Frau mit einer Meta Quest 3
Auf der Meta Quest 3 gibt es Spiele, die man sonst nirgendwo bekommt. Ist das die besagte Offenheit, mit der Mark Zuckerberg seine Vision in die Realität umsetzen will?
AP/Godofredo A. Vásquez

Die Steam Awards boten in diesem Jahr Anlass für einen bunten Mix der Emotionen: ein wenig zum Einschlafen, zum Fremdschämen und zum ratlosen Schulterzucken. In die erste Kategorie fällt die Wahl des Hauptgewinners. Niemand wird sonderlich überrascht sein, dass "Baldur's Gate 3" auch auf dieser Plattform der Liebling der Community ist und somit zum "Spiel des Jahres" ausgezeichnet wurde, nachdem Entwickler Larian auch schon bei den Game Awards abgeräumt hatte und von diversen Redaktionen in Jahresrückblicken mit Lob überhäuft worden war. Auch von uns, denn das Rollenspiel ist wahrlich ein Meisterwerk. Der Newswert einer weiteren Auszeichnung hält sich aber in Grenzen.

Starfield und das "innovative Gameplay"

Zum Fremdschämen ist hingegen, was die Community mit Bethesdas Weltraum-Epos "Starfield" angestellt hat. Das im vergangenen Jahr nach einer langen Hype-Vorankündigungsphase erschienene Rollenspiel ist groß, umfangreich – und langweilig. So finden sich die Spielerinnen und Spieler nach einem anfänglichen Staunen über die Weiten des Universums rasch in öden Fetch-Quests, langwierigen Reisen von A nach B, lästigen Ladebildschirmen und zeitraubender Inventarverwaltung wieder. Auch anfangs begeisterte Spieler (ich gestehe: zu denen gehörte ich) hängten das virtuelle Raumschiff somit irgendwann an den Nagel, bei Steam fallen die rund 8.000 kürzlich veröffentlichten Rezensionen großteils negativ aus.

Das hinderte die Community allerdings nicht daran, den Ladebildschirm-Simulator ausgerechnet in der Kategorie "Innovatives Gameplay" zum Gewinner zu wählen. Die Kollegen beim deutschen Tech-Medium Heise.de vermuten hier berechtigterweise eine bewusste Verhöhnung. Bei Bethesda dürfte man den Witz nicht verstanden haben und teilte die Freude sogleich in einem Tweet. Zum Fremdschämen.

Was zum Teufel ist "Labyrinthe"?

Interessant wird es aber auch bei einer anderen Auszeichnung aus den Nebenkategorien: "Labyrinthine" wurde zum besten VR-Spiel ausgezeichnet. Das führt zum besagten ratlosen Schulterzucken, denn immerhin beobachten wir als Redaktion auch den Markt für VR-Spiele intensiv, hatten von diesem Game jedoch noch nie etwas gehört. Dieser Eindruck spiegelt sich auch in der Steam-Community wider: Mit insgesamt rund 12.000 Bewertungen – zum Vergleich: bei "Baldur's Gate 3" sind es über 475.000 – dürfte das Spiel ein deutlich kleinerer Fisch sein als die großen AAA-Titel.

Labyrinthine Official Game Trailer
Valko Game Studios

Zugleich spiegeln die Bewertungen die Wahrnehmung von "Labyrinthine" im Lauf der Zeit wider: Waren diese über den gesamten Zeitverlauf hinweg "sehr positiv", liegt die durchschnittliche Wertung nun nur noch bei "ausgeglichen". Der größte Kritikpunkt in den Rezensionen: Unverständnis, warum dieses Spiel tatsächlich zum "VR-Game des Jahres" auserkoren wurde.

Wer "Labyrinthine" zum Preis von 8,99 Euro ausprobiert, der kann diese Kritik rasch nachvollziehen. So bewegt man sich in dem Horrorspiel durch verwinkelte Irrgärten, löst Rätsel und begegnet Monstern. Wer VR-affine Freunde hat, der kann mit diesen auch gemeinsam im Multiplayer durch die dunklen Gänge schleichen. Das ist teils gruselig, ein paar Mal habe ich mich erschreckt, und für einen Abend habe ich mich auch recht gut amüsiert. Ehrlich, "Labyrinthine" ist kein schlechtes Spiel. Aber das beste VR-Spiel des Jahres? Nein.

Sony und Meta sind besser...

