Wiener Innenstadt, Beleuchtung
Luxusimmobilien werden mitunter von zyprischen Gesellschaften gehalten.
APA/EVA MANHART

Die Geschichte ging 2019 durch alle Medien: Eine palästinensische Familie wollte in Weikersdorf ein Haus kaufen und sesshaft werden. Doch der Bürgermeister legte sich quer. Er sah die muslimischen Zuwanderer kritisch und legte ein vorübergehendes Veto ein. Rechtlich stützte er sich dabei auf die niederösterreichischen Bestimmungen zum Grunderwerb von Ausländern. Für die Familie begann eine Odyssee bei Gericht, die erst nach Jahren positiv für sie ausging. Ähnlich erging es zuletzt einer serbischen Familie in Tirol.

Deutlich leichter haben es da offenbar reiche Russen, Ukrainer oder Georgier, die erst gar nicht in den Kontakt mit den Grunderwerbsbehörden kommen. Wie die internationale Recherche "Cyprus Confidential" zeigt, an der auch der STANDARD beteiligt war, nutzen Geschäftsleute und Investoren zyprischen Gesellschaften, um die Grundverkehrsgesetze legal zu umschiffen. Mithilfe verschachtelter Firmen- und Treuhandkonstrukte können sie dabei auch noch ihre wahre Identität verschleiern. Dazu kommen steuerliche Vorteile.

Zweck des Gesetzes verfehlt

Beschränkungen beim Grunderwerb durch Ausländer gibt es in allen Bundesländern. Eigentlich sollen sie verhindern, dass Investoren aus Drittstaaten (außerhalb der EU sowie Norwegen, Liechtenstein, Island) mit Wohnraum spekulieren und so die Preise treiben. Ob dieser Zweck erreicht wird, darf aber zunehmend infrage gestellt werden. Familien aus Nicht-EU-Staaten, die ein Eigenheim kaufen wollen, müssen sich bei den Behörden anstellen. Gleichzeitig haben wohlhabende Menschen und institutionelle Investoren Möglichkeiten gefunden, sich den Beschränkungen zu entziehen.

Wie einfach das sein kann, zeigt etwa das Wiener Ausländergrunderwerbsgesetz. Personen, die nicht aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) kommen, dürfen nur dann einen Grund erwerben, wenn es daran ein "soziales" oder "volkswirtschaftliches Interesse" gibt. Dasselbe gilt grundsätzlich auch dann, wenn Ausländer die Immobilien nicht direkt kaufen, sondern über eine Gesellschaft. Allerdings gibt es ein Schlupfloch: Das Wiener Gesetz stellt nicht auf den wirtschaftlichen Eigentümer hinter der Investorgesellschaft ab, sondern nur auf die direkten Gesellschafter.

Keine Prüfpflicht

Ein Beispiel: Gründet ein Russe eine österreichische Gesellschaft (GmbH) und kauft damit eine Immobilie, muss der Grunderwerb von den Wiener Behörden genehmigt werden. Keine Prüfpflicht gibt es dagegen, wenn ein Russe eine österreichische GmbH gründet, die wiederum eine österreichische GmbH besitzt und diese zweite GmbH die Immobilie kauft. Mit einer "doppelstöckigen" GmbH verhindert man also auf legale Weise die Anwendung des Wiener Grunderwerbsgesetzes (siehe Grafik unten).

Grafik
der Standard

Zwei GmbHs zu gründen kostet freilich Geld. Billiger ist es, auf Gesellschaften aus anderen EU-Staaten zurückzugreifen, etwa aus Zypern. Die Prüfpflicht entfällt nämlich auch dann, wenn die Immobilie mit einer Gesellschaft aus einem anderen EU-Staat gekauft wird. Während österreichische Gesellschaften mit ausländischen Eigentümern geprüft werden, gibt es diese Pflicht für Gesellschaften aus anderen EU-Ländern nicht. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat diese Ungleichbehandlung in einem Tiroler Fall als zulässig erachtet (G 216/2018).

Fast alle Anträge genehmigt

Dass das Wiener Gesetz in der Praxis kaum Wirkung hat, zeigt auch die Statistik jener Fälle, die tatsächlich geprüft werden. Im Jahr 2022 wurden 832 Anträge auf Grunderwerb genehmigt, 40 wurden abgelehnt. 2021 gab es 935 positive und 25 negative Entscheidungen.

Die zuständige Wiener Behörde MA 35 betont, dass die Verfahren in der Regel schnell abgewickelt werden. Abseits des bürokratischen Aufwands dürfte das Gesetz aber kaum Auswirkungen haben. Sollte man die Vorgaben also verschärfen, damit sie ihren Zweck erfüllen? Oder sollte man sie in Zeiten, in denen die Finanzierung von Projekten schwieriger wird, streichen?

DER STANDARD hat bei den in Wien regierenden Parteien SPÖ und Neos nachgefragt. Eine Antwort gab es nur aus dem Büro von Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos). Demnach habe das Ausländergrunderwerbsgesetz das Ziel, Grundstücksspekulationen zu vermeiden. Das EU-Recht gebe aber vor, dass EU-Gesellschaften nicht schlechter behandelt werden dürfen als österreichische Gesellschaften. Wie aktuelle Beispiele zeigen, erfordere die Eindämmung von Geldwäsche "zusätzliche Maßnahmen". (Jakob Pflügl, 21.11.2023)