Zwischen den Neos und der SPÖ, im Wiener Rathaus in einer Regierungskoalition, kam es am Mittwoch auf Bezirksebene zu einer veritablen Verstimmung. Begonnen hat diese mit einem offenen Brief der Pinken am Alsergrund, der in der "Wiener Bezirkszeitung" erschienen ist. Adressiert ist er an Saya Ahmad, rote Vorsteherin des neunten Bezirks und aus dem Irak stammende Kurdin.

In dem Schreiben verurteilt Neos-Klubvorsitzender Rudolf Mayrhofer-Grünbühel den Angriff der Terrororganisation Hamas vom 7. Oktober auf Israel "auf das Schärfste". Der Terror sei durch nichts zu rechtfertigen und müsse sofort gestoppt werden. "Wir sollten als Bezirk gemeinsam, solidarisch und entschlossen gegen den Terror aufstehen", heißt es weiter.

SPÖ-Politikerin Saya Ahmad ist seit 2018 Chefin des neunten Wiener Bezirks. Die Kurdin stammt aus dem Irak.
APA/EVA MANHART

Daher fordere er Ahmad auf, die Solidarität mit Israel und die Verurteilung des Terrorangriffs durch die Hamas "endlich in Worte zu fassen". Ahmads "Schweigen" sei nicht weiter hinzunehmen. Als Zeichen der Solidarität solle die Israel-Fahne am Sitz der Bezirksvertretung gehisst werden, es brauche außerdem eine Distanzierung von Demos, bei denen Antisemitismus und Terrorismus bejubelt werden.

"Noch bei Sinnen?"

Dieses Verlangen regt in der SPÖ auf. "Ist eure Bezirksgruppe noch bei Sinnen? Die einzige Bezirksvorsteherin muslimischer Herkunft via Zeitungsinserat zu einer Distanzierung von der Hamas aufzurufen (was sie ohnedies am 19. Oktober tat), ist schon steil", schreibt etwa Nikolaus Kowall, roter Vizebezirksparteichef am Alsergrund, auf X (vormals Twitter).

Der Alsergrunder SPÖ-Chef Martin Rendl reagierte via Aussendung: "Die Behauptung, wir hätten uns dazu nicht geäußert, ist glatt gelogen." Ahmad habe sich beispielsweise am 19. Oktober in einer Social-Media-Story umfassend geäußert. Da habe die Bezirkschefin geschrieben: "Die Hamas ist eine Terrororganisation (...). Ihr Terroranschlag und ihre Entführungen sind durch nichts zu rechtfertigen."

Wink in Richtung pinker Landespartei

Für die SPÖ Alsergrund und Bezirksvorsteherin Ahmad sei es jedenfalls selbstverständlich, den "brutalen Terrorangriff der Hamas auf Israel und die Zivilbevölkerung zu verurteilen", heißt es weiter. "Wir stehen für Demokratie, ein friedliches und respektvolles Miteinander und stellen uns konsequent gegen jede Form von Gewalt, Terror, Rassismus oder Antisemitismus."

Die Vorwürfe der Neos seien daher haltlos, der offene Brief ein Versuch, politisches Kleingeld aus dem Leid von Menschen zu schlagen. Und in Richtung pinker Landespartei hält Rendl fest: "Ich bin mir sicher, dass Neos Wien als unser Partner in der Fortschrittskoalition in Wien so ein Verhalten ihrer Bezirksgruppe auch nicht duldet."

Seitens des pinken Rathausklubs wird auf eine schriftliche Stellungnahme der Alsergrunder Neos verwiesen. "Wir möchten ausdrücklich festhalten, dass unsere Forderung keinerlei Bezug zur Herkunft der Bezirksvorsteherin hat", wird Neos-Klubchef Mayrhofer-Grünbühel darin zitiert. "Für uns spielt die Herkunft nie eine Rolle in politischen Stellungnahmen oder Forderungen. Unser Ziel ist, dass die Anliegen ernst genommen werden und zur Stärkung unserer Gemeinschaft im Bezirk beitragen.“

Man schätze die "oft sehr klaren Stellungnahmen der Bezirksvorsteherin zu bezirkspolitischen sowie weltpolitischen Themen", etwa das deutlich sichtbare Plakat von Jin – Jiyan – Azadi (Frau – Leben – Freiheit, ein Slogan, der unter anderem ein Slogan der iranischen Frauenbewegung ist, Anm.) am Balkon der Bezirksvertretung, heißt es weiter. In Anbetracht des aktuellen Nahostkonflikts hätten die Neos festgestellt, "dass es uns an vergleichbarer Sichtbarkeit" fehlte. (rach, 8.11.2023)