Ärzte beobachten die Politik. Mit einem Millionenbudget will die Kammer auch das Parlament unter Druck setzen und das Schlimmste – aus der Sicht der Ärztevertreter – verhindern.
Ärztekammer für Wien/Michaela Ob

Die Ärztekammer setzt alles daran, um den von Bund, Ländern und Sozialversicherung ausgehandelten Entwurf zur Gesundheitsreform noch verändern zu können. Die Kammer steht vor einem Machtverlust und könnte Mitspracherechte etwa bei den Gesamtverträgen oder der Ausschreibung von Kassenstellen verlieren. Die Zeit drängt: Kommende Woche will die türkis-grüne Bundesregierung die Reform im Rahmen des Finanzausgleichs fixieren. Die Regierungsvorlage soll dann Ende November ins Parlament und – ohne Begutachtungsphase – im Dezember beschlossen werden.

Der zuletzt intern heftig kritisierte Ärztekammerpräsident, Johannes Steinhart, verwies darauf, dass er "massive Gespräche" mit den an der Reform Beteiligten führe. Neben der Lobbyarbeit in der Politik bereitet die Interessenvertretung auch intensive Kampf- und Informationsmaßnahmen vor. Das Geld dafür hat die Kammer zur Verfügung.

Zehn Millionen Euro beschlossen

Am Mittwoch wurde in einer Sitzung der Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte die Bereitstellung von einer Million Euro für Informationsmaßnahmen beschlossen. Vorbehaltlich weiterer Beschlüsse in den Landesärztekammern könnten insgesamt zehn Millionen Euro bereitgestellt werden, hieß es.

Der Löwenanteil wird von der Wiener Regionalgruppe getragen. Am Mittwoch bestätigte der Vorstand der Wiener Kammer, dass fünf Millionen Euro aus dem Kampf- und Aktionsfonds bereitgestellt werden. Diese sind nicht nur für Maßnahmen gegen die Reform vorgesehen, sondern auch für den Protest der Spitalsärzte gegen die prekäre Lage in den Krankenhäusern. Weitere drei Millionen Euro wurden schon zuvor für den Spitalsprotest gewidmet.

Andere Landeskammern hielten sich auf STANDARD-Anfrage teils bedeckt. In einer gleichlautenden Stellungnahme hieß es aus Tirol und Vorarlberg: "Wir bitten um Verständnis, dass wir es nicht für zielführend erachten, allfällige Summen für Kampfmaßnahmen bzw. das Vermögen der Ärztekammer in der Öffentlichkeit zu nennen." Die Salzburger Kammer gab bekannt, zur aktuellen Debatte "keine nennenswerten Summen eingesetzt und soweit auch bisher keine geplant" zu haben. Es gebe aber einen PR-Etat, der für solche Zwecke zur Verfügung stünde. Außerdem weist ein Sprecher in Salzburg darauf hin: "Hinsichtlich der Diktion bevorzugen wir in der Salzburger Ärztekammer die Begriffe Information und Aufklärung gegenüber dem Terminus Kampfmaßnahmen.

2017 waren 24 Millionen Euro im Wiener Kampffonds

Wien hat jedenfalls bereits acht Millionen Euro für diverse Kampfmaßnahmen und Kampagnen bereitgestellt. Im Fall des Falles könnte auch nachgelegt werden: Denn zuletzt gab die Wiener Kammer im Jahr 2017 bekannt, über 24 Millionen Euro im Kampffonds zu verfügen. Dieser wird aus Pflichtbeiträgen der Mitglieder gespeist und dürfte seither nicht kleiner geworden sein. Auf Anfrage war aus der Ärztekammer kein aktueller Betrag zu erfahren.

Aber auch die anderen Kammern verfügen über Rücklagen. Hinter vorgehaltener Hand heißt es aus prominenten Ärztekammer-Kreisen zum STANDARD, dass die Rücklagen für Kampf- und Infomaßnahmen zwischen 30 und 40 Millionen Euro betragen könnten.

Gesamtvertrag wackelt

"Der Entwurf, der auf dem Tisch liegt, hat aus unserer Sicht ganz massive Verschlechterungen zur Folge", sagte Ärztekammer-Vizepräsident Edgar Wutscher. Entsprechend der Bedrohungslage hat sich die Kammer auf ein Memorandum geeinigt: Wird der Gesetzesentwurf in der vorliegenden Form beschlossen, wird die Beendigung der Gesamtverträge mit der Gesundheitskasse in die Wege geleitet.

Patientinnen und Patienten müssten dann für die Behandlung direkt beim Arzt oder der Ärztin bezahlen – und später nur den jeweiligen Kassentarif zurückerhalten. Das Stecken der E-Card wäre obsolet. "Wir wollen das nicht", sagte Wutscher. Aber wenn die Politik keine Wahl lasse, müsste die Kammer zu diesem Mittel greifen, um eine Verschlechterung des Systems für Patienten zu verhindern. (David Krutzler, 15.11.2023)