"Ich wurde beraubt." Das steht in Großbuchstaben im Titel des neuesten Videos, das der US-amerikanische Youtuber "JerryRigEverything", bürgerlich Zack Nelson, hochgeladen hat. Und es sind schwere Vorwürfe, die er in dem knapp 14-minütigen Clip erhebt. Konkret geht es um, danach sieht es jedenfalls aus, dreisten Diebstahl von Designs für Handyhüllen.

Die Vorgeschichte: Der für Bauprojekte sowie Teardowns und Härtetests mit Smartphones bekannte Videomacher hat in Zusammenarbeit mit dem kanadischen Anbieter Dbrand Handyhüllen auf den Markt gebracht. Diese sind verfügbar für eine Reihe bekannterer Modelle, etwa Googles Pixel-Geräte, die Galaxy S-Reihe von Samsung und auch Apples iPhones.

Diese "Teardown"-Hüllen bilden die bei der Zerlegung der Geräte freigelegten "Innereien" im Maßstab 1:1 ab und erwecken damit von außen den Eindruck, ins Handy hineinsehen zu können. Vorlage dafür sind hochauflösende Fotografien in hoher Qualität, die Nelson und sein Team selbst angefertigt haben.

I'VE BEEN ROBBED
JerryRigEverything

Vor kurzem hat nun auch Casetify, ein international operierender Handyhüllenhersteller aus Hongkong, der nach Aussagen des Konzernchefs knapp eine Milliarde Dollar wert sein soll, ebenfalls Smartphone-Schützer im "Teardown"-Design auf den Markt gebracht. Ein Umstand mit dem er per se kein Problem hätte, sagt Nelson. Im Gegenteil, er würde sich freuen, wenn auch jemand anderer sich die Mühe gemacht hätte, Geräte zu zerlegen, detaillierte Fotos zu machen und diese anschließend auf eine Hülle aufzudrucken.

Eastereggs als "Smoking Gun"

Doch das dürfte bei den Produkten von Casetify nicht der Fall sein, wie der Youtuber in seinem Video ausführlich darlegt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei der "Inside Out"-Serie von Casetify einfach nur um marginal veränderte Kopien seiner Arbeit, die in schlechterer Druckqualität verwendet werden.

Zur Beweisführung stellt er die Originale von Dbrand den Produkten von Casetify gegenüber. Während verschiedene Ähnlichkeiten noch unwahrscheinlichen Zufällen geschuldet sein könnten, enthüllt Nelson schließlich die "Eastereggs" als seinen wichtigsten Nachweis für das Vorgehen von Casetify. Dabei handelt es sich um kleine "Extras", die nachträglich den Scans hinzugefügt wurden.

Screenshot aus einem Video zum Nachweis der Designkopie einer Handyhülle.
Als wichtigste Beweisstücke zeigt Nelson "Eastereggs", wie den nachträglich ergänzten Spruch "Glas ist Glas, und Glas bricht", der auch auf der Hülle von Casetify zu finden ist.
Youtube/JerryRigEverything

So findet sich beispielsweise das Gründungsdatum von Dbrand verewigt zwischen den Smartphone-Komponenten, ebenso Nelsons gern verwendeter Spruch "Glas ist Glas, und Glas bricht". Und zwar sowohl auf den Originalhüllen als auch jenen von Casetify. Auch andere, per Nachbearbeitung besser sichtbar gemachte Merkmale sind dort zu finden.

Nur an einzelnen Stellen gibt es Änderungen, beispielsweise wurde an einer Stelle die Beschriftung "SUBSCRIBE" in "CTFY" geändert. Und einem Fehler auf einer Samsung-Hülle nach zu urteilen, dürften die Verantwortlichen bei Casetify nicht einmal die Dbrand-Hüllen bestellt und und dann kopiert, sondern lediglich Vorschaufotos von der Website heruntergeladen haben, vermutet Nelson.

Der Youtuber Zack Nelson, vulgo JerryRigEverything, sitzend an einem Tisch.
Zack Nelson hält die Casetify-Hüllen in der Hand, die seiner Beweisführung nach eine dreiste Kopie seiner eigenen Arbeit sind.
Youtube/JerryRigEverything

6,7 Millionen Euro Schadenersatz gefordert

Er sei eigentlich jemand, der nicht gerne vor Gericht ziehe, jedoch sehe er angesichts der Dreistigkeit des Vorgehens keine andere Wahl, erklärt er weiter. Denn es geht um gut 10.000 Stunden an Arbeit, die sich Casetify hier einfach angeeignet habe. Dbrand und er haben mittlerweile eine Klage wegen 117 mutmaßlich kopierter Designs eingereicht. Gefordert wird eine Entschädigung von zehn Millionen kanadischen Dollar (aktuell rund 6,7 Millionen Euro).

Er rechnet mit einer längeren Verfahrensdauer, zeigt sich aber optimistisch, was den Ausgang betrifft. Etwaige für ihn abfallende Erlöse aus dem Verfahren verspricht er, in sein Projekt "Not a Wheelchair" zu investieren und auch Rollstühle zu verschenken.

Casetify entfernt Hüllen aus eigenem Onlineshop

Casetify hat sich zu den Vorwürfen bislang nur mit einem kurzen Statement auf X (vormals Twitter) geäußert. Man sei "stets eine Bastion der Originalität" gewesen, untersuche nun die Vorwürfe und habe die infrage stehenden Designs aus dem eigenen Onlineshop entfernt.

Zudem untersuche man auch eine DDoS-Attacke gegen die eigenen Website, versichert aber, dass Kundendaten sicher seien. Kommentatoren weisen in Antworten darauf hin, dass die mutmaßlichen Kopien aber nach wie vor über Retailkanäle wie die Supermarktkette Best Buy angeboten werden. (gpi, 29.11.2023)