Der EU-Rechnungshof hat öffentliche Aufträge untersucht – etwa im Baubereich. Laut den Prüfern werden zu viele Aufträge direkt an bestimmte Unternehmen vergeben.
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Zu wenig Wettbewerb, zu wenig Transparenz und ein "verlorenes Jahrzehnt": Es waren drastische Worte, die der EU-Rechnungshof jüngst in seinem Bericht über Auftragsvergaben von staatlichen Stellen wählte. In den vergangenen zehn Jahren hätten weniger Unternehmen an Vergabeverfahren teilgenommen. Stattdessen wandten sich die Behörden in den EU-Mitgliedsstaaten häufig direkt an bestimmte Anbieter. Zudem gebe es "weiterhin Probleme mit mangelnder Transparenz".

Fehlendes Bewusstsein

Konkret kritisieren die Prüferinnen und Prüfer, dass der Anteil an Direktvergaben und an öffentlichen Ausschreibungen, an denen nur ein einziges Unternehmen teilgenommen hat, weiterhin hoch bleibe und in bestimmten Ländern zuletzt sogar gestiegen sei. Es fehle "das Bewusstsein dafür, dass Wettbewerb eine wichtige Voraussetzung ist, um bei der Auftragsvergabe ein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis zu erzielen", heißt es in dem Bericht.

In Österreich lag der Anteil an Verfahren ohne Ausschreibung in den vergangenen Jahren etwa stets bei über 30 Prozent. Der Trend hin zu Vergabeverfahren mit nur einem Bieter nahm hierzulande besonders stark zu, wie der EU-Vergleich zeigt. Im Jahr 2011 lag der Anteil in Österreich bei unter 20 Prozent. In den folgenden Jahren stieg er bis ins Jahr 2021 auf mehr als 40 Prozent.

Kritik an der Kritik

Trotz der Zahlen können österreichische Vergaberechtsexperten wie der Wiener Rechtsanwalt Martin Schiefer den Bericht nicht ganz nachvollziehen – und üben nun Kritik an der Kritik. Die Analyse behandle im Wesentlichen nur die EU-Vergabe, sagt Schiefer. "Zumindest für Österreich trifft das in dieser Härte und Schärfe nicht zu. Wir haben ein sehr gutes Gesetz, und es stimmt nicht, dass wir seit 2014 einen Stillstand hatten."

Was die Direktvergaben betrifft, so betrachtet der Bericht nur die EU-weiten Verfahren, nicht jedoch den für Auftraggeber relevanten Unterschwellenbereich. Gerade bei diesen Vergaben gibt es aber interne Compliance-Vorgaben. "Der zuständige Beamte muss auch bei Direktvergaben sehr wohl darauf schauen, dass Wettbewerb stattfindet und nicht immer die gleichen zum Zug kommen", sagt Schiefer.

Anbietermarkt

Dass es viele Vergaben mit nur einem Bewerber gibt, liegt laut dem Rechtsanwalt daran, dass sich in vielen Bereichen in den letzten Jahren ein Anbietermarkt entwickelt hat. Unternehmen könnten es sich mitunter aussuchen, ob sie sich an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen oder ihre Produkte bei privaten Auftraggebern unterbringen. Bei vielen Produkten, die im Zuge der Pandemie verkauft wurden – etwa bei Masken oder Beatmungsgeräten –, sei die öffentliche Hand nicht wettbewerbsfähig gewesen. "Man muss schon auch die Rahmenbedingungen der letzten Jahre mitberücksichtigen", sagt Schiefer.

Ähnlich sieht das Johannes Hartlieb, Vergaberechtsexperte in der Kanzlei Haslinger Nagele. "Mein Eindruck ist, dass es am Markt mangels Alternativen schlicht oft nur einen Anbieter gibt." Das habe möglicherweise damit zu tun, dass sich Wirtschaftssektoren verfeinert hätten und man seitens der Behörden immer spezifischere Leistungen ausschreibe, etwa im IT-Bereich.

Freilich gebe es vereinzelt nach wie vor Fälle, in denen Behörden Ausschreibungen auf bestimmte Unternehmen zuschneiden. "In solchen Fällen können Konkurrenten aber Rechtsmittel ergreifen", betont Rechtsanwalt Schiefer.

Schwellen verlängert

Verbesserungsbedarf sieht Hartlieb bei der Pflicht für Auftraggeber, bestimmte Anbieter aus formalen Gründen aus dem Verfahren auszuscheiden. "Da kann es manchmal schon ausreichen, wenn in der Bewerbung eine Unterschrift fehlt." In bestimmten Situationen führe das dazu, dass nur mehr ein oder zwei Bieter übrigbleiben. "Es wird immer wieder diskutiert, das zu liberalisieren und den Bietern mehr Möglichkeiten zu geben, Fehler zu korrigieren", sagt Hartlieb. "Es wäre wünschenswert, wenn es hier ein bisschen mehr Spielräume gäbe."

Zuletzt hatte auch der österreichische Rechnungshof scharfe Kritik an öffentlichen Auftragsvergaben geübt – konkret am Wiener Gesundheitsverbund. Im Bereich Medizintechnik seien etwa rund zwei Drittel aller Aufträge über 50.000 Euro ohne Bekanntmachung vergeben worden. Die Stückelung von Vergabesummen könnte laut den Prüfern darauf hindeuten, dass man die Schwelle für Direktvergaben bewusst unterschritten habe.

Derzeit dürfen laut der Schwellenwerteverordnung Aufträge im Volumen von weniger als 100.000 Euro direkt vergeben werden. Das Justizministerium will diese Grenze nun bis Ende 2025 verlängern, heißt es auf STANDARD-Anfrage. (Jakob Pflügl, 12.12.2023)