In der Wiener Ärztekammer ist nach monatelangen Streitigkeiten eine neue Koalition unter der Führung des bisherigen Präsidenten Johannes Steinhart gefunden worden. Ex-Präsident Thomas Szekeres wurde Ehrenpräsident. Im Zuge der "Neustrukturierung" wurden zahlreiche neue Posten geschaffen.
APA/EVA MANHART

Mitten im intensiven Gerangel um die Gesundheitsreform zwischen der Österreichischen Ärztekammer und der Bundesregierung hat die Wiener Kammer am Dienstag Zeit gefunden, um sich auch ihres seit Monaten tobenden internen Machtstreits anzunehmen. In einer Vorstandssitzung am Dienstagabend hat sich unter der Führung des umstrittenen Präsidenten Johannes Steinhart eine neue Koalition in der Wiener Kammer geformt. Das gab Steinharts Fraktion, die ÖVP-nahe "Vereinigung Österreichischer Ärztinnen & Ärzte", am Donnerstag via Aussendung bekannt. Steinhart ist Chef der Österreichischen sowie der Wiener Ärztekammer. In der neuen Koalition ist nun auch Ex-Präsident Thomas Szekeres mit seiner Liste sowie die "Wahlgemeinschaft – Ärzte für Ärzte – Wiener Mittelbau" vertreten. Szekeres hatte sich im Machtkampf zuletzt auf die Seite von Steinhart geschlagen.

Die Neustrukturierung sei "eine direkte Antwort auf die aktuellen Herausforderungen im österreichischen Gesundheitswesen und auf konflikthafte kammerinterne Entwicklungen", hieß es in der Aussendung. Was vonseiten der Ärztekammer nicht dazugesagt wurde: Im Zuge der Sitzung wurden auch zahlreiche neue und bezahlte Posten geschaffen, wie Listen belegen, die dem STANDARD vorliegen. So gibt es neuerdings auch wieder vier Präsidialreferenten – darunter auch Szekeres sowie Steinhart-Intimus Erwin Rasinger. Diese Funktionen gab es davor nicht. Ex-Präsident Szekeres ist zudem auch zum Ehrenpräsidenten ernannt worden.

16 neue Referate beschlossen

Mit der Umstrukturierung gibt es künftig laut der kursierenden Liste gleich 16 neue Referate. Nur ein Auszug: Diese sind etwa für Spitzenforschung, Sportmedizin, Veranstaltungen, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Vorsorgemedizin, Mangelfächer, Primarärzt*innen, Elga/ICD-10 Codierung, Hochschülerschaftsangelegenheiten oder Hospiz zuständig. Rund 30 Positionen wurden in diesen neuen Referaten besetzt. Dazu kommen einige zusätzliche Posten in bereits bestehenden Referaten. Die Arbeit in diesen Referaten wird auch entlohnt, die genauen Summen finden sich auf einer öffentlich zugänglichen Liste der Ärztekammer: So erhält etwa der Referent oder die Referentin für ärztliche Fortbildung zwölfmal im Jahr 2.600 Euro, beim Referat Öffentlichkeitsarbeit sind es 2.000 Euro. Bei anderen bereits bestehenden Referaten erfolgt eine Abrechnung für Funktionäre auf Stundenbasis. Für die neu geschaffenen Referate gibt es logischerweise noch keine genauen Honorare.

11,3 Millionen für Personal und Funktionäre

DER STANDARD wollte von der Wiener Ärztekammer wissen, wie viele Positionen in neuen und bestehenden Referaten bei dieser Sitzung tatsächlich neu geschaffen wurden – und mit welchen zusätzlichen Kosten pro Jahr für die Funktionärsarbeit gerechnet wird. Die Antwort auf den umfangreichen Fragenkatalog fiel folgendermaßen aus: "Wir werden uns gerne ausführlich mit den Fragen beschäftigen. Allerdings liegt unser gesamter Fokus bis 22. November auf den Begleitgesetzen zum Finanzausgleich sowie deren negativer Auswirkung auf die Patientinnen und Patienten." Laut dem aktuellen Wahrnehmungsbericht der Wiener Ärztekammer aus dem Jahr 2022 gab die Kammer im Jahr 2021 für "Funktionär:innen und Personal" 11,3 Millionen Euro aus.

Ärztekammer-Präsident Steinhart hatte Anfang Oktober einen Misstrauensantrag gegen sich überstanden, obwohl sich eine Mehrheit in der Vollversammlung der Wiener Kammer gegen ihn ausgesprochen hatte. Für eine Abwahl wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig gewesen. Ex-Präsident Szekeres, der noch im Sommer angesichts des Chaos in der Wiener Kammer Neuwahlen gefordert hatte, schlug sich zuletzt aber auf die Seite von Steinhart und sah von Rücktrittsforderungen ab. (David Krutzler, 16.11.2023)