Baustelle beim Elbtower in Hamburg.
Die Baustelle des Elbtowers in Hamburg – mittlerweile ein Symbol für den Absturz des Immobilienimperiums von René Benko.
IMAGO/Rico THUMSER / foto-leipzi

Es ist nicht weniger als eine "Herkulesaufgabe", die auf Christof Stapf zukommt – so formulierte es jüngst der Kreditschutzverband 1870. Der als Insolvenzverwalter der Signa Holding bestellte Anwalt muss sich durch ein schier undurchblickbares Dickicht an Gesellschaften wühlen. Die insolvente Mutter des Signa-Konzerns ist an 36 österreichischen Gesellschaften beteiligt. Insgesamt zählen zum Konstrukt mehr als tausend Gesellschaften, die sich zum Teil gegenseitig Geld schulden.

Die Insolvenz der Signa Holding ist nach der Signa Sports United und der deutschen Tochter Real Estate Management die dritte Pleite in René Benkos Imperium in jüngster Zeit. Dass weitere Gesellschaften folgen, ist durchaus möglich, aber kein Muss: Gesellschaften eines Konzerns werden im Insolvenzrecht grundsätzlich individuell behandelt. Eine gemeinsame Insolvenz mehrerer Gesellschaften ist in Österreich nicht vorgesehen – weder in verfahrensrechtlicher noch in wirtschaftlicher Hinsicht.

Koordinierung bereits möglich

Die SPÖ sieht deshalb Reformbedarf. Es brauche ein "neues Konzerninsolvenzrecht", damit der Verantwortung der Eigentümer "am besten entsprochen" werden könne. So sollen etwa "verschiedene Konzernunternehmen generell als eine Einheit betrachtet werden", wenn es zu Vermögensverschiebungen zulasten der Gläubiger gekommen ist. Vor Augen hat die SPÖ vor allem die Situation bei Kika/Leiner und bei Galeria Karstadt Kaufhof: Dort wurden bereits lange vor der Insolvenz der Handelsbetrieb und die Immobilien jeweils in eigene Gesellschaften aufgesplittet. Die Folge war, dass die Gläubiger in der Insolvenz des Handelsbetriebs nicht auf die Immobilien zugreifen konnten.

Bislang gibt es in Österreich nur Ansätze eines Konzerninsolvenzrechts. "Werden mehrere Konzerngesellschaften insolvent, bestehen etwa Möglichkeiten zum Austausch von Informationen", sagt Florian Klimscha, Sanierungsexperte bei Freshfields. Zudem kann ein "Koordinator" bestellt werden, der zwischen den Insolvenzverwaltern vermittelt.

In Deutschland geht man bereits einen Schritt weiter: Mehrere Insolvenzverfahren eines Konzerns können dort bei einem zentralen Gericht bzw. einem Richter gebündelt werden. "Im Grundsatz ist das deutsche System, glaube ich, gar nicht schlecht", sagt Klimscha. Es soll vor allem einen leichteren Informationsaustausch ermöglichen und Doppelgleisigkeiten vermeiden – etwa bei Sachverständigen. Zudem könnten Konzernteile gemeinsam verwertet werden. Das kann für Gläubiger besser sein, als sie einzeln zu verkaufen.

"Ob eine derartige Verfahrenskonzentration sinnvoll ist, hängt in der Praxis natürlich immer von der Struktur des konkreten Konzerns ab", sagt Klimscha. "Eine Koordinierung bringt einen zusätzlichen zeitlichen Aufwand mit sich. Fraglich ist immer, ob der Vorteil diesen zusätzlichen Aufwand überwiegt."

In Österreich "kaum vereinbar"

Vom Vorschlag der SPÖ, noch weiter zu gehen und den Konzern in bestimmten Situationen als einheitlichen Schuldner zu betrachten, hält der Experte wenig. "Wenn Sie gesetzlich fingieren, dass ein Konzern in der Insolvenz ein gemeinsamer Schuldner wird, dann durchbrechen Sie ganz grundsätzliche Prinzipien."

In Österreich gilt das Trennungsgebot. Das bedeutet, dass Muttergesellschaften nicht für die Schulden der Tochter haften. Eine Aufhebung dieses Prinzips hätte laut Klimscha schwer abschätzbare Folgen. So könnten etwa gesunde Gesellschaften mitbetroffen sein. Zudem müssten Gläubiger immer damit rechnen, dass sie – vereinfacht gesagt – den "Durchschnitt" des Konzerns als Schuldner haben.

Christian Koller, Professor für Zivilverfahrensrecht an der Uni Wien, hält eine derartige "materielle Konsolidierung" für "kaum vereinbar" mit dem gesellschaftsrechtlichen Verständnis in Österreich. Selbst in Ländern, in denen eine Konsolidierung möglich ist, werde sie "nur in Ausnahmefällen zugelassen". Um Gläubiger zu schützen, gebe es im Gesellschafts- und Insolvenzrecht schon jetzt "zahlreiche Instrumente".

Auch Klimscha betont, dass bereits ausreichend Handhabe besteht – etwa über die Sorgfaltspflichten der Geschäftsführung oder über das Anfechtungsrecht im Insolvenzverfahren. So können etwa Vermögensverschiebungen vor der Insolvenz, die Gläubiger benachteiligen, rückgängig gemacht werden.

All das wird Insolvenzverwalter Stapf nun genau prüfen. Viel Zeit bleibt allerdings nicht, um das Signa-Dickicht zu durchwühlen. Die Abstimmung über den Sanierungsplan ist bereits für den 12. Februar anberaumt. (Jakob Pflügl, 5.12.2023)