Ein Säugling mit Sonnenbrille liegt in einem Schwimmreifen.
Babyschwimmen ist eine faszinierende Erfahrung, ruft aber auch Kritik hervor.
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Die Unternehmung beginnt mit einer positiven Überraschung. Vor der Herrenumkleide stehen zwei Wickeltische in akzeptablem Zustand, bei einem davon ist sogar noch die Polsterung vorhanden. Ich muss mein Kind also nicht im Kinderwagen wickeln. Es ist ein gutes Omen, das Sicherheit gibt.

Ich befinde mich in einem Hallenbad in Graz und bereite mich auf die zweite Einheit des Babyschwimmkurses vor. Beim ersten Mal war meine Partnerin dabei, diesmal stemme ich diese Aufgabe erstmals allein. Ich bin in Karenz, es kommt also mir zu, mein vier Monate altes Kind mit dem Wasser vertraut zu machen. Es ist eine Situation, die mich in jene Art von wohliger Anspannung versetzt, die ich immer spüre, wenn ich mit Neuem, Unbekanntem konfrontiert bin.

Das bedarf einer Erklärung: Ich habe einige Jahre davon gelebt, mich als Extremsportler zu vermarkten. Mein Weg führte mich in die Berge, wo Kameras auf mich gerichtet waren, während ich potenziell gefährliche Dinge tat. Ob derlei Aktivität riskant ist oder nicht, ist eine Frage der Vorbereitung, doch in der freien Natur lässt sich nicht jede Eventualität vorbereiten, was den Reiz der Sache ausmacht. Bergsport, wie ich ihn betrieb, schult eine eigene Form der Wachsamkeit, eine Art glücklichmachenden Stress.

Daran muss ich denken, als ich meiner vier Monate alten Tochter ihre Schwimmwindel anziehe, denn aus irgendeinem Grund fühle ich mich, als würde ich einen Berg besteigen.

Geborene Taucher

Auf das Babyschwimmen habe ich mich gefreut. Ich liebe Wasser und habe von der Tauchfähigkeit von sehr kleinen Kindern gehört. Wir Menschen besitzen eine natürliche Fähigkeit zum Tauchen. Wie bei Delfinen verlangsamt sich unter Wasser unser Puls, was manche (auch ich) als sehr beruhigend wahrnehmen. Säuglinge besitzen zudem den Reflex, unter Wasser ihre Atemwege zu verschließen. Das Albumcover der Grunge-Band Nirvana, in dem ein Baby einem Geldschein hinterhertaucht, ist weltbekannt. Das Bild ist kein Fake, Babys sind wortwörtlich zum Tauchen geboren.

Das Untertauchen von Babys ist also nicht ohne Grund Teil vieler Babyschwimmkurse, inklusive eines Unter-Wasser-Erinnerungsfotos des Kindes im Stil des Nirvana-Covers, nur ohne Geldschein. Einen erwiesenen Wert für die Entwicklung des Kindes gibt es nicht, im Gegenteil, bei den Vorbereitungen erfuhr ich, dass die Übung nicht ohne Risiko ist. Der Reflex, der das Tauchen von Babys ermöglicht, geht ab einem Alter von etwa drei bis sechs Monaten verloren. Wann genau, ist aber von Kind zu Kind unterschiedlich. Es gibt also Zweifel an der Praxis des Untertauchens, und ich habe im Vorfeld gehört, dass manche Eltern ihr Kind aus diesem Grund sogar vorzeitig aus dem Kurs nehmen. In dem Kurs, an dem wir teilnehmen, ist diese Praxis aber laut Beschreibung nicht verpflichtend, sondern ein Bonus.

Das Cover des Albums Nevermind der Grunge-Band Nirvana, bei dem ein Baby einem Geldschein hinterherschwimmt.
Das vielleicht berühmteste Babyschwimm-Foto der Welt.
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Eroberung der Herrenumkleide

Bevor es so weit ist, gibt es andere Herausforderungen zu meistern. Die Umkleiden im Hallenbad sind eng, sich selbst und einen Säugling darin badefertig zu machen bedarf einer gewissen Planung. Beim ersten Mal nutzten wir die Familienumkleide, wo allerdings auch die anderen Babys umgezogen wurden und es sich dementsprechend staute. Als Vater kann ich diesmal die Herrenumkleide nutzen, wo es tendenziell weniger Babys gibt.

