Münzen in der Hand
Ein neues Gutachten vermisst die Entwicklung der Pensionskosten in den kommenden fünf Jahren.
IMAGO/Nikito

Die Überwacher der heimischen Pensionspolitik sind zuletzt selbst ins Visier der Kontrolleure geraten. "Unzureichend" sei die Arbeit der Alterssicherungskommission seit 2017 gewesen, befand der Rechnungshof in seiner jüngst veröffentlichten Überprüfung des Pensionssystems. Die Kommission lasse gesamthafte Aussagen zur langfristigen Nachhaltigkeit der Pensionen vermissen und obendrein fehle ein echter Chef: Seit zwei Jahren ist der Vorsitzposten nach dem entnervten Rücktritt von Walter Pöltner vakant, auf eine Nachfolge kann sich die Regierung nicht einigen.

In der sozialpartnerschaftlich zusammengesetzten Kommission prallen konträre Interessen aufeinander: Abgesandte von Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer neigen zu düsteren Szenarien, um angesichts vermeintlich explodierender Pensionskosten die Forderung nach einem höheren Antrittsalter zu unterfüttern. Vertreterinnen von Arbeiterkammer und Gewerkschaft bevorzugen hingegen eine entspannte Sicht, um derlei Forderungen als "alarmistisch" abzuschmettern und üppige Pensionserhöhungen zu verteidigen.

Höchststand bei Neuzugängen

Dennoch birgt die ökonomische Analyse, die die Kommission jährlich auf Basis umfangreicher Daten und Wirtschaftsprognosen erstellt, wesentliche Einblicke in den Zustand des Systems – und zeigt auf, wohin das Geld in der näheren Zukunft fließt. Kommende Woche wird das Gremium sein diesjähriges Gutachten offiziell beraten, dem STANDARD liegt das Dokument vor.

Wenn die dort niedergeschriebenen Prognosen halten, dann markiert das heurige Jahr einen Höhe- und zugleich Wendepunkt: Rund 106.000 Personen treten 2023 ihre normale Alterspension an, 2018 waren es bloß 75.000. Der in den vergangenen Jahren stetig wachsende Zustrom an neuen Pensionistinnen und Pensionisten ist auf die geburtenstarke "Babyboomer"-Generation zurückzuführen, die nun nach und nach aus dem Arbeitsleben in den Ruhestand übertritt. Dass sich die Zahl neuer Pensionierungen in den kommenden Jahren bei rund 85.000 einpendeln soll, ist laut Gutachten eine Frucht der vor Jahrzehnten bereits beschlossenen Anhebung des Frauenpensionsalters von 60 auf das männliche Niveau von 65, die ab 2024 schrittweise schlagend wird.

Das gesetzliche Antrittsalter ist mit Vorsicht zu interpretieren, denn selbst die Männer gehen – wiewohl der Trend nach oben zeigt – derzeit im Schnitt schon mit 62 in Pension. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) und mit ihm die rot geprägten Arbeitnehmervertreter nutzen diese Lücke als Argument, um die zuletzt etwa von IHS-Chef Holger Bonin ins Spiel gebrachte Erhöhung auf 67 zurückzuweisen: Entscheidend sei erst einmal die Anhebung des faktischen Pensionsalters, dafür aber brauche es gesunde Arbeitsbedingungen, denen auch ältere Beschäftigte standhalten.

Starker Anstieg leicht gedämpft

Definitiv steigen werden in den kommenden Jahren die sogenannten Bundesmittel, die der Staat zusätzlich zu den Versicherungsbeiträgen der Beschäftigten in die gesetzliche Pensionsversicherung (Arbeiter, Angestellte, Bauern, Selbstständige) zuschießt. Aus derzeit jährlich 14 Milliarden Euro sollen bis 2028 knapp 22 Milliarden Euro werden. In Zeiten hoher Inflation sind absolute Geldbeträge zwar wenig aussagekräftig, doch auch in Relation zur Wirtschaftsleistung kündigt sich eine massive Aufwärtsbewegung des staatlichen Zuschusses von derzeit 2,92 auf 3,69 Prozent bis zum Jahr 2028 an.

Grafik Pensionskosten Österreich
Laut dem neuen Gutachten der Alterssicherungskommission werden im Jahr 2028 die staatlichen Zuschüsse zur Pensionsversicherung plus die Beamtenpensionen 6,65 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmachen.
Standard

Hinzu kommen noch die Beamtenpensionen, die zwar auf lange Sicht stark abnehmen werden, in den kommenden fünf Jahren aber vorerst keine Entspannung fürs Budget erwarten lassen: die aktuelle Quote von rund drei Prozent des BIP dürfte bis 2028 konstant bleiben. Addiert man Zuschüsse und Beamtenpensionen, dann wird der Staat laut Gutachten in fünf Jahren 6,65 Prozent des BIP an Pensionskosten stemmen müssen, das wäre erheblich mehr als die jetzigen 5,9 Prozent. Zugleich wäre die Entwicklung ein bisschen weniger dramatisch als vom letztjährigen Gutachten prophezeit, weil die Lohnabschlüsse damals höher ausfielen als ursprünglich angenommen – und somit doch mehr Versicherungsbeiträge in die Pensionskassen gespült wurden.

Das zeigt auch, warum die jetzigen Prognosen auf wackeligem Fundament stehen, solange bei den Kollektivvertragsverhandlungen keine Lösung in Sicht ist. Auch die künftige Inflation kann das Zahlenwerk aufwirbeln: Bleibt etwa die Teuerung höher als aktuell vermutet, dann steigen auch die an die Inflation gekoppelten Pensionen in ungeahntem Ausmaß. Bis zum kommenden Freitag wird sich freilich nicht mehr viel tun: Dann wird die Alterssicherungskommission das Gutachten wohl offiziell beschließen. (Theo Anders, 18.11.2023)