Stand jetzt wird es eine Minderheitsregierung mit Herbert Kickl als Bundeskanzler geben.

Lassen Sie das einmal wirken.

Warum das wahrscheinlich ist? Weil die FPÖ – Stand jetzt – mit sehr großer Wahrscheinlichkeit als stimmenstärkste Partei aus der Nationalratswahl im Herbst hervorgehen wird. Und weil sie ihren Parteiobmann Herbert Kickl, dem sie das zu verdanken hat, nicht in die Wüste schicken wird.

Alle anderen Parteien haben – mit unterschiedlicher Akzentuierung – eine Koalition mit der FPÖ unter Kickl ausgeschlossen. Sonst wird sich nichts anderes ausgehen. Eine Mehrheit links der Mitte, aus der eine Koalition aus SPÖ, Grünen und Neos hervorgehen könnte, zeichnet sich nicht ab. Eine Koalition aus SPÖ und ÖVP, vielleicht noch mithilfe von Grünen oder Neos, erscheint aus jetziger Sicht unmöglich, zumindest wenn man den Ankündigungen und Bedingungen der Parteichefs glauben will. SPÖ-Chef Andreas Babler nennt neue Vermögenssteuern als ultimative Bedingung für eine Koalition. Genau das schließt ÖVP-Chef und Noch-Kanzler Karl Nehammer aus. Man muss beiden nicht glauben, und man kann sich auch ausmalen, dass sie nach der Wahl möglicherweise nicht mehr Parteichefs sind, wenn sie ihre Wahlziele grob verfehlen sollten und andere dann andere Bedingungen – oder gar keine mehr – stellen.

Bundesparteiobmann Herbert Kickl (FPÖ)
Kanzler Kickl? Die FPÖ könnte bei der Nationalratswahl jedenfalls stärkste Partei werden.
APA/EVA MANHART

Stand jetzt aber schaut es nach einer freiheitlichen Minderheitsregierung mit Kanzler Kickl aus. Oder Staatskrise. Oder beides gleichzeitig.

Warum das doch nicht wahrscheinlich ist? Weil Bundespräsident Alexander Van der Bellen einen Bundeskanzler Kickl nicht akzeptieren würde – nicht mit einer Minderheitsregierung und sonst vielleicht auch nicht. Auch wenn die Wahl so ausgeht, wie die Umfragen das jetzt nahelegen. Und weil vielleicht nicht alle Ansagen und Bedingungen nach der Wahl halten werden – was deren Sinnhaftigkeit infrage stellt. Damit untergraben Politikerinnen und Politiker nur ihre Glaubwürdigkeit und die des Parteiensystems als Ganzes.

Koalitionsspekulationen

An dieser Stelle wurde unlängst Klarheit gefordert: SPÖ und ÖVP mögen eine Koalition mit der FPÖ (mit oder ohne Kickl) definitiv ausschließen, damit sich die Wählerinnen und Wähler auskennen. Das hat etwas für sich.

Man kann es aber auch anders sehen: Anstelle von Koalitionsspekulationen und ultimativen Bedingungen präsentieren die Parteien einen inhaltlichen Forderungskatalog mit einer deutlichen Priorisierung. Wir warten die Wahl ab, schauen uns das Ergebnis an, wissen dann, was sich ausginge und was nicht. Dann starten die Parteien Gespräche, in denen sie ihre Forderungen miteinander abgleichen und verhandeln. Und prüfen, wo sie mit wem am meisten umsetzen könnten. Und was (oder auch wer) sie am meisten schmerzen würde – und was (oder wer) sich nicht ausginge.

Dass alle alles durchbringen, wird es in einer Koalition, egal welcher, nicht spielen. Auch die Grünen haben bei ihrem Eintritt in die Koalition mit der ÖVP bei Asyl und Migration Abstriche machen müssen, um dafür im Bereich Klimaschutz, den sie als essenzieller erachteten, in die Umsetzung zu kommen.

Dass die FPÖ dabei wieder ins Spiel kommt, mag manche schmerzen. Aber ein Kanzler Kickl wird so nicht wahrscheinlicher als bei ultimativen Festlegungen, die Alternativen ausschließen. (Michael Völker, 10.1.2024)