Das erleichtert meine Aufgabe erheblich. Die Kleine, nennen wir sie Laura (ihren echten Namen möchte ich nicht nennen), ist gut gelaunt, sie hat noch im Auto eine halbe Flasche getrunken. Das dient mir als Absicherung.

Vielleicht ist es dieser Aspekt, der mich an die Berge erinnert. Alles dreht sich dort um die Planung des Unplanbaren. Welche Kleidung wird eingepackt? Wie lange ist für die Expedition anberaumt? Wie ist die Wettervorhersage? Welche Möglichkeiten gibt es für einen ungeplanten Rückzug? Sich gegen verschiedene Eventualitäten in Abhängigkeit von ihrer Gefährlichkeit und ihrer Wahrscheinlichkeit abzusichern ist ganz normaler Teil der Vorbereitung.

Die Parallelen zum Umgang mit einem Kind sind verblüffend. Das Analogon zum Wetter, in den Bergen das bestimmende Element, findet sich beim Babyschwimmen im Gemüt des Kindes. Sind die Aussichten sonnig, oder ziehen bereits Wolken auf?

Ins kalte Wasser springen

Noch ist kein Schlechtwetter in Sicht. Wir erreichen den Beckenrand bei prachtvollem Sonnenschein. Diesmal sitzt die Schwimmwindel richtig, nie wird jemand von dem Malheur erfahren, das letztes Mal beim Warten auf den Kurs zum Verlust eines Handtuchs geführt hat.

Die tiefste Angst des Kindsvaters ist das große Geschäft des Kindes. Er wird alles tun, um Letzteres bereits vor der Abreise zu erledigen, auch wenn die Mittel der Einflussnahme äußerst begrenzt ist. Diesmal war das Glück auf meiner Seite, weshalb einer entspannten Schwimmeinheit nichts im Wege steht.

Das Kinderbecken ist mit 30 Grad überraschend kühl, üblich sind für Babyschwimmkurse Temperaturen ab 32 Grad. Doch die erste Einheit hat gezeigt, dass die Temperatur für etwa eine halbe Stunde im Wasser vollkommen okay ist. Laura findet das auch, als wir vorsichtig ins Becken gleiten, scheint immer noch die Sonne.

Ich begrüße die anderen Mütter, ein Mann fehlt diesmal. Einige Väter waren bei der ersten Einheit anwesend, haben aber offenbar genug gesehen. Wir lassen die Babys durchs Wasser gleiten, bis die Trainerin dazukommt und beginnt, uns mit einer Puppe Handgriffe und Übungen vorzuzeigen.

Ein lächelndes Baby unter Wasser
Im Kurs, den der Autor besuchte, wurden die Babys nicht losgelassen, sondern nur kurz unter Wasser gezogen.
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Baby Sit-in

Die vielleicht interessanteste Erfahrung ist dabei die Gruppendynamik der Kinder. Bei einer Übung bilden wir Eltern einen Kreis und strecken die acht Kinder in die Mitte, wo sie einander beäugen und anlächeln. Babys finden andere Babys interessant. Sie alle haben die fremde Umgebung längst akzeptiert und stecken einander mit guter Laune an. Dazu kommen Singspiele und das Spielen mit Schwimmenten.

Danach beginnen die Vorbereitungen für das eingangs erwähnte Untertauchen der Babys. Das Kind sieht mir dabei in die Augen, ich schiebe es von mir weg und ziehe es zu mir hin, wobei ich es anhauche. Das soll den Tauchreflex aktivieren. Bei der nächsten Einheit soll dann beim Heranziehen das Kind unters Wasser gezogen werden. Ein unangenehmer Gedanke. Und ich verstehe plötzlich jene Mütter etwas besser, die den Babyschwimmkurs abbrechen. Nicht, dass ich dasselbe vorhabe.

