Geld Schiffchen
Vor zwei Jahren wurden fraglichen blaue Geldflüsse bekannt.
der Standard

Am kommenden Dienstag jährt sich der Rücktritt der damaligen Spitze der Grazer FPÖ zum zweiten Mal. Was als Knalleffekt begann, hat sich zu einer politisch brisanten Causa entwickelt – und zu einem langatmigen Verfahren. Zum Jahrestag hier einige Antworten auf häufig gestellte Fragen.

Frage: Am 31. Oktober 2021 traten der damalige FPÖ-Vizebürgermeister Mario Eustacchio und der damalige Klubchef Armin Sippel zurück. Warum eigentlich?

Antwort: Die vorangegangene blaue Wahlschlappe im September war nicht der Grund. Vielmehr wurden im Oktober durch Medienberichte fragwürdige finanzielle Zuwendungen an die beiden Politiker sowie ungeklärte Geldflüsse von und zu Vereinen ruchbar. Es ging um Geld aus der durch Steuergelder finanzierten Klubkasse. Allein an Eustacchio sollen dabei jährlich 50.000 Euro zusätzlich zu seiner Gage gegangen sein. Sippel war beim FPÖ-nahen steirischen Verlagsverein angestellt. Ein Whistleblower hatte Medien die Finanzunterlagen einiger Jahre dieses Klubs zukommen lassen. Beim Rücktritt versprach Eustacchio volle Kooperation zur Aufklärung.

Frage: Haben sich die beiden Politiker selbst gestellt?

Antwort: Keineswegs, sie legten nur sämtliche politische Funktionen nieder. Ein anderer erstattete aber Selbstanzeige: Der ehemalige FPÖ-Klubdirektor Matthias Eder tat dies am 5. November 2021. Dass er ein Bauernopfer gewesen sein soll, wies die Partei stets vehement zurück.

Frage: Gegen wie viele Beschuldigte wird in der Causa ermittelt?

Antwort: Gegen sieben Personen. Unter ihnen sind neben Eustacchio und Sippel auch der FPÖ-Landesparteichef und Ex-Verteidigungsminister Mario Kunasek.

Frage: Was hat der Landesparteichef mit der Causa zu tun?

Antwort: Kunasek, der stets betonte, alles tun zu wollen, um die Causa rasch aufzuklären, und mehrere Gutachter mit der Prüfung der Finanzen beauftragte, wird verdächtigt, falsche Beweismittel vorgelegt und falsch ausgesagt zu haben. Zudem soll ihn ein ehemaliger Gemeinderat in einer Klubsitzung als Mitwisser belastet haben. All das dementiert Kunasek. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Frage: Nach welchen anderen Paragrafen wird ermittelt?

Antwort: Wegen des Verdachts der Veruntreuung, des Betrugs, der Untreue, des Fördermissbrauchs und der NS-Wiederbetätigung. Das letzte Delikt betrifft zwei nicht prominente Beschuldigte, bei denen im Zuge von Hausdurchsuchungen auch einschlägige Beweismittel gefunden worden sein sollen.

Frage: Wann fanden die Hausdurchsuchungen statt, und was fand man bei ihnen sonst noch?

Antwort: Im Oktober 2022 ordnete die Staatsanwaltschaft Klagenfurt bei sechs Personen sowie bei FPÖ-nahen Vereinen und Burschenschaften Hausdurchsuchungen an. Mit Stand 27. Oktober 2023 ist deren Auswertung laut der Staatsanwaltschaft Klagenfurt immer noch nicht abgeschlossen.

Frage: Warum ermittelt überhaupt die Staatsanwaltschaft Klagenfurt in einer steirischen Causa?

Antwort: Die Staatsanwaltschaft Graz gab den Fall nach sechs Monaten, im Mai 2022, an die Kollegen in Klagenfurt wegen Befangenheit ab.

Frage: Wie ging es seit Oktober 2021 mit Stadt-FPÖ und Klub weiter?

Antwort: Nach der Selbstanzeige von Eder, die am 8. November publik wurde, übernahm Stadträtin Claudia Schönbacher als Obfrau die Stadtpartei. Sie wurde mit Alexis Pascuttini, der neuer Klubchef wurde, am 17. November 2021 angelobt. Im Mai 2022 schlossen sie sich außerdem als Geschädigte dem Verfahren an. Schönbacher und Pascuttini machten auch parteiintern Druck, die Causa aufzuklären. Als bekannt wurde, dass mit dem Gemeinderat Roland Lohr ein Mann in ihren Reihen saß, der in der fraglichen Zeit selbst Finanzprüfer war, schlossen sie ihn aus dem Gemeinderatsklub aus.

Frage: Warum wurden sie dann selbst aus der FPÖ ausgeschlossen?

