Frau sitzt auf Parkbank
Verbraucherinnen und Verbraucher sollen vor Gericht weniger oft allein sein. Ob Österreich die Richtlinie diesen Herbst umsetzt, bleibt offen.
AFP/ANATOLII STEPANOV

Versteckte Zusatzkosten in Fitnessstudios, hohe Bankgebühren oder unzulässige Strompreiserhöhungen: Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher breitflächig benachteiligt werden, stößt der Rechtsschutz in Österreich mitunter rasch an seine Grenzen. Eine neue EU-Richtlinie könnte das System nun zugunsten der Konsumenten revolutionieren. Doch die Regierung ist mit der Umsetzung der Vorgaben stark im Verzug.

Fehlende Sammelklagen

Klassische Sammelklagen wie in den USA, mit denen Verbraucher geschlossen vor Gericht ziehen, gibt es in Österreich bis dato nicht. Derzeit können zwar Organisationen wie der Verein für Konsumenteninformation (VKI) mit Verbandsklagen gegen Vertragsklauseln von Unternehmen vorgehen. Ergeben sich dadurch konkrete Ansprüche – etwa auf die Rückzahlung zu viel bezahlter Gebühren –, müssen diese Ansprüche allerdings einzeln eingeklagt werden. Für Verbraucher ist das nicht nur aufwendig, sondern auch ein Kostenrisiko.

Die neue EU-Richtlinie setzt nun genau dort an, erklärt Lukas Feiler, Rechtsanwalt bei Baker McKenzie. Künftig dürfen Verbraucherorganisationen nicht nur AGB-Klauseln anfechten, sondern auch monetäre Ansprüche gebündelt einklagen. Geplant ist ein sogenanntes Opt-in-Verfahren: Lanciert etwa der VKI eine Klage, können sich einzelne Betroffene dem Prozess anschließen. Der größte Vorteil: Verbraucherinnen wird das Prozesskostenrisiko abgenommen. "Bislang war die Hemmschwelle recht groß. Die Anzahl der Klagen wird also stark zunehmen", ist Feiler überzeugt.

Verfahren gegen Republik

Österreich hätte die EU-Richtlinie bis 25. Juni 2023 umsetzen müssen. Bisher gibt es aber weder einen Parlamentsbeschluss noch einen Gesetzesentwurf der Regierung. Die Europäische Kommission hat gegen Österreich und mehrere weitere Mitgliedsstaaten mittlerweile Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.

Auf STANDARD-Anfrage heißt es aus dem zuständigen Justizministerium, dass sich das "Vorhaben in politischer Abstimmung" befinde und "intensive Gespräche" laufen. Die Koalitionspartner ÖVP und Grüne dürften sich also nach wie vor nicht auf einen gemeinsamen Gesetzesentwurf geeinigt haben.

Unklare Mindestgröße

Grund dafür dürfte nicht zuletzt der große Spielraum bei der Umsetzung der EU-Vorgaben sein. Unklar ist etwa die Mindestgröße der Klägergruppen. In Deutschland müssen sich für die neue Sammelklage nach aktuellem Diskussionsstand mindestens 50 Personen zusammenschließen. In Polen sind es zehn, in Luxemburg sollen schon zwei Verbraucherinnen reichen. "In Österreich wird man sich der Erfahrung nach wohl eher an den 50 Personen orientieren, so wie in Deutschland", glaubt Anwalt Feiler.

Die zweite große offene Frage ist, ob die neue Verbandsklage nur für Rechtsansprüche gilt, die auf EU-Recht basieren, oder auch für Ansprüche, denen rein nationale Gesetze zugrunde liegen. Unklar ist also, ob Österreich über die EU-Mindestvorgaben hinausgeht. "Die wichtigen Dinge sind aber jedenfalls erfasst", sagt Feiler. Schließlich basiert das österreichische Verbraucherschutzrecht zu großen Teilen auf EU-Richtlinien. Erfasst wäre neben dem klassischen Verbraucherrecht etwa auch das Fernabsatzrecht für Onlinebestellungen oder das EU-weite Datenschutzrecht.

Opposition ungeduldig

Die Oppositionsparteien im Parlament drängen auf eine rasche Umsetzung der EU-Vorgaben. Es sei "beschämend, dass die Bundesregierung nicht in der Lage ist, wichtige EU-Richtlinien rechtzeitig umzusetzen", heißt es auf Anfrage des STANDARD bei der SPÖ. Geht es nach den Sozialdemokraten, soll die Verbandsklage schon einer einstelligen Zahl an Klägern offenstehen.

Der FPÖ würde dagegen eine Mindestanzahl von 50 Betroffenen pro Klage reichen, sagt Konsumentenschutzsprecher Peter Wurm. Die Freiheitlichen plädieren dafür, dass die neue Sammelklage auch für rein nationale Rechtsbereiche gelten soll – etwa im Energie- und Mietrecht. Die Neos wünschen sich eine "ausgewogene Umsetzung" und eine "breite Diskussion". (Jakob Pflügl, 1.11.2023)