Verfassungsrechtlich mag alles in Ordnung sein: Polens Präsident Andrzej Duda hatte einen Vertreter der stimmenstärksten Partei mit der Regierungsbildung betraut – konkret den amtierenden Premier Mateusz Morawiecki von der nationalkonservativen PiS. Die Frist, in der Morawiecki ein neues Kabinett präsentieren musste, hat dieser voll ausgereizt. Auch das ist sein gutes Recht. Dem Parlament muss seine Regierung nun innerhalb von zwei Wochen die Vertrauensfrage stellen, und in Polen gehen alle davon aus, dass es auch genau so lange dauern wird. Wieder: alles rechtens.

Polens Premier Mateusz Morawiecki beim Unterschreiben der Ernennungsurkunde.
Premier Mateusz Morawiecki ist erneut polnischer Regierungschef. Bei der Vertrauensabstimmung in spätestens zwei Wochen hat er allerdings kaum Chancen.
IMAGO/Wojciech Olkusnik

Und doch sorgt die Angelobung des neuen Kabinetts, dessen Mitglieder der Öffentlichkeit zum Großteil weitgehend unbekannt sind, für heftige Reaktionen im Land, meist angesiedelt irgendwo zwischen beißendem Spott und anhaltender politischer Verunsicherung. Die PiS nämlich hat bei der Wahl ihre Mehrheit im Parlament verloren, ein liberales Oppositionsbündnis rund um Ex-Premier Donald Tusk hingegen hat bereits einen Koalitionsvertrag unterschrieben und verfügt über ausreichend Mandate, um regieren zu können. Dennoch heißt es: Bitte warten.

Während sich nun die einen darüber lustig machen, dass sich die PiS für weitere 14 Tage an die Macht klammert, befürchten andere, dass ihr Chef Jarosław Kaczyński und seine Getreuen im Hintergrund an irgendwelchen Fäden ziehen, um doch weiterregieren zu können. Die Partei täuscht zwar politische Normalität vor, doch beide Varianten sprechen Bände über das vergiftete Klima nach acht Jahren PiS-Regierung.

PiS sieht eine "Chance"

Falls es die Hauptaufgabe des neuen Kabinetts sein sollte, einige Günstlinge noch schnell mit Posten zu versorgen oder der künftigen Regierung durch letzte Winkelzüge das Leben schwer zu machen, dann wäre das ein trauriger, aber nicht wirklich überraschender Schönheitsfehler der Machtübergabe in Warschau. Die PiS aber will derlei Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen und hält lieber die Perspektive fürs vermeintlich ganz normale Weiterregieren aufrecht: Die Chance dafür liege bei zehn Prozent, hört man aus der Partei.

Genau das aber signalisiert erst recht die Missachtung demokratischer Prozesse: Immerhin haben die Parteien der liberalen Opposition mehrfach ihre Regierungsbereitschaft bekundet und diese untereinander sogar vertraglich festgelegt – ausgestattet mit einer Mehrheit und mit einem Programm. Eben so, wie das in Demokratien üblich ist. Worin also sieht die PiS nun ihre Chance konkret? Darin, dass es ihr in Hinterzimmerdeals mit ausreichend vielen Abgeordneten gelingt, doch noch neue alte Verhältnisse zu schaffen? Oder darin, dass sich Tusks Oppositionsbündnis auf den letzten Metern noch eigenhändig zerkracht?

Wie man es auch dreht und wendet: Die Angelobung des neuen Kabinetts, das viele in Polen schon jetzt als "Zwei-Wochen-Regierung" verspotten, war ein unwürdiges Schauspiel. Mit geheimnisumranktem Machterhalt hatte sie jedenfalls wesentlich mehr zu tun als mit offen kommuniziertem Gestaltungswillen. (Gerald Schubert, 28.11.2023)