Ist Weihnachten ein warmes Familienfest oder ein Stress, den man sich schenken kann?
APA/EVA MANHART

Pro: Auf der richtigen Seite der Christbaumkugel

Es gibt ein Wiener Bonmot, das die Tristesse der kalten Jahreszeit umschreiben soll. In etwa lautet es so: Es gibt schon einen Grund, warum Sigmund Freud die Depression im Winter in Wien erfunden hat.

Tatsächlich war der Dezember in der Hauptstadt auch dieses Jahr nebelfeucht und trüb, unterbrochen von kurzem Schneefall. Ständiges Frösteln, die Sonne geht gefühlt schon nach dem Mittagessen unter, Winterblues kommt auf. In Anlehnung an den Freud-Spruch könnte man sagen: Es gibt schon einen Grund, warum die Christen inmitten der Kälte ein warmes, freundliches Familienfest erfunden haben.

Natürlich, zwischen Theorie und Praxis klafft in vielen Familien eine Lücke. Und dennoch: Weihnachten, wenn man sich auf den Kitsch einmal einlässt, kann trotz unwirtlicher Außenbedingungen das Innenleben aufpäppeln. Die eine wichtige Regel lautet dabei: möglichst wenig Ansprüche an sich selbst und die anderen stellen. Dann wird das schon.

Kekserln essen, irgendwo eine alte Lichterkette aufhängen, den Christbaum schmücken – oder auch nicht, wenn man darauf keine Lust hat. Weihnachten teilt den ohnehin viel zu langen Winter in ein Vorher und Nachher – und lässt ihn dadurch kürzer erscheinen. Schon allein das ist viel wert.

Ich war ja einst auch ein Grinch. Besser lebt es sich auf der hellen Seite der Christbaumkugel. (Katharina Mittelstaedt, 24.12.2023)

Kontra: Weihnachten ist und bleibt eine Zumutung

Es mag Menschen geben, die Weihnachten mögen. Es hat ja tatsächlich seine schönen Seiten. Das sogenannte frohe Fest ist aber auch eine Zumutung. Jedes Jahr um dieselbe Zeit bricht ein Stress aus, den man sich schenken kann.

Überall fühlt man sich bemüßigt, kitschige Weihnachtsdeko aufzustellen. Die ist in der Regel noch dazu ziemlich hässlich. Es werden kiloweise Kekse gebacken und verschenkt, die man spätestens nach dem 20. Stück nicht mehr riechen kann. Und der ach so tolle echte Tannenbaum, meist unter dem Klang grässlicher Weihnachtsmusik geschmückt, wurde zuerst mühsam nach Hause transportiert, ehe er irgendwann im Jänner – vergessen und vertrocknet – in den Mist wandert.

Und dann wären da noch die Geschenke. Den gesamten Dezember über hört man von Freunden und im Büro, dass sie noch so und so viele Präsente für die Familie besorgen "müssen". Sätze wie diese rattern wie ein bedrohlicher Countdown durch die angeblich besinnliche Zeit. Das "richtige" Geschenk zu finden ist an sich eine Belastung. Zu Weihnachten mündet das nicht selten in einem manischen Einsammeln von unnötigem Zeugs. Aber das kommt sicher von Herzen.

Nicht zuletzt gelten die Weihnachtsfeiertage als Zeit, in der die Familie endlich wieder zusammenfindet. Ganz ungezwungen, versteht sich. Wer's glaubt! Von Weihnachtsfrieden fehlt da oft jede Spur. Aber wie kann es auch anders sein, in einer der stressigsten Zeiten des Jahres? (Jan Michael Marchart, 2.12.2023)