Antwort: Weil Kunasek und auch Bundesparteichef Herbert Kickl den Ausschluss von Lohr nicht akzeptieren wollten. Stattdessen wurden Schönbacher und Pascuttini sowie Gemeinderat Michael Winter und Gemeinderätin Astrid Schleicher im Oktober 2022 alle aus der FPÖ ausgeschlossen. Sie gründeten daraufhin gemeinsam den Korruptionsfreien Gemeinderatsklub Graz (KFG). In der FPÖ blieb ein einziger Gemeinderat, der heute ohne Klub im Rathaus sitzt.

Frage: Und wer übernahm die FPÖ Graz?

Antwort: Als neuer Stadtparteichef wurde der umstrittene Nationalratsabgeordnete und Freund von Eustacchio, Axel Kassegger, im März 2023 eingesetzt. Ein ehemaliger parlamentarischer Mitarbeiter von ihm war unter Eustacchio auch Gemeinderat gewesen.

Frage: Ist der KFG-Klub noch Privatbeteiligter im Verfahren?

Antwort: Nein. Nachdem die FPÖ diesen Umstand immer wieder kritisiert hatte, wurde der KFG im Mai 2023 aus dem Verfahren ausgeschlossen. Alexis Pascuttini erhob dagegen Einspruch und bekam vom Landesgericht Klagenfurt im Juli recht. Doch die Staatsanwaltschaft Klagenfurt legte Beschwerde gegen die Entscheidung des Gerichts ein. Nun liegt die Causa seit August beim Oberlandesgericht Graz. Dort rechnet man mit Stand 27. Oktober mit einer Entscheidung "noch dieses Jahr".

Frage: Was hat sich sonst noch in der Causa getan?

Antwort: Ein ehemaliger Kassier des FPÖ-nahen Freiheitlichen Akademikerverbands (FAV) sagte im Juni bei der Kripo in Klagenfurt aus, dass eine Firma 160.000 Euro an den FAV überwiesen habe, die er nicht habe zuordnen können. Der FAV war einst Inhaber des rechtsextremen und 2018 eingestellten Magazins Aula und ist auch am rechtsextremen Freilich -Magazin beteiligt. Dessen Geschäftsführer ist der Ex-FPÖ-Gemeinderat Heinrich Sickl. Freilich ist auch ein mediales Flaggschiff gegen Corona-Maßnahmen. Die Firma, von der das Geld mutmaßlich kam, soll ihr Geld unter anderem ausgerechnet mit Corona-Tests verdient haben. Der Ex-Kassier des FAV war inzwischen beim KFG beschäftigt gewesen. Dieser warf ihn aber hinaus, nachdem er sich durch die Aussage bei der Kripo selbst belastet hatte.

Frage: Wurden die Ermittlungen zum FPÖ-Graz-Spesenskandal nach der Aussage des Ex-Kassiers auf den Freiheitlichen Akademikerverband Steiermark (FAV) ausgeweitet?

Antwort: Laut Staatsanwaltschaft Klagenfurt wird die Ausweitung derzeit geprüft.

Frage: Der FAV ist eng mit Burschenschaften verwoben. Inwieweit sind die Grabenkämpfe zwischen FPÖ und KFG auch jene zwischen Korporierten und Nichtkorporierten?

Antwort: Das hat damit nichts zu tun. Sowohl auf der einen als auch auf der anderen Seite gibt es etwa mit Eustacchio, Kassegger, Sickl und Eder, aber auch mit Pascuttini Korporierte.

Frage: Mario Kunasek wurde im Zuge der Ermittlungen schon im April dieses Jahres vom steirischen Landtag ausgeliefert, damit man auch gegen ihn, der ja als Abgeordneter Immunität genießt, ermitteln kann. Ist er schon einvernommen worden?

Antwort: Nein. Auf Nachfrage des STANDARD bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt heißt es seitens der Behörde: "Mario Kunasek wurde noch nicht einvernommen. Die Einvernahme ist für Anfang November 2023 festgelegt, wobei er voraussichtlich inhaltlich keine Stellungnahme nehmen möchte."

Frage: Gibt es nach zwei Jahren Ermittlungen schon Anklagen?

Antwort: Nein, keine einzige. Die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper brachte im August eine parlamentarische Anfrage zu der Causa bei Justizministerin Alma Zadić ein. Krisper kritisiert die Verfahrensdauer: "Es schädigt das Vertrauen der Menschen in den Rechtsstaat, wenn Ermittlungen gegen Politiker derart schleppend verlaufen."

Frage: Um wie viel Geld geht es bis jetzt insgesamt?

Antwort: Bisher soll es um rund knapp zwei Millionen Euro insgesamt gehen. Doch allein Eder, Sippel und Eustacchio sollen 195 Bankkonten zugeschrieben werden.

Frage: Wie viele Konten wurden im Zuge der Ermittlungen bisher geöffnet?

Antwort: Laut Staatsanwaltschaft Klagenfurt wurden bisher elf Konten geöffnet – im Zeitraum vom Sommer 2022 bis Sommer 2023. (Colette M. Schmid, 27.10.2023)