Notarity
Das Team von Notarity muss sich gegen eine Klage der Österreichischen Notariatskammer wehren.
(c) Alexander Schindler

Die Ablöse der Handysignatur durch die ID Austria sorgt für viel Verwirrung, weshalb der STANDARD die wichtigsten Fragen rund um die Umstellung auf die neue digitale Identifikation in einem ausführlichen Serviceartikel beantwortet. Ist die Umstellung einmal vollbracht, so lässt sich mit der digitalen Signatur bereits jetzt deutlich mehr unternehmen als das bloße digitale Signieren von PDFs. So gehört zu den rund 60 privatwirtschaftlichen Anwendungen unter anderem, dass online in wenigen Minuten ein Unternehmen gegründet werden kann.

Die einzelnen Schritte in diesem Prozess erläutert Jakobus Schuster, CEO und Mitgründer von Notarity – jenem Start-up, das vor wenigen Wochen für Schlagzeilen sorgte, weil es von der Österreichischen Notariatskammer geklagt worden war. Notarity ermöglicht Notaren und ihren Klientinnen das Abwickeln der Termine über eine Videokonferenz, außerdem vermittelt das Start-up auf Wunsch Kontakt zu Partner-Notaren.

Online-Gründung via ID Austria

Wichtig für die Online-Gründung ist, dass man die ID Austria nicht in der Basis-, sondern in der Vollversion hat. Ist dies der Fall, so registriert man sich bei der entsprechenden Plattform, in diesem Fall app.notarity.com. Klassisch ist hier auch noch die Identifikation über ein Videoidentifikationsverfahren möglich, die Registrierung und Anmeldung via ID Austria soll aber deutlich schneller und einfacher sein. Wählt man die Option der ID Austria, so bekommt man wie gewohnt eine Pushnachricht über die "Digitales Amt"-App, mit welcher man die Freigabe der Daten per Gesichtsscan oder Fingerabdrucksensor autorisiert.

Nach dieser technischen Identifikation erfolgt jene durch den Faktor Mensch – konkret über den anwesenden Notar als Träger eines öffentlichen Amtes, mit dem die Vertragsparteien über einen Videocall im Stil von Zoom oder Microsoft Teams verbunden sind. Dieser kann eventuell verlangen, dass man einen amtlichen Lichtbildausweis an die Kamera hält.

Hat auch der Notar die Identität verifiziert, so kann der entsprechende Vertrag zur Gründung des Unternehmens geöffnet werden. In manchen Fällen, etwa bei einer GmbH-Gründung, liest der Notar den Vertrag laut vor. Anschließend wird unterschrieben. Hierzu platziert der Notar Platzhalter auf dem Dokument, für die Klientinnen und Klienten öffnet sich jenes Fenster, das man auch von der Online-Signatur von PDFs kennt. Auch hier wird die Aktion wieder über die "Digitales Amt"-App bestätigt.

Anschließend muss der Notar die Dokumente noch ausfertigen, was in der Regel wenige Minuten nach Abschluss des Termins geschieht. Allerdings ist der Prozess noch nicht zu hundert Prozent digital, wie sich bei Schusters Demo zeigt. Im Rahmen von Gründungsverträgen muss nämlich nach wie vor auch eine händische Signatur vorliegen, damit diese später beim Unterschreiben weiterer Dokumente verglichen werden kann. Ratsam ist hier, dem Notar bereits vor dem Termin ein digitales Bild der eigenen Unterschrift zur Verfügung zu stellen.

Warten auf Europa

Auf dem Login-Screen fällt auf, dass es dort auch einen Button für einen Login über die europäische E-Idas-Lösung gibt, über welche nationale Modelle wie die ID Austria mit den Systemen anderer Länder kombiniert werden können. Dieser Button ist jedoch nur auf technischer Ebene vorhanden, auf legislativer Ebene hapert es laut Schuster noch. Die genaue Gestaltung der Harmonisierung via eIDAS werde sich erst in den kommenden ein bis zwei Jahren entscheiden.

Als eine Bremse in diesem Bereich wird auch immer wieder Deutschland genannt. Hier erklärt Schuster, dass Deutsche für ihren digitalen Personalausweis einen Pin zugeordnet bekommen, den sie aber oft wieder vergessen, weil es dort für eine digitale Identität noch nicht so viele Anwendungsszenarien gibt wie in Österreich. Zudem ist im deutschen E-Personalausweis kein Foto hinterlegt, wodurch er unter anderem in Österreich nicht als amtlicher Lichtbildausweis gilt.

Klage durch die Kammer

Bezüglich der Klage durch die Österreichische Notariatskammer (ÖNK) gibt Schuster das Update, dass die erste Gerichtsverhandlung für den 1. Februar 2024 angesetzt ist. Dort soll nochmals versucht werden, sich zu einigen. Allerdings hatten zuvor bereits beide Parteien gegenüber dem STANDARD betont, dass vorherige Gespräche ergebnislos gewesen und am Widerstand der jeweils anderen Seite gescheitert seien.

Die Klage ist sehr umfangreich und beinhaltet viele Details, die laut Schuster für das Start-up nicht relevant sind und in welchen man der Kammer somit gerne entgegenkomme. Die ÖNK wiederum sah sich in einem vorherigen Mailverkehr mit dem STANDARD bestätigt, dass die entsprechenden Punkte tatsächlich der geltenden Rechtslage widersprechen.

Kern der Klage ist allerdings der Vorwurf, dass Notarity selbst unberechtigterweise notarielle Dienstleistungen anbiete. Das Start-up bestreitet dies wiederum und betont, nur als Vermittler aufzutreten. Zu beachten ist dabei auch, dass zwar ein Viertel der österreichischen Notare Notarity nutzt, dies allerdings hauptsächlich zur digitalen Kommunikation mit ihren bestehenden Klienten tut. Die kritisierte Vermittlungsdienstleistung nimmt nur ein vergleichsweise kleiner Teil in Anspruch.

Zu beachten ist schließlich auch, dass Notarity nicht der einzige Anbieter ist, bei dem notarielle Dienstleistungen online in Anspruch genommen werden. Eine weitere Möglichkeit besteht über den Anbieter NTBS – ein Tochterunternehmen jener ÖNK, die das Start-up geklagt hat. (Stefan Mey, 21.11.2023)