Zum ersten Mal in der bald 35-jährigen Geschichte von "Tetris" wurde das Spiel von einem Menschen durchgespielt.
BlueScuti/Youtube

"Tetris" ist nicht nur ein Videospiel, sondern weit mehr als das. Seit seinem Erscheinen 1989 auf dem NES ist das Spiel mit den bunten Blöcken ein Phänomen. Es wurde fünf Jahre zuvor für sowjetische Elektronika-Rechner veröffentlicht und schwappte über Umwege in den Westen und landete dort auf unterschiedlichen Systemen. Auf einmal spielten Leute "Tetris", die sich nicht als klassische Gamer bezeichnen würden und dennoch Stunden um Stunden mit dem Puzzle-Game verbrachten. So wiederholte sich auf Millionen von Bildschirmen – das Spiel gehört noch immer zu den bestverkauften Videospielen aller Zeiten – eine Szene immer wieder, an die sich sicher auch viele Leser dieser Zeilen erinnern werden: Irgendwann verbaute man sich, die Blöcke türmten sich immer weiter, und sobald eines der Kasterln den oberen Bildschirmrand erreichte, hieß es plötzlich: Game over. So will es die 34-jährige Geschichte des Spiels – zumindest bis vor wenigen Tagen.

The First Time Somebody Has Ever "Beat" Tetris
Blue Scuti

Ende Dezember hat ein 13-jähriger Streamer mit dem Pseudonym "BlueScuti" selbst Videospielgeschichte geschrieben und als erster Mensch jemals "Tetris" durchgespielt, indem er den Highscore erreichte und das Spiel daraufhin einfror. 40 Minuten hatte der Teenager gebraucht, um insgesamt 1.511 Linien zu bilden.

Fast unmöglich ab Level 29

Die Leistung von "BlueScuti" ist deshalb so herausragend, weil die "Tetris"-Fancommunity bis vor ein paar Jahren noch davon ausging, dass es für einen Menschen praktisch unmöglich sei, über 290 Linien hinauszukommen, wie "Ars Technica" berichtet. Ein Spieler erreicht bei "Tetris" in der NES-Version Level 29, nachdem er oder sie je nach Startlevel zwischen 230 und 290 Linien abgeräumt hat. Dann erreichen die fallenden Blöcke die höchstmögliche Geschwindigkeit, und man muss immer schneller reagieren. In dieser Phase reicht es meistens nicht mehr aus, mit dem D-Pad des NES die linke oder rechte Taste zu betätigen, um die jeweilige Seite des Bildschirms zu erreichen. Die Steuerung selbst und die hohe Geschwindigkeit des Spiels ließen "Tetris" als unschaffbar erscheinen.

Aber die Community entwickelte eine Lösung namens "Hypterapping". Dabei wird der Controller mit einem eigenen Griff gehalten. Dieser erlaubt es dem Spielenden, mindestens zehnmal pro Sekunde eine der Richtungstasten zu betätigen. Mit diesem extrem schnellen Tastendrücken kann man die Seitwärtsbewegung der Blöcke deutlich beschleunigen. Diese Technik erfordert viel Übung und wird in Tutorialvideos genauer erklärt.

How to Hypertap (NES Tetris)
Here I talk about some grips how players hold their NES Controller for Hypertapping, and how to hypertap and some tips.
pahwp

Mit diesem Hypertapping können die Blöcke noch in der maximalen Spielgeschwindigkeit von Level 29 seitwärts bewegt werden, selbst wenn die Steine schon über vier oder fünf Linien hoch gestapelt sind. Wer an dieser Stelle die Steuerung nicht überlistet, der hat eigentlich schon verloren. Dennoch bleibt ab diesem Zeitpunkt im Spiel kein Raum für Fehler, und ein schlecht gestapelter Stein kann schon zum Game over führen. Damit kamen die besten Spielerinnen und Spieler der Welt immerhin bis Level 38. Später verfeinerte ein Spieler das Hypertapping und ging zum "Rolling" über und erreichte im Jahr 2021 schließlich Level 40.

Die Community trainierte weiter, und schon bald war Level 146 mit der Rolling-Technik erreicht. Offenbar hatten sie damit einen Level erreicht, mit dem auch die Entwickler selbst nicht gerechnet haben, denn ab Level 138 begann die NES-Variante von "Tetris" sich etwas eigenartig zu verhalten: Ein Fehler im Spiel führte dazu, dass manche Blöcke kaum noch zu sehen waren. Für menschliche Spieler wurde es immer schwieriger, und die besten unter ihnen waren zu diesem Zeitpunkt maximal bis Level 148 gekommen.

Ein 13-jähriges "Tetris"-Wunderkind

Dann betrat "BlueScuti" die kompetitive "Tetris"-Szene und wirbelte sie durcheinander. Im Dezember erreichte er Level 153, war also nur fünf Linien vom ersten möglichen Crash des Spiels entfernt. Am 21. Dezember gelang dem "Tetris"-Wunderkind schließlich das Unglaubliche: Es schaffte die kaum sichtbaren Blöcke in den Leveln 146 und 148 und erreichte schließlich den sagenumwobenen Level 155. Aber das Spiel stürzte nicht ab; "BlueScuti" hatte eine "dreifache" Linie geschafft, um Level 155 zu erreichen, und nicht die "einfache", die einen sofortigen Spielabsturz garantiert hätte. Er musste noch einige entscheidende Sekunden weiterkämpfen, bis das Spiel schließlich bei Level 157 aufgab. "O mein Gott", kommentierte der sichtlich überwältige 13-Jährige seinen Erfolg. Ein Platz in der Videospielgeschichte ist ihm damit sicher. (red, 4.1.2024)