Kanzler Nehmanner und "Volkskanzler" Kickl.
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Manche können es einfach nicht mehr erwarten. Wackelt Nehammer jetzt als ÖVP-Chef? fragte "Österreich" am Wochenende, unterlegt mit der ­Behauptung Parteigranden sägen an Sessel.

Dann kam aus derselben Zeitungsfirma ÖVP-Insider: "Wann ­Nehammer fallen würde". Der Tag steht noch nicht fest, aber die ­Sache spitzt sich zu.

Sollte die ÖVP bei der EU-Wahl vom ersten auf den dritten Platz abstürzen, würden nicht unmächtige ÖVP-Kreise versuchen, "Karl Nehammer doch noch als Kanzler-Kandidaten auszutauschen", plaudert jetzt ein ÖVP-Mann aus der Schule. Sonst "laufen wir direkt in das nächste Debakel bei der Nationalratswahl", so der Schwarze. Offen ließ der Schwarze, was geschehen soll, wenn die ÖVP nur auf den zweiten Platz abstürzt.

Dabei ist die Entschlossenheit der nicht unmächtigen ÖVP-Kreise, Nehammer abzusägen, völlig unverständlich, wenn man seinem Klubchef August Wöginger glaubt, der die Ursache der Parteimisere nicht in diesem, sondern in einer Überfülle der Regierungsleistungen sieht. Ich glaube, wir haben so viel gemacht, dass die Menschen es gar nicht fassen können. Ich merke das bei Terminen in meinem Wahlkreis: Viele haben den Überblick bei all den Maßnahmen verloren, gab er in einem "Presse"-Interview zu ­Protokoll.

Wie die ÖVP es macht, es ist immer verkehrt. Dabei meint Wöginger: Wir machen vieles richtig. Aber wir schaffen es derzeit wenig, den Menschen all das auch näherzubringen. Wie auch, wenn die das alles gar nicht fassen können. Man darf die Bevölkerung nicht mit einer Überfülle an Wohltaten überfordern, die nimmt so etwas leicht übel, vor allem dann, wenn man ihr dieselbe nicht näherzubringen vermag.

Das Volk als Chef

Das macht die FPÖ richtig. Nun hat sie unter den Tarnbezeichnungen Bewegung Volkskanzler und Die soziale Heimatpartei in der "Ganzen Woche" ein Inserat geschaltet, in dem Herbert Kickl das Volk mit dem konfrontiert, was es angeblich braucht. Wir brauchen endlich wieder eine Regierung, in der wieder das Volk der Chef ist! An oberster Stelle steht für mich, dass es den Familien und arbeitenden Menschen in Österreich wieder gut gehen muss. Muss! Denn ohne Zwang geht es da nicht. Wir brauchen ordentliche Einkommen und Pensionen, damit man sich auch wieder einmal ­etwas leisten kann, ohne jeden Euro zweimal umdrehen zu müssen! Wir brauchen einen sofortigen Asylstopp und einen Preisstopp bei Lebensmitteln und Spritpreisen. Wie das alles geschehen soll, wenn wieder das Volk der Chef ist, bleibt ­offen.

Aber das Schöne an diesem Text ist die darin versteckte Perspektive, dass man keinen Volkskanzler Kickl mehr braucht, wenn ohnehin das Volk der Chef ist. Was übrigens gut in die Konzepte aller anderen Parteien passt. Nicht zuletzt in jenes von Wöginger, der bei der persönlichen Frage der "Presse", wie es ihm bei der Vorstellung von Kickl als Kanzler ergehe, in einen kombinierten Anfall von türkiser Diplomatie und Amnesie verfiel. Das wäre ein Alptraum, daher meide ich diese Vorstellung. Ich will die Zeit der Koalition mit der FPÖ nicht missen, was im Nachhin­ein ohnehin nicht möglich wäre, aber eine Regierung mit einem Menschen wie Herbert Kickl ist für mich unvorstellbar.

Nur vergleichshalber fragte die "Presse" auch, wie Wöginger eine ­Polit-Rückkehr von Sebastian Kurz fände. Er habe, so dieser, mit Sebastian Kurz immer sehr gut zusammengearbeitet. Aber er ist jetzt ein erfolgreicher Unternehmer und hat selbst ausgeschlossen, in die Politik zurückzukehren. Aber sicher ist nichts. Vermutlich hat er auch ausgeschlossen, um einen Teil seines Millionenhonorars von Signa umzufallen. Und in der Not werden Menschen verwegen.

Wenn es um wirklich wichtige Dinge geht, besorgt sich "Heute" eine Umfrage, diesmal eine nicht ganz ernst gemeinte. Aber was will das bei "Heute" schon besagen, wo es nicht allzu viel Ernstzunehmendes gibt. Weil es wichtig ist, ging es um das Outfit der Wähler der einzelnen Parteien unter dem Christbaum. Dabei konnten die Roten einen schönen Erfolg verbuchen. Bei den Anhängern der SPÖ und der Bierpartei feiern angeblich 4 % so, wie Gott sie schuf. Bei FPÖ, Grünen und KPÖ sind es 2 %, bei ÖVP und Neos nur jeweils 1 %. Die meisten Anhänger von Jogginganzug & Co. finden sich wiederum unter Blau-Wählern. Ein ­sozial bewegter Volkskanzler in Schlabberhose vor dem Christkind – das ist wirklich das Allerletzte. Wöginger hat recht. (Günter Traxler, 25.12.2023)