Gelbe Pipelines.
Die österreichische Gasversorgung steht seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine regelmäßig im Fokus (Symbolbild).
REUTERS/MAXIM SHEMETOV

Kiew/Wien – Die Ukraine wird ab 2025 kein russisches Erdgas mehr Richtung Westen durchleiten. Das sagte der Chef des staatlichen ukrainischen Energiekonzerns Naftogaz, Olexij Tschernyschow, in einem Interview mit dem US-Auslandssender Radio Liberty. Ende 2024 laufe der Transitvertrag mit dem russischen Konzern Gazprom aus. Die Ukraine würde auch schon früher aussteigen, zumal Gazprom für den Transit nicht wie vereinbart zahle, sagte Tschernyschow.

Schon jetzt halte die Ukraine nur am Transit fest, weil mehrere europäische Länder noch auf russisches Gas angewiesen seien. "Wir wollen auch ein zuverlässiger Partner sein für die europäischen Partner, für die Länder, die das brauchen", sagte der Konzernchef. Die Ukraine habe die eigene Gasförderung gesteigert. Sie habe deshalb im kommenden Winter die Chance, erstmals den Bedarf aus eigenen Reserven zu decken, sagte Tschernyschow. Ukrainische Medien zitierten am Sonntag aus dem Interview. Bereits vor Monaten hatten ukrainische Regierungsvertreter wiederholt erklärt, den Vertrag nicht verlängern zu wollen.

Das Transit von russischem Erdgas durch die Ukraine läuft trotz des russischen Angriffskriegs gegen das Nachbarland weiter. Empfänger sind vor allem Länder ohne Zugang zum Meer, die nicht auf Flüssigerdgas (LNG) umstellen können. Ziel der EU ist es, ab 2027 keine fossile Energie mehr aus Russland einzuführen.

E-Control-Expertin Millgramm verweist auf EU-Recht

Nach Ansicht der Gasexpertin Carola Millgramm, Leiterin der Abteilung Gas bei der Energie-Regulierungsbehörde E-Control, würde die Ukraine mit ihrem geplanten Vorgehen gegen EU-Recht verstoßen. "Solange die Leitung da ist und sie funktioniert, ist es auch so, dass Gas über die Ukraine fließen kann, auch russisches Gas fließen kann", sagte sie im Ö1-"Mittagsjournal".

"Die Ukraine möchte ja auch der EU beitreten, das heißt, sie muss sich auch an EU-Recht halten – und im EU-Recht ist es vorgesehen, dass Netzbetreiber, die verfügbare Kapazitäten haben, diese transparent anbieten müssen auf Buchungsplattformen. Das heißt, vielleicht kann die Gazprom Export diese Kapazitäten nicht buchen, aber es können natürlich europäische Gashändler sie auch buchen."

Der frühere E-Control-Vorstand Walter Boltz glaubt jedoch nicht daran, dass ein Gaskäufer bereit wäre, das Kriegsrisiko eines Transports durch die Ukraine in Kauf zu nehmen. "Ich kann mir schwer vorstellen, dass die OMV das tun würde und auch bei anderen Lieferanten halte ich das für ziemlich unwahrscheinlich", sagte Boltz im Gespräch mit dem Ö1-"Mittagsjournal".

Gewessler drängt auf geplanten Ausbau der West-Austria-Gasleitung

Die OMV wollte zur wiederholten Ankündigung der Ukraine nicht konkret Stellung nehmen und verweist lediglich darauf, dass man die Diversifizierung der Bezugsquellen und Transportrouten vorantreibe und die Gasspeicher der OMV voll seien.

Leonore Gewessler schaut links beim Bild raus.
Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) drängt auf den geplanten Ausbau der West-Austria-Gasleitung.
APA/ROLAND SCHLAGER

"Das ist kein Geheimnis, das ist schon länger bekannt", sagte Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) auf Journalistennachfrage bei einem Bahntermin am Montag in Wien. "Was wir heute nicht wissen: welche Auswirkungen das im Detail haben kann in der praktischen und operativen Abwicklung."

Gewessler verweist auf den von der Gas Connect Austria geplanten Ausbau der West-Austria-Gasleitung. Die E-Control hat die zweite Röhre bereits im Sommer genehmigt. "Das muss jetzt gebaut werden", drängt Gewessler. Die Gas Connect Austria sieht jedoch die Finanzierung noch ungeklärt, außerdem würden noch Genehmigungen fehlen. Die ausgebaute Leitung könnte frühestens Mitte 2027 in Betrieb gehen.

Energieexperte Boltz: Infrastruktur "sträflich vernachlässigt"

Energieexperte Boltz meint, dass Österreich auf einen Stopp russischer Gaslieferungen nicht genügend vorbereitet ist. Die Gasspeicher seien zwar praktisch voll, man habe jedoch den Ausbau der Infrastruktur "sträflich vernachlässigt" und sich auch zu wenig um andere Quellen als Ersatz für russisches Gas gekümmert.

Für den Ausbau der Gasleitung gebe es eine Staatsgarantie, die Finanzierung sei also sehr wohl gesichert, meint Boltz. "Wenn man mehr oder weniger umgehend startet, glaube ich, dass man Ende '24 Anfang '25 sehr wohl die Leitung in Betrieb nehmen könnte." Es gehe bei der Investition für die Gas Connect um 200 Millionen Euro, "ein ziemlich überschaubarer Betrag".

SPÖ und Neos werfen der Regierung Versagen bei der Sicherung der Gasversorgung vor. Die FPÖ Niederösterreich sieht "in der heimischen Erdgasgewinnung eine Chance, wieder leistbare und vor allem unabhängige Energie für die eigene Bevölkerung sicherzustellen". (APA, red, 30.10.2023)