Kipferl eintauchen oder nicht, das ist eine ziemlich grundsätzliche Frage.
imago images/blickwinkel

Pro

Kaffee-Essen. Einmal morgens, einmal nachmittags. Das hat mein Opa so gemacht und auch so benannt. Gebäck in den Milchkaffee nicht einzutunken – auf die komische Idee ist niemand gekommen. Wir Kinder auch nicht bei unserem Malzkaffee.

Schaum gab’s damals leider nicht. Der verköstlicht allerdings das Ritual enorm. Das geht so: erst ganz wenig Zucker auf die Milchkrone. Dann am besten ein Brioche zuerst als essbaren Schaumlöffel einsetzen, dann richtig tunken. Das ist nahezu kunstfertig, zumindest braucht es Übung. Weil zu lange in zu heißem Getränk und – oops, weg ist das Gebäckstück, statt saftig angesogen und sich kaffeedurchsetzt auflösend dort zu verschwinden, wo es hingehört. Gerade Kipferln ohne irgendwas sind wahrscheinlich sowieso nur dafür hergestellt, Croissant geht auch gut.

Insofern hat Tunken etwas von Savoir-vivre. Jedenfalls stemmt es sich wacker gegen den Trend, Kaffeebecher durch die Gegend zu schleppen und gehetzt zu trinken. Kaffee gehört gegessen. (RONDO, Karin Bauer, 14.11.2023)

Kontra

Ich mag ja schon kein Fruchtfleisch in meinem Orangensaft. Als ich noch ein Kind war, war mir das derart zuwider, dass ich den Saft mit einem Sieb gefiltert habe, um ihn trinken zu können. Ja, ich war ein seltsamer Bub. Fragen Sie nicht nach der Haut von Frankfurtern. Heute ist es bei weitem nicht mehr so tragisch – ein Schluck mit Fruchtfleisch bringt mich nicht um –, aber wenn ich’s mir aussuchen kann, will ich keine Fuzeln in meinem Getränk schwimmen sehen.

Dasselbe gilt für Kakao oder Kaffee. Denn unweigerlich lösen sich viel zu große Partikel von Keks, Kipferl oder Striezel, wenn man sie in das heiße Getränk tunkt. Da kann man der schnellste Eintunker der Welt sein, Guinness-Rekord-Halter sogar, ein kleiner Gebäcksfetzen schwimmt dann dennoch in meinem Getränk, wie eine Mücke, die literarisch zu tief ins Glas geschaut hat. Da will ich nicht mehr weitertrinken. Ich verstehe auch nicht, was der Reiz daran sein soll, an einem vollgesaugten Stück Teig zu zuzeln. Mein Getränk soll Getränk bleiben und meine süße Beilage trocken. (RONDO, Kevin Recher, 14.11.2023)