Mann greift von hinten auf den schwangeren Bauch seiner Frau
Samenspenden helfen, wenn kein Sperma zur Verfügung steht. Viele kommen aus Kopenhagen, dort gibt es mehrere Institutionen.
@ Regine Hendrich

Alle paar Wochen befüllt Niklas einen kleinen Becher und gibt ihn ab. Er verdient damit nichts, den Aufwand nimmt er trotzdem gern auf sich. Er sieht es als Dienst an der Gesellschaft, eine Möglichkeit, anderen Menschen zu helfen. In dem Becher ist Sperma. Niklas ist Samenspender.

Seinen Samen – so wie den von hunderten anderen Männern – können Menschen mit Kinderwunsch über die European Sperm Bank beziehen, eine von Europas größten Samenbanken. Von deren Hauptsitz im dänischen Kopenhagen aus werden sogenannte Straws – Strohhalme aus Kunststoff, die tiefgekühltes, zur Befruchtung aufbereitetes Sperma enthalten – nach ganz Europa verschickt. Per Kurier, in einem speziellen Behälter gefüllt mit Stickstoffdampf, in dem die notwendige tiefe Temperatur von mindestens -196 °C Grad bis zu drei Wochen gehalten wird.

"Wenn man erzählt, dass man in einer Samenbank arbeitet, bricht das immer das Eis. Die Menschen wollen alles wissen", sagt Annemette Arndal-Lauritzen lachend. Sie ist seit über zehn Jahren CEO der European Sperm Bank. Man merkt, dass sie ihren Beruf liebt. "Wir helfen Menschen, sich einen Herzenswunsch zu erfüllen."

Strenge Qualitätskontrolle

Das Produkt der European Sperm Bank ist Samen bester Qualität, mit garantiert gut schwimmenden Spermien. Dafür durchlaufen die Spenden – und die Spender – einen strengen Auswahlprozess. Es ist nicht damit getan, einfach ein paar Mal zu onanieren. Von allen potenziellen Spendern schließen nur die Samenzellen von fünf bis sieben Prozent das Selektionsverfahren erfolgreich ab.

Labor in der European Sperm Bank mit zwei Mitarbeiterinnen
Im Labor wird die Qualität der Spende streng geprüft. Nur Sperma, das viele und gut schwimmende Samen enthält, passiert.
European Sperm Bank

Kommt die Spende ins Labor, wird sie auf einer Schüttelplatte verflüssigt und in einer Zentrifuge aufbereitet. Dann hat sie optisch nur noch wenig mit dem dickflüssigen, klebrigen Ejakulat zu tun, das man kennt. Ein Tropfen dieser klaren, homogenen Flüssigkeit kommt unters Mikroskop, dort werden die Spermien auf einem großen Bildschirm gezählt und auf ihre Schwimmfähigkeit getestet. Je mehr, desto besser. Denn im Prozess der Aufbereitung sterben viele ab, am Ende bleiben nur die übrig, die den hohen QualitätsStandards genügen.

Schließlich wird das Sample von allen unnötigen Zellbestandteilen und toten Samenzellen befreit. Die verbleibende Probe wird in einer speziellen Flüssigkeit, die sie vor Zerstörung durch das Einfrieren schützt, in Straws kryokonserviert.

Den potenziellen Spendern wird auch Blut abgenommen, genetische Veranlagungen für bestimmte Krankheiten wie etwa zystische Fibrose und potenzielle Infektionen werden so überprüft. Das wäre nämlich ein Ausschlussgrund. Das ist keine Garantie, dass ein Kind, das durch Befruchtung mit diesem Sperma entsteht, tatsächlich gesund sein wird. Aber man schließt zumindest alle gängigen Gefahrenquellen aus.

Altruistische Motivation

Doch wer spendet seinen Samen? Geld verdient man damit nämlich nicht, man bekommt nur eine kleine Aufwandsentschädigung. "Die allermeisten tun das tatsächlich aus altruistischen Gründen", sagt CEO Arndal-Lauritzen. Wie eben auch Niklas (Name geändert). Der Hamburger spendet seit mittlerweile dreieinhalb Jahren. "Das Thema war in meinem Umfeld schon länger präsent. Ich kenne ein lesbisches Paar, das sich dazu informiert hat", berichtet der Mittdreißiger.

Auf die European Sperm Bank wurde er durch eine Werbeschaltung auf Instagram aufmerksam. "Da stand etwas in der Art, ich könnte ein interessanter Mann sein. Ich habe einen Screenshot davon in einer Story gepostet, weil ich das ganz witzig fand. Und dann hat mich die lesbische Freundin gefragt, ob ich mir das nicht ernsthaft überlegen wolle."

Seine Motivation: "Ich habe gesehen, wie relevant Samenspenden für Menschen mit Kinderwunsch sind, wenn sie sich den aus irgendeinem Grund auf traditionellem Weg nicht erfüllen können." Er sei so erzogen worden, dass man helfen solle, wenn einem das selbst nicht groß schade. "Ich bin auch Wahlhelfer und spende Blut."

