Die Zucht von Christbäumen erfordert das ganze Jahr über Pflege.
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Regional soll er sein, stabil, schön zum Anschauen, die Nadeln sollen lang am Baum bleiben, und duften soll er: Die Anforderungen, die an einen Christbaum gestellt werden, sind hoch. Weihnachten ist immer noch das zentrale Familienfest. Viele wollen, dass an diesem Tag alles perfekt ist – und dazu gehört eben auch der richtige Baum.

An Angebot mangelt es nicht: Ob im Baumarkt, auf dem Christkindlmarkt oder im Internet: Einen Baum bekommt man fast überall. Fast hat man den Eindruck, im Dezember wird er an jedem Straßeneck verkauft.

Ihn dort zu kaufen ist langweilig und nichts Besonderes mehr, denken Sie sich? Dann sollten Sie einmal ausprobieren, einen Baum direkt im Wald auszusuchen, ihn dort zu fällen und anschließend nach Hause zu transportieren. Das geht natürlich nicht in jedem Wald und soll auch keine Aufforderung zum Diebstahl sein. Besuchen Sie einen Land- oder Forstwirt, der eine Christbaumplantage hat und Sie den Baum selbst fällen lässt. In und um Wien steigt das Angebot, oft werden Events in der Adventzeit organisiert, wo Sägen gereicht werden – und nach getaner Arbeit Kekse, Glühwein und Punsch.

Was man bei Kauf und Pflege von Weihnachtsbäumen beachten sollte.
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Mundpropaganda reicht aus

Auch Leopold Meißl in Hornsburg in Niederösterreich, rund 35 Kilometer von der Wiener Stadtgrenze entfernt, öffnet im Dezember zweimal seine Christbaumplantage. Groß Werbung macht er dafür nicht. Leute aus der Umgebung wissen, wann es so weit ist. Mundpropaganda und ein Hinweis auf Facebook reichen aus, um genug Kundschaft anzusprechen. Klein und überschaubar soll sein Kaufevent bleiben, damit die Stammkundschaft gut versorgt werden kann.

Meißls Vater hat vor 35 Jahren damit begonnen, Nadelbäume zu setzen. Richtig ernsthaft betreibt die Plantage jetzt Meißl junior, der Forstfacharbeiter und Landwirt ist. Nordmanntannen, Coloradotannen und Weißtannen findet man in seinem Wald – auch Fichten, die früher als Christbäume zum Einsatz kamen.

Familien reservieren sich "ihren" Baum im Herbst, im Dezember wird er umgeschnitten.
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Beim Lokalaugenschein in Hornsburg Ende November sind einige Bäume bereits mit Schleifen, Schlüsselbändern oder Sternanhängern markiert. Sie sind reserviert und werden von den Familien in der Adventzeit abgeholt. Auffallend ist, dass neben den großen Bäumen stets ein Kleiner gesetzt ist. Dadurch wird gewährleistet, dass die Wurzeln genug Platz haben. Kommt ein Großer weg, kann sich der Kleine ausbreiten.

Drei Schafe im Christbaumwald

Zur Pflege der Christbaumplantage gehört es, immer wieder Zweige herauszuschneiden, schiefwachsende geradezubinden und dafür Sorge zu tragen, dass die Bäume nicht zu hoch werden. Da sinkt die Nachfrage.

In den warmen Monaten leben auf der Christbaumplantage drei Shropshire-Schafe. Sie sind der natürliche Rasenmäher rund um die Bäume, knabbern sie aber nicht an.

Landwirt Leopold Meißl in Niederösterreich hat eine überschaubare Plantage, um die er sich neben Weinbau und Viehzucht kümmert.
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Welche Tipps hat Meißl für seine Käufer parat? Wichtig sei es, die Bäume nicht zu früh umzuschneiden und ihnen, sobald sie im Haus aufgestellt werden, regelmäßig Wasser zu geben. Dann bleiben die Nadeln dran.

Zu beachten sei außerdem, dass das Kambium, die Schicht am Stamm unterhalb der Rinde, nicht zu stark verletzt wird. Das kann passieren, wenn man den Baum in den Christbaumständer stellt und ihn davor zuspitzt. Das Kambium speichert das Wasser und versorgt den Baum mit Feuchtigkeit, die für eine längere Haltbarkeit unabdinglich ist.

