenbüschel auf dem Rücken wären auch nicht schlecht. Und dazu ordentliche Kieferzangen, die wir in zulässiger Ungenauigkeit auch wie Teufelshörner auf dem Kopf tragen können. Perfekt!

Wer andern eine Grube gräbt

Ameisenlöwen (Myrmeleon formicarius) verbringen ihr Leben mit Fressen. Sie sind so gute Futterverwerter, dass sie nicht einmal aufs Klo müssen. Ihre Beute fangen sie nach dem Motto "Wer andern eine Grube gräbt". Allerdings fallen sie nicht selbst hinein, sondern sitzen schon drinnen. In einem sandigen Blumenbeet im Südburgenland beobachte ich schon länger etliche solcher Gruben nebeneinander. Manche Trichter haben einen Durchmesser von nur einem Zentimeter, andere sind fünf mal so große Krater. Das Szenario gleicht einer Mondlandschaft.

Die Trichterfallen sind so clever gebaut, dass hineingefallene Ameisen oder andere winzige Insekten es nicht mehr schaffen, den steilen Abhang emporzuklettern, weil Sand nachrieselt. Unten lauert der eingegrabene Ameisenlöwe, nur die beiden Kieferzangen lugen heraus. Die Beute wird gepackt, mit Gift getötet und ausgesaugt. Seine Falle hält der Ameisenlöwe peinlich sauber. Unser Fotoexemplar schleuderte Steinchen, die der Wind in die Grube hineingeweht hatte, bis zu zehn Zentimeter weit aus seiner Falle. Umso erstaunter war ich, dass der kleine Kerl nur etwa sechs, sieben Millimeter groß war. Als er sich aus der Deckung wagte und ein kleines Stück des Beetrandsteines überquerte, konnte ich ihn ablichten. Als Ganzes sieht man den Ameisenlöwen sehr selten.

Die Schöne aus dem Biest

Die gruselige Lebensweise, die schon Vorbild für biblische Ungetüme und filmische Monster war, hält der Ameisenlöwe zwei Jahre durch. Dann geschieht etwas Wunderbares: die Metamorphose. Das Biest verpuppt sich und heraus kommt die Schöne. Sie trägt den Namen Ameisenjungfer (Myrmeleontidae). Die Imago des Fluginsektes gehört zur Familie der Netzflügler und ist eine Verwandte der Florfliege. Mit einer Ameisenjungfer kann ich leider nicht aufwarten, aber hier gibt es ein Foto. Ihre Eier legt die Ameisenjungfer wieder direkt in den Sand, wo die Larven schlüpfen – die Rückkehr des Ameisenlöwen ist unausweichlich. Seltsam? Aber so steht es geschrieben ... (Michael Simoner, 25.10.2023)

Ein Ameisenlöwe von oben
Das mittlere von drei Beinpaaren ist länger. Damit bewegt sich der Ameisenlöwe ruckartig fort, so ähnlich wie ein Ruderboot. (1/100 Sek., f11, ISO 560, 60 mm Makro, Crop)
Michael Simoner
Erdtrichter von Ameisenlöwen
Die Trichterfallen der Ameisenlöwen erinnern an eine Mondlandschaft. (1/100 Sek., f11, ISO 900, 60 mm Makro, Crop)
Michael Simoner
Ein Ameisenlöwe von vorne
Die kräftigen Kieferzangen des Ameisenlöwen sind auch Giftspritzen. (1/200 Sek., f9, ISO 2200, 60 mm Makro, Crop)
Michael Simoner
Ein Ameisenlöwe von der Seite
Kaum zu glauben, dass der Ameisenlöwe nach der Verpuppung zur geflügelten Ameisenjungfer wird. (1/320 Sek., f8, ISO 1000, 60 mm Makro, Crop)
Michael Simoner