Manchmal muss man zweimal hinschauen, um zu erkennen, was man sieht. Als wir unlängst wieder einmal am Ufer der Melk entlangspazierten, sahen wir von weitem Enten auf dem Wasser schwimmen. Doch erst als sie näherkamen, merkten wir, dass es sich nicht um Stockenten handelte, die ich erst unlängst hier im Fotoblog vorstellen durfte. Also blieben wir stehen und verhielten uns ruhig. Tatsächlich waren es Gänsesäger, die ruhig gegen die Strömung des langsamen Flusses zogen.
Der Name Gänsesäger mag irreführend klingend, denn eigentlich sind es Entenvögel. Ziemlich große sogar. Falsch ist die Bezeichnung allerdings auch nicht, denn alle Enten gehören in der Systematik zur Ordnung der Gänsevögel. Säger heißt die Gattung, und Gänsesäger ist eben die Art, der wissenschaftliche Name laute Mergus merganser.
Spitze Sägezähne
Als sie sehr nahe waren, konnten wir die spitzen Sägezähne aus Horn im langen Schnabel erkennen. Die Schnabelspitze ist wie ein Haken nach unten gebogen. Ausgestattet mit diesem Werkzeug gehen die Enten unter Wasser sehr erfolgreich auf die Jagd. Sie erbeuten bis zu 15 Zentimeter große Fische. Angler und Fischereibetriebe haben deshalb wenig Freude mit den Vögeln. In manchen Fischrevieren sei der Bestand von Äschen gefährdet heißt es, weil dort Gänsesäger (neben Kormoranen und Fischottern) ihren Appetit auf die Lachsfische stillen. Tierschutzorganisationen wie Birdlife oder der Naturschutzbund wenden aber ein, dass es andere ökologische Gründe für den regionalen Rückgang von Äschen gebe. Auch der künstliche Besatz mit Regenbogenforellen wirke sich beispielsweise negativ aus.
Tatsache ist, dass Gänsesäger streng geschützt sind. Im Winter stehen sie hauptsächlich auf der Gästeliste der Vögel, die aus dem Norden kommend bei uns haltmachen. Es gibt in Österreich aber auch eine wachsende Anzahl von Brutvögeln. Überraschenderweise legen sie ihre Eier in Bruthöhlen, also zum Beispiel in größere Baumhöhlen neben dem Wasser oder in Hohlräume von Brücken. Die Küken haben es besonders eilig. Sind sie aus dem Ei geschlüpft, dauert es nur wenige Stunden, bis sie ins pralle Leben springen. Und das ist buchstäblich gemeint. So ein Sprung aus dem Nest kann zehn Meter oder mehr in die Tiefe gehen – kein Problem für die Federbällchen. In den ersten Wochen im Wasser sind sie oft Passagiere auf dem Rücken der Mutter.
Schon im Prachtkleid
Das Trio, das wir beobachteten, bestand aus zwei Männchen und einem Weibchen. Da Gänsesäger wie viele Vögel schon jetzt ihr Prachtkleid für die Balz angelegt haben, waren die Geschlechter leicht zu unterscheiden. Männchen haben einen schwarzgrün glänzenden Kopf und mehr strahlende Weißanteile im Gefieder, bei Weibchen sind Kopf und Schopf braun, der Rest ist größtenteils grau.
Als wir dachten, sie seien schon längst weg, kamen die Gänsesäger schnell schwimmend zurück und nahmen Anlauf für einen Start. Die kräftigen Schwingen brachten die bis zu zwei Kilo Lebendgewicht schnell aus dem Wasser. Bevor sie Richtung Donau davondüsten, zogen sie eine Runde über unsere Köpfe. Als ob sie noch einen zweiten Blick auf die seltsamen Lebewesen werfen wollten, die da unten weiter an Land herumwatschelten. (Michael Simoner, 29.11.2023)