Im Wald duftet es, da kommt Weihnachtsstimmung auf.
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Ortswechsel in die Steiermark. Wo viel Wald ist, gibt es viele Christbäume, und auch hier heißen Landwirte ihre Kundschaft zunehmend im Wald willkommen. Familie Reisinger aus Graz hat sich beispielsweise bereits einen Baum geholt. Er steht nun auf der Terrasse bereit und wartet auf seinen Einsatz zu den Feiertagen. Elisabeth Reisinger und ihr Mann wurden vor einem Dreivierteljahr Eltern, sie haben bewusst heuer zum ersten Mal diesen Weg des Christbaumkaufs gewählt. Tochter Eleanor war mit dabei im Wald. Der Beginn einer Familientradition, wie sie hoffen. Sie planen, nun jedes Jahr den Baum beim Bauern im Mürztal zu kaufen.

Entweder so einen Baum oder gar keinen, sagt Reisinger. Beim Stand oder im Baumarkt eine Tanne zu kaufen komme nicht infrage. Denn dafür würden mehr Bäume gefällt, als überhaupt benötigt werden. Natürlich stelle sich überhaupt die Gewissensfrage, einen Baum zu kaufen, den man maximal ein paar Wochen in der Wohnung stehen hat. Beim Bauern wisse man immerhin, woher er kommt und wie er gewachsen ist – und dass keine Nadelbäume unnötig dran glauben mussten.

Ein Plastikbaum, auf den mancher bereits umgestiegen ist, sei keine Option, da gingen der Duft und die Frische ab. Auf der Rückfahrt vom Wald nach Graz sei der Duft unbeschreiblich gewesen, sagt Reisinger. Dabei kam die Weihnachtsstimmung so richtig auf.

Informiert habe sie sich bereits über Bäume im Topf als möglicherweise nachhaltigere Alternative. Doch gebe e hier zahlreiche negative Erfahrungsberichte darüber, dass die Bäume sich nicht mehr von den Strapazen des Umsetzens erholen.

Sobald er in der Wohnung steht, sollte man dem Baum Wasser geben. Dann bleiben die Nadeln länger dran.
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Leopold Meißl in Niederösterreich bestätigt das. Das Wurzelwerk der Tannen sei im Topf sehr beengt. Zwar klinge es sehr verlockend, den Baum nach den Wintermonaten wieder ins Freie setzen zu können – doch viele der Nadelgewächse kommen auch mit den Temperaturunterschieden nicht klar und gehen dann nach kurzer Zeit ein.

Bei Meißl laufen die Vorbereitungen für die Schnitttage, an denen die Kundinnen und Kunden ihre Bäume abholen kommen. Die Zufahrt muss geräumt, Schilder aufgestellt werden. Jedes Jahr werden 100 bis 150 Bäume geerntet – der Großteil davon wird verkauft. Sie kosten 15 bis 20 Euro pro Meter, das ist vergleichsweise günstig. Manche spendet Meißl auch, etwa an die Justizanstalt in Korneuburg oder an seine Gemeinde Hornsburg.

Umschneiden mit der Bügelsäge

An den Schnitttagen kommen hauptsächlich Familien zu ihm. Motivierte Väter zeigen ihren Kindern, wie das Baumsägen geht – und brauchen dann selbst oft Hilfe dabei. Handarbeit ist gewünscht, eine schlichte Bügelsäge gefragt. Rücke man mit der Motorsäge aus, blicke man oft in enttäuschte Gesichter.

Meißl und seine Familie holen ihren Christbaum immer erst kurz vor dem Heiligen Abend nach Hause. Bei ihnen laufe das traditionell ab, weniger "amerikanisch". Den Baum stelle man erst am 24. Dezember auf. Meistens bleibt noch ein schöner übrig – und wenn er auf einer Seite karg ist, wird er mit zusätzlichen Zweigen aufgehübscht. Dafür wird ein kleines Loch in den Stamm gebohrt, das Grünzeug reingesteckt.

Dann heißt es auch bei den Meißls "Ooooo Tannenbaum" – alle Jahre wieder. (Rosa Winkler-Hermaden, 11.12.2023)