Da hat es im vergangenen Jahr doch andere Titel gegeben, die uns deutlich mehr begeistern konnten. Vor allem Sony hatte Anfang 2023 mit der PSVR 2 eine neue VR-Brille auf den Markt gebracht und in dem Kontext diverse neue Titel auf den Markt geworfen. Viele dieser Titel konnten in einer längeren Testreihe nicht wirklich überzeugen, anders hingegen "Horizon: Call of the Mountain", in welchem man sich in einer post-postapokalyptischen Welt mit Pfeil und Bogen gegen Roboterdinosaurier wehrt. Das ist technisch und spielerisch definitiv ansprechender als "Labyrinthine".

Horizon Call of the Mountain - Launch Trailer | PS VR2 Games
PlayStation

Ähnlich bei Meta, wo man mit der Quest 3 im Herbst ebenfalls eine neue VR-Brille auf den Markt gebracht hat und die Community im hauseigenen Store mit immer mehr Anwendungen und Spielen versorgt. So hat Kollege Benjamin Brandtner das VR-Spiel "Lego Bricktales" sogar zu seinen Geheimtipps für das vergangene Jahr gezählt. Und zwar nicht nur für das VR-Segment, sondern über alle Plattformen hinweg. Das Spiel nutzt die "Mixed Reality"-Funktion der Meta Quest 3, damit Spielerinnen und Spieler virtuelle Lego-Skulpturen im eigenen Wohnzimmer bauen können.

LEGO™ Bricktales | Announce Teaser Trailer l Meta Quest 2 + Meta Quest 3
Meta Quest

Ich persönlich wiederum zähle "Assassin's Creed: Nexus" zu meinen VR-Highlights des vergangenen Jahres. Mit seinem Fokus auf Schleichen, Springen, Rennen und Meucheln ist das Franchise einfach prädestiniert dafür, auch in der 3D-Ichperspektive erlebt zu werden. Wer springt schon nicht gerne von einem hohen Turm in einen Heuhaufen, ohne sich dabei real zu verletzen?

Assassin's Creed Nexus VR | Official Launch Trailer | Meta Quest Platforms
Meta Quest

... aber wollen nicht teilen

All die soeben genannten VR-Spiele sind besser als "Labyrinthine". Warum also haben sie den Titel nicht eingeheimst? Aus einem einfachen Grund: Sie sind auf Steam überhaupt nicht verfügbar, sondern werden exklusiv für Sonys oder Metas VR-Brillen angeboten. "Bricktales" gibt es auf anderen Plattformen zwar zweidimensional, die VR-Version jedoch nur für das Quest-Ökosystem. Das kennt man bereits von klassischen Games, im VR-Umfeld ist das aber besonders ärgerlich.

Denn eigentlich hatte Mark Zuckerberg mit der Umbenennung seines Konzerns in Meta die Mission ausgerufen, ein "Metaversum" zu schaffen. Und das geht nicht alleine, wie auch Managerinnen und Manager des Unternehmens in Gesprächen mit Journalisten immer wieder betonen: Man bemühe sich um Offenheit, damit möglichst viele Stakeholder mit an Bord kommen. Hier wird offensichtlich Wasser gepredigt und Wein getrunken. Denn während die Quest-Brillen sehr wohl an den PC angeschlossen und Steam-Spiele darauf gespielt werden können, sind Quest-Spiele wie "Assassin's Creed: Nexus" eben nicht für andere Plattformen verfügbar. Offenheit sieht anders aus.

Ins eigene Fleisch schneiden

Ärgerlich ist das nicht nur für die Gamerinnen und Gamer, die sich auf dem PC mit "Labyrinthine" begnügen müssen, anstatt einen STANDARD-Geheimtipp wie "Lego Bricktales" in VR genießen zu können. Die Anbieter selbst schneiden sich auch ins eigene Fleisch. Denn bei aller Liebe zu "Nexus" habe ich mir nicht die Mühe gemacht, mich dort mit meinem Ubisoft-Konto anzumelden und meine Spielerfolge zu publizieren. Warum sollte ich? Meine echten Freunde nutzen ja PC-VR-Brillen und könnten die Ergebnisse somit sowieso nicht nachvollziehen.

In diesem Sinne erübrigt es sich auch, Menschen außerhalb des Ökosystems überhaupt Spieletitel zu empfehlen, wenn diese darauf nicht zugreifen können. Und auch über Multiplayer braucht man hier nicht groß reden, wenn die Freunde auf die besagten Spiele nicht zugreifen können. War das nicht ursprünglich Zuckerbergs Vision? Dass wir uns im ominösen "Metaversum" treffen, um dort gemeinsam Zeit zu verbringen? Daraus wird nichts, wenn künstliche Silos geschaffen werden, um die schönsten Perlen im eigenen Reich zu halten. Schade eigentlich – für alle Beteiligten. (Stefan Mey, 11.1.2024)