Dass ausgerechnet sein Sperma qualitativ so gut ist, dass es sich zum Spenden eignet, ist keine besondere Befriedigung für Niklas: "Es gibt ja keine Medaille dafür." Aber er findet es gut, aufgrund der ausführlichen medizinischen Abklärung zu wissen, dass er rundum gesund ist. Wie viele genetische Kinder er womöglich hat – oder in Zukunft bekommen wird –, will Niklas nicht wissen. "Es geht mir ja nicht um die Nachkommen. Es wäre auch in Ordnung, wenn nie Kinder aus meiner Spende entstehen würden. Es geht mir darum, das Angebot zu verbreitern."

Wie im Katalog

Für ihn ist aber klar, dass er kein sozialer Vater sein will. "Ich glaube auch gar nicht, dass das sinnvoll ist, die sozialen Eltern sind die, die dem Kind beibringen, wie es die Schuhbänder zubindet und die es trösten, wenn es hinfällt." Natürlich ist er bereit, mit potenziellen Kindern später zu sprechen und genetische Neugier zu stillen. Denn in den meisten Ländern Europas ist die Samenspende gesetzlich so geregelt, dass ein Kind ab 14 Jahren auf Wunsch das Recht hat zu erfahren, wer der Spender ist. Auch eine Kontaktaufnahme muss möglich sein. Aber das war es dann auch für Niklas.

Mitarbeiter hantieren mit den Gefäßen, in denen die Samenspenden kryokonserviert sind.
In speziellen Behältern werden die Samples in schmalen Kunststoffröhrchen tiefgekühlt. Dann werden sie nach ganz Europa verschickt.
European Sperm Bank

Sind die Samenspenden einmal in der Datenbank, können sich zukünftige Eltern ein sehr genaues Bild von den Spendern machen. Wie durch einen Katalog kann man sich durchklicken. Babyfoto, Schriftprobe, ethnische Herkunft, Größe, Gewicht, Haarfarbe – bis hin zu Sommersprossen werden optische Informationen bereitgestellt. Dazu kommen Informationen über die gesundheitliche Familiengeschichte des Spenders, ein Audiofile, in dem man die Stimme hören kann, ein Persönlichkeitstest und eine Beschreibung des Spenders durch die Samenbank. Diese Informationen sind nicht nur für die Eltern gedacht, später können sie auch dem Kind eine Vorstellung von seiner genetischen Herkunft geben.

Entscheidet man sich schließlich für einen Kandidaten, bestellt man eine bestimmte Anzahl an Straws, die direkt an die behandelnde Kinderwunschklinik geliefert werden. Und man kann Straws für weitere Versuche oder spätere Geschwisterkinder reservieren.

So weit der Vorgang. Die Samenspende hat aber auch eine gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Seite, die zu Diskussionen führen kann. In Dänemark wird das Thema sehr offen diskutiert. Hier sind unter anderem deshalb mehrere Samenbanken beheimatet, weil die Gesetzgebung deutlich liberaler ist als etwa in Österreich. Man darf, anders als hierzulande, auf potenzielle Spender mit Werbung zugehen. Und es sind auch schon viele Kinder aus einer Samenspende entstanden. Arndal-Lauritzen berichtet, dass wohl in fast jeder Schulklasse eines sitzt – und man das als ganz normal empfindet. "Das ist kein großes Gesprächsthema mehr."

Auch alleinstehende Frauen können auf die Samenbanken zugreifen. In Österreich ist es Singlefrauen dagegen gesetzlich nicht erlaubt, eine Kinderwunschbehandlung durchzuführen. Man braucht einen Partner oder eine Partnerin dafür, der oder die die Bereitschaft, gesetzlicher Elternteil zu sein, notariell beglaubigt. Eine grobe Ungleichbehandlung, findet etwa die Klagenfurterin Sabrina Krobath. Sie hat deshalb eine Bürgerinitiative ins Leben gerufen mit der Forderung, das zu ändern. Derzeit liegt diese im parlamentarischen Petitionsausschuss zur Behandlung.

Gesellschaftliche Verantwortung

Auch deshalb sehen Arndal-Lauritzen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der European Sperm Bank es als Teil ihres beruflichen Auftrags, an einer offenen, aufgeschlossenen Gesellschaft mitzuarbeiten. Für sie endet die Arbeit ihres Unternehmens nicht mit der Bereitstellung des Spermas. Sie wollen auch einen gesellschaftlichen Diskurs anstoßen und zukünftige Eltern auf ihrem Weg unterstützen. Allein im Kopenhagener Büro sitzen deshalb rund 20 Männer und Frauen, die alle mindestens drei Sprachen sprechen und Menschen aus ganz Europa, die sich für eine Samenspende interessieren, beraten.

Alle erdenklichen Fragen, Sorgen oder Hoffnungen werden da besprochen. "Wir sehen es als Teil unserer gesellschaftlichen Verantwortung, für alle Fragen der Paare, aber auch der Spender und irgendwann womöglich der Kinder da zu sein. Wir wollen sie bestärken, dass der Weg, für den sie sich entschieden haben, ganz normal ist. Und das hat nichts mit der jeweiligen Gesetzeslage in einem Land zu tun. Hier geht es um Menschen", sagt Arndal-Lauritzen.

Noch sind die meisten der Kinder nicht alt genug, um Daten über ihre genetischen Väter zu erhalten. Deshalb kann man jetzt noch nicht sagen, wie groß deren Interesse an ihrer genetischen Herkunft ist. In der Samenbank geht man aber davon aus, dass ein mögliches Interesse sich hauptsächlich auf genetische Fragen konzentriert. Das zeigen die wenigen Erfahrungen, die man bisher gemacht hat.

Bleibt noch die Frage offen: Wer entscheidet sich für eine Samenspende? Das sind immer mehr Paare, auch in Österreich. Im "Kinderwunschzentrum an der Wien" etwa, das mit der European Sperm Bank zusammenarbeitet, aber auch eine hauseigene Samenbank betreibt, werden rund acht Prozent aller Kinderwunschbehandlungen mit Spendersamen durchgeführt, berichtet Reproduktionsmediziner und ärztlicher Leiter Andreas Obruca. Eine Hälfte sind homosexuelle Paare, die andere heterosexuelle.

Bei gleichgeschlechtlichen Paaren ist Samenspende meist die logische Entscheidung. Theoretisch gäbe es die Möglichkeit, eine Spende im persönlichen Umfeld zu finden. Doch viele wollen das gar nicht, weiß Obruca, weil es die Lage verkomplizieren würde. Es ist etwa nicht eindeutig klar, ob und welche Rechte der biologische Vater geltend machen könnte – zumindest wenn die Elternschaft nicht in einem notariellen Akt geregelt ist.

Am Ende nur Liebe und Freude

Und warum entscheiden sich heterosexuelle Paare für eine Samenspende? Weil es mit dem Kinderwunsch bei Natascha (30) und Mak (33) nicht gleich geklappt hat, ließ Mak aus Interesse sein Sperma untersuchen – und bekam die Schockdiagnose Azoospermie. In seiner Samenflüssigkeit fehlen die Samenzellen komplett. Warum das bei ihm so ist, weiß man nicht. Prinzipiell können hormonelle Veränderungen oder genetische Erkrankungen ein Auslöser sein.

Natascha und Mak zeigen ein Herz
Im März ist es so weit, dann kommt das Baby von Natascha (30) und Mak (33) auf die Welt. Weil in seiner Samenflüssigkeit die Spermien fehlen, haben sie sich für eine Samenspende entschieden. Das soll das Baby von Anfang an wissen. Sie arbeiten jetzt schon an einem Kinderbuch, das ihm seine Geschichte erzählen wird.
@ Regine Hendrich

Zwei – äußerst schmerzhafte – Hodenpunktionen später war klar, es klappt nicht mit der Befruchtung. Die Entscheidung für die Samenspende war für das Paar die logische Konsequenz. Emotional schwierig wurde es für Mak aber, als es darum ging, das genaue Profil des Spenders auszuwählen. "Ich hatte einige schlaflose Nächte", erzählt Mak. "Das entscheidet man nicht leichtherzig, ich habe mir auch die Frage gestellt, wie das Baby eine Bindung zu mir aufbauen wird."

Im Fall der beiden waren auch mit Spendersamen mehrere Versuche nötig, bis es tatsächlich zu einer erfolgreichen Schwangerschaft kam. Natascha meint: "Ich habe den Eindruck, dass es auch bei mir nicht so einfach klappte. Das hat es irgendwie leichter gemacht. Bei uns hat sich zwar nie die Frage gestellt, wer 'schuld' ist, das wäre Blödsinn – trotzdem hat es Druck rausgenommen."

In knapp zwei Monaten ist der Geburtstermin. Dass ihr Baby mithilfe einer Spende entstanden ist, wird kein Geheimnis bleiben. Schon jetzt arbeiten die beiden an einem Kinderbuch, mit dem sie ihm seine Geschichte von Anfang an erzählen wollen. Mak und Natascha strahlen, während sie das berichten.

Am Ende ist es nicht mehr wichtig, wer der Spender ist. "Ist das Baby da, sehen wir nur unendliche Liebe bei den Eltern, egal welche Bedenken und Ängste es am Anfang womöglich gab", berichtet auch Arndal-Lauritzen. "Das macht unsere Arbeit so schön. Wo sonst bekommt man so viele Nachrichten, die einfach voller Glück und Dankbarkeit sind?" (Pia Kruckenhauser, 27.1.2024)

Transparenzhinweis: Die Reise nach Kopenhagen erfolgte mit finanzieller Unterstützung der European Sperm Bank.