Babyschwimmen ist generell mit Kritik konfrontiert. Auf Wikipedia liest man von überzogener Frühförderung durch zu ehrgeizige Eltern und verschiedenen Gesundheitsgefahren, von Infektionskrankheiten über verstärkte Neigung zu Asthma bis hin zu Herzstillstand und Tod von Kindern. Eine aktuelle Studie von 2023, die im Fachjournal "International Journal of Environmental Research and Public Health" erschien, sammelte 18 repräsentative Studien zu geführten Schwimmaktivitäten mit Kindern bis zu einem Alter von 36 Monaten, die durchwegs in Hallenbädern durchgeführt wurden. Dabei konnte ein erhöhtes Durchfallrisiko festgestellt werden, andere Gefahren ließen sich nicht bestätigen. Berichtet wurde im Gegenteil von verbessertem Schlaf und positiven Effekten auf die motorische Entwicklung, wobei Letztere nicht im Vergleich zu anderen motorischen Förderaktivitäten ermittelt wurde, sondern in Vergleich zu dem Fehlen solcher.

Rückzug bei Wetterumbruch

Nach etwa einer halben Stunde beginnen die ersten Kinder zu protestieren. Auch bei Laura kann ich sehen, wie Wolken aufziehen. Die Trainerin hat diese Stimmungen im Blick und macht noch eine Abschlussrunde, bei der wieder gesungen wird. Singen beruhigt die Kinder und ist fixer Bestandteil des Kurses. Wenn ich nur die Texte der Kinderlieder kennen würde.

Auf dem Weg in die Garderobe wird die Zeit knapp. Es hat zu regnen begonnen, das Umziehen der eigenen Badehose muss warten. Die Herrengarderobe wurde inzwischen von einer Schulklasse in Besitz genommen, die Halbwüchsigen stellen mir Fragen zu Laura und halten mir die Tür auf. Meine Kleine schenkt mir nach dem Wickeln und Anziehen noch ein Lächeln, bevor sie in einen tiefen Schlaf fällt. Da macht sich auch bei mir Zufriedenheit über das Gelingen der Expedition breit. Ich ziehe mich um und mache mich auf den Heimweg. Noch bleibe ich konzentriert, beim Bergsport gilt die Regel, dass man erst sicher ist, wenn man zu Hause aus dem Auto steigt.

Und das umstrittene Untertauchen? Zu diesem Zeitpunkt weiß ich es noch nicht, aber bei der dritten Einheit werde ich es tatsächlich wagen, Laura unterzutauchen. Mein Eindruck ist, dass sie erschrickt. Wolken ziehen auf, die sich aber, nach dem nächsten Kinderlied und der Interaktion mit anderen Babys, wieder verflüchtigen. Die Übung wird sorgfältig vorbereitet, und die meisten Kinder scheinen überhaupt kein Problem damit zu haben. Das Foto soll erst bei einer späteren Einheit entstehen. Ob wir diesen Service in Anspruch nehmen, lasse ich mir zu diesem Zeitpunkt noch offen.

Noch ein Gefühl nehme ich mit, als ich heimkomme und aufgeregt quasselnd von dem gelungenen Vater-Tochter-Erlebnis berichte. Ich fühle mich erneut als Pionier, genau wie damals, als ich als Sportler Rekorde jagte. Männer dieses Landes, seht her, ich habe es gewagt und bin heil vom Gipfel zurückgekehrt, um meine Geschichte zu erzählen. Ich war mit meinem vier Monate alten Kind schwimmen. Wer will es mir nachmachen?

Liebe zum Wasser

In Summe ist das Schwimmen mit einem Säugling jedenfalls eine geniale Erfahrung, für Vater und Kind gleichermaßen. Für die sechs Einheiten fallen Kosten von 120 Euro an, die gut investiert sind. Seither nehmen wir Laura ganz selbstverständlich mit, wenn wir baden gehen. Der Kurs gibt dafür Sicherheit. Auch die Chance eines gemeinsamen Unterwasserfotos nützen wir letztendlich, doch ist nur am Rande relevant. Viel wichtiger ist die gemeinsame Erfahrung. (Reinhard Kleindl, 11.2.2024)