Ein brennender Wal, der aus dem Wasser springt. Ein Wal, der an einem Strand verendet ist. Im Hintergrund: riesige Windräder. In den Bezirken Hunter und Illawarra des australischen Bundesstaats New South Wales waren zuletzt derlei angsteinflößende Plakate zu sehen, die auch als Social-Media-Sujet verbreitet werden. Dahinter steckt eine Werbeagentur im Auftrag des regionalen Fischereiverbands in Port Stephens. "Stoppt die Windfarm", steht auf ihnen geschrieben.

"Es muss große Wirkung zeigen und visuell auffällig alle Informationen zusammenfassen, die wir im Moment zu möglichen Toden von Walen haben", erklärte Troy Radford gegenüber dem "Guardian". Er ist Präsident des Newcastle and Port Stephens Game Fish Club. Die professionell gestalteten Botschaften sind aber nicht die einzigen. An den Stränden finden sich auch handgezeichnete Plakate, die vor der Zerstörung des Ozeans warnen und die Behauptung verbreiten, Offshore-Windkraft wäre eine Gefahr für Wale.

Eine Windfarm im Meer vor Westfrankreich
Die Saint-Nazaire-Windfarm vor der französischen Westküste.
REUTERS

Keine Gefahr für Wale erwiesen

Das Problem dabei: Wissenschaftlich ist diese Behauptung nicht gedeckt. Das weiß Quentin Hanich zu erzählen, Chefredakteur des wissenschaftlichen Journals "Marine Policy". Auch er weiß ein Lied zu singen von dem Informationskrieg rund um die Einrichtung von sechs Zonen in den Gewässern vor Australien, in denen künftig Windfarmen errichtet werden sollen.

In den vergangenen Tagen musste Hanich viel Zeit darin investieren, über das Thema aufzuklären. Denn in den sozialen Netzwerken kursierte ein Posting, das behauptete, dass in "Marine Policy" ein Paper veröffentlicht wurde, laut dem solche Anlagen in der Region jährlich den Tod von 400 Walen zur Folge haben würden. Eine solche Veröffentlichung hatte jedoch nie stattgefunden. Die Facebook-Gruppe, die den Beitrag ursprünglich erstellt hatte, löschte ihn schließlich wieder. Hanich fürchtet allerdings, dass der Schaden bereits angerichtet ist.

Bürger, Fischer, Touristiker, Surfer und Abgeordnete anderer Regionen mobilisieren gegen den Ausbau der Windkraft. Ein Widerstand, mit dem nicht gerechnet wurde, denn immerhin wird das Projekt nicht nur von Wirtschaftsvertretern, sondern auch von Gewerkschaften, Lokalpolitikern, der Universität New South Wales und selbst Umweltschützern unterstützt. Offshore-Windkraft soll ein wichtiges Standbein für Australien auf dem Weg in die Klimaneutralität bis 2050 werden. Aktuell ist das Land noch stark von Kohle abhängig.

Facebook-Sujet gegen Offshore-Windkraft. Rostige Windräder im Wasser, davor tote Fische.
Eines der Sujets, die in den Gruppen gegen Offshore-Windkraft in New South Wales geteilt werden.
Facebook

Der Australian Conservation Fund und Greenpeace versuchen mittlerweile aktiv darüber aufzuklären, dass keine Gefährdung der Wale zu erwarten ist. Beim South Coast Labour Council sieht man Illawarra als "Resonanzboden" dafür, wie die Bevölkerung gespalten und gegen solche Projekte aufgebracht werden kann. Man rechnet damit, ähnliche Entwicklungen auch in den anderen Regionen zu sehen, in denen Offshore-Windfarmen geplant sind.

The Coalition zuerst dafür, jetzt dagegen

Auch Barnaby Joyce, ehemaliger Chef der National Party und bekannter Klimawandelleugner, hat sich in die Debatte eingebracht und ruft bei seinen Auftritten zum Widerstand auf. Als Partei hinter den Protesten steht die Liberal-National Coalition, der Zusammenschluss der National Party und der Liberal Party.

Als Regierungspartei hatte sie noch die Gesetzesgrundlage für die Entwicklung von Offshore-Windfarmen gelegt. Parteiführer Peter Dutton, bislang nicht bekannt als Fan von Umweltschutzauflagen, warnt nun vor den Folgen für Wale, Delfine und Vögel und beschuldigt die Regierung, das Projekt im Schnellverfahren durchzupeitschen.

Ähnliches hört man auch von der Bewegung "Coalition Against Offshore Wind", gestartet als Facebook-Gruppe. Grant Drinkwater, Mitgründer der Gruppe, nennt neben den Walen auch noch andere Gründe. Er fürchtet, der Strom würde nur der örtlichen Stahlindustrie zugutekommen, sieht Windfarmen als sinnlose Option zur Reduktion von Emissionen an und findet, dass Australien stattdessen mehr in Sonnenenergie, Gas und die Erforschung von nuklearen Kleinreaktoren investieren sollte. O-Ton: "Mit 150 Windrädern vor der Küste von Illawarra wird man den Planeten nicht retten."

Generell sind nicht alle Kritiker prinzipiell gegen erneuerbare Energien, sondern bevorzugen andere Formen ihrer Erzeugung oder sähen die Windkraftwerke lieber vor anderen Küsten als der ihren. Beim Fischereiverband fürchtet man zudem Schäden für den kommerziellen Fischfang. Insgesamt gibt es knapp 20 Facebook-Seiten und -gruppen, die darauf drängen, dass das Windkraftgebiet nach der aktuell laufenden Konsultationsphase wieder aufgehoben wird.

Former US President Donald Trump said windmills are driving whales a little batty
Evening Standard

Kampagnenmethoden aus den USA

Immer wieder tauchen dabei auch Sujets auf, die eigentlich aus den USA stammen. Amerikanische Windkraftgegner sollen ihre australischen "Kollegen" auch schon zum gegenseitigen Austausch eingeladen haben. Der Mythos, dass Offshore-Windkraftwerke die Orientierung von Walen stören würden, wurde vergangenen Dezember auch schon von Donald Trump weiterverbreitet.

Neben Hanich stellen sich noch andere gegen die Desinformation. Die Gruppe Good for the Gong (der Name bezieht sich auf den Ort Wollongong) soll als Plattform für konstruktiven Austausch dienen. "Ich bin Techniker und bevorzuge Diskussionen, die auf Fakten basieren." Dass er immer wieder mit Leuten diskutierte, bei denen das nicht der Fall war, habe ihn verärgert. Dass Offshore-Windanlagen aufgrund ihrer Größe nicht ohne Auswirkungen sind, sei ihm bewusst. Darüber solle aber sachlich gesprochen werden, um sich keine Chancen zu verbauen.

Beim South Coast Labour Council attestiert man, dass manche Akteure der Protestbewegung "die absolut schlimmsten Taktiken von Donald Trump" importiert hätten und wissentlich Falschinformationen verbreiten. Es gebe durchaus Menschen, die ehrlich besorgt seien darüber, was die Errichtung solcher Windfarmen bedeute.

Andere wiederum, so Generalsekretär Arthur Rorris, würden sich hinter dem Wal-Argument verstecken und seien eigentlich besorgt, dass ihre Immobilien weniger wert würden, wenn am Horizont Windkraftanlagen sichtbar sind. Es ist verständlich, dass das als Problem gesehen werde, sagt Rorris. Der Klimawandel sei allerdings die größere Bedrohung. (red, 12.11.2023)