Eines ärgert die Österreicherinnen und Österreicher am Gesundheitssystem schon lange: dass es in zahlreichen Regionen sehr schwierig ist, auf Kasse Allgemeinmediziner oder Fachärztinnen zu finden, die noch neue Patientinnen und Patienten aufnehmen, deren Praxis halbwegs in der Nähe ist und deren Terminwartezeiten zumutbar sind.

Die Bundesregierung hat bereits vor Monaten angekündigt, das Kassensystem auszubauen. In einem ersten Schritt sollen bis Ende März 100 neue Kassenstellen geschaffen werden. Matthias Krenn, der zu Jahresbeginn turnusmäßig die Obmannschaft der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) übernommen hat, sagte am Montag, es brauche womöglich mehr Mittel für den Startbonus für an Kassenstellen interessierte Medizinerinnen und Mediziner.

Sollten nämlich mehr als 100 Ärztinnen und Ärzte nach dem Bewerbungsprozedere für einen Kassenvertrag infrage kommen – was angesichts von mindestens 530 ausgefüllten Onlineformularen leicht möglich wäre–, wolle man diese auch fürs Kassensystem gewinnen. Aus Sicht der Regierung hat die ÖGK die Mittel dafür bereits in der Hand. Der Bund stellt in dem Bereich ab heuer 300 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung.

Ärztin Arzt Impfpass ausfüllen
Die Wartezeit auf einen Arzttermin im Kassensystem soll sich verkürzen.
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Frage: Wie verteilen sich die neuen Kassenstellen?

Antwort: Mindestens 50 neue Kassenstellen sind laut ÖGK für Allgemeinmedizin sowie Kinder- und Jugendheilkunde vorgesehen, die Hälfte davon dezidiert für Primärversorgungseinheiten. Weitere rund 50 Stellen sind für Gynäkologie, Dermatologie, Augenheilkunde und (Kinder-)Psychiatrie reserviert. Ein an der Bevölkerungszahl orientierter Aufteilungsschlüssel gibt vor, welches Bundesland wie viele neue Stellen erhält: Drei sind es im Burgenland, die meisten mit 22 in Wien.

Ursprünglich war einmal von insgesamt 100 Stellen nur für Allgemeinmedizin, Kinderheilkunde und Gynäkologie die Rede gewesen. Offenbar ist es aber schwierig, Kinder- und Frauenärztinnen zu finden: Zwar hieß es am Montag von der ÖGK, dass es inzwischen in fast allen Bundesländern Meldungen für beide Fächer gebe. Huss hatte letzte Woche aber noch gesagt, dass für Kinderheilkunde nur in vier und für Gynäkologie nur in fünf Bundesländern Meldungen erfolgt seien.

Frage: Wie viel machen 100 neue Stellen in Relation zur gesamten Versorgungsstruktur auf Kasse aus?

Antwort: Es gibt rund 10.180 Kassenstellen, fast 4.000 für Allgemeinmedizin, rund 2.800 für Zahnmedizin und 3340 für weitere Fächer.

Frage: Was ist mit den Stellen, die schon länger vakant sind?

Antwort: Sie sind weiter ein Problem, die neuen Stellen soll es zusätzlich geben. Laut Ärztekammer waren insgesamt knapp 290 Kassenstellen am Ende des ersten Halbjahres 2023 nicht besetzt (aktuellere Zahlen gibt es noch nicht). 179 Stellen waren es für Allgemeinmedizin, zusätzlich fehlten 109 Fachärzte.

Frage: In welchen Fächern ist der Bedarf besonders groß, und wie steht dies in Relation zu den neu zu vergebenden Kassenverträgen?

Antwort: Fast die Hälfte der unbesetzten Facharztstellen fällt auf Kinderheilkunde sowie auf Frauenheilkunde. Der Bedarf ist regional verschieden. Beispiel Niederösterreich: Bei der aktuellen Aufstockung erhält Niederösterreich 19 neue Kassenstellen. Genauso viele Verträge waren in dem Bundesland allein in den beiden Fächern Kinder- und Jugendheilkunde (zehn) und Haut- und Geschlechtskrankheiten (neun) laut Ärztekammerliste Ende Juni 2023 vakant. Insgesamt fehlen in dem Bundesland 30 Fachärztinnen und Fachärzte.

Ein anderes Beispiel: Tirol. Hier fehlten insgesamt 19 Fachärztinnen und Fachärzte, allein sechs für Augenheilkunde sowie drei für Kinder- und Jugendheilkunde und drei für Gynäkologie. Tirol wurden bei der aktuellen Initiative nun neun neue Kassenstellen zugesagt. Die Steiermark erhält im Zuge dessen 14 neue Stellen, während 36 allgemeinmedizinische und 17 Facharztstellen dort offen sind, allein acht für Gynäkologie.

Frage: Es gibt einen Startbonus von 100.000 Euro. Die Ärztekammer fordert, ihn für alle offenen Kassenstellen zu vergeben. Wer erhält ihn?

Antwort: Die ÖGK informiert auf ihrer Website darüber, dass für Allgemeinmedizin, Kinder- und Frauenheilkunde Förderungen aus Bundes- und EU-Mitteln in der Höhe von je 100.000 Euro möglich sind. Auf Nachfrage heißt es von der ÖGK, dass man auch Interessenbekundungen für andere Fachgruppen erhalten habe und sammle. Alle Anfragen würden gesichtet, in den nächsten Wochen werde entschieden, welche von den neuen Stellen sowie welche mehrmals erfolglos ausgeschriebenen Stellen mit Startbonus ausgeschrieben würden. Für Primärversorgungszentren gibt es eigene Förderungen.

Frage: Sollte es die neuen Kassenstellen nicht längst geben?

Antwort: Ja. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte im März 2022 ausgeführt, dass es 800 zusätzliche Kassenärzte bis 2030 brauche, im Sommer wurden 100 neue Kassenstellen bis Ende 2023 angekündigt. Seit Dezember ist Ende März das Ziel formuliert worden. Laut ÖGK erfolgt die Ausschreibung voraussichtlich ab Mitte Jänner und wohl in mehreren Tranchen. (Gudrun Springer, 16